Ausgabe 2 / 2017 Artikel von medica mondiale

11 Tipps im Umgang mit traumatisierten Menschen

Von medica mondiale

Die Bereitschaft, geflüchteten Menschen beim Ankommen in Deutschland zu helfen, ist beeindruckend groß. Die ehrenamtliche Hilfe ist enorm wichtig. Zugleich brauchen diejenigen, die sich engagieren, selbst vielfältige Unterstützung: Wissen über rechtliche Rahmenbedingungen, Kenntnisse der Netz­werke und Hilfsstrukturen vor Ort, die Möglichkeit zum Austausch und nicht zuletzt eine geschulte Haltung im Umgang mit Menschen, die traumatisierende Erfahrungen gemacht haben.
medica mondiale, die feministische Frauenrechts- und Hilfsorganisation mit Sitz in Köln, hat viel Erfahrung im Umgang mit traumatisierten Frauen. Ak­tuell bieten die Mitarbeiterinnen viele Fortbildungen für Professionelle und Ehrenamtliche in der Arbeit mit geflüchteten Menschen an. Angebote wie diese gibt es inzwischen vielerorts und sie sind lohnenswert.
medica mondiale hat für Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit elf Hinweise zum Umgang mit Geflüchteten herausgegeben. Die Hinweise basieren auf der langjährigen Erfahrung von medica mondiale im Umgang mit Frauen, die sexualisierte Gewalt überlebt haben, sowie auf einem Leitfaden des Deutschen Hebammenverbandes. Es gibt sie auch als gestaltetes Plakat zum Download auf deren Website:
www.medicamondiale.org

1. Vertrauen Sie der Stärke Ihres Gegenübers. Auch wenn die Frauen traumatische Erfahrungen gemacht haben: Die meisten werden die Folgen des Erlebten aus eigener Kraft überwinden können. 

2. Unterstützen Sie Ihr Gegenüber, diese Stärke auch wahrzunehmen. Fragen Sie die Frau, was ihr in der Vergangenheit gut getan hat. Fragen Sie nach positiven Erinnerungen, nach Zielen und Träumen. Auch wenn die Frau jetzt mit Gefühlen der Hilflosigkeit konfrontiert ist, verfügt sie über viele Kompetenzen.

3. Vertrauen Sie auf das Bauchgefühl, das Sie auch im Umgang mit anderen Mitmenschen nutzen. Ihre natürliche Empathie ist Ihr Kompass. 

4. Fragen Sie nach, sobald Sie sich unsicher sind, ob Ihr Verhalten angemessen ist. Wenn nicht mit Worten, dann mit einem fragenden Blick oder einer kleinen Skizze.

5. Für Männer: Suchen Sie keinen Körperkontakt. Für Frauen: Bieten Sie Körperkontakt, zum Beispiel eine Berührung am Arm, nur sehr zurückhaltend an. Achten Sie auf Signale Ihres Gegenübers wie Gesten, um abzuschätzen, ob die Berührung erwünscht ist. 

6. Erklären Sie Ihre Rolle innerhalb des Helfersystems sowie Möglichkeiten und Grenzen der Unterstützung, zum Beispiel wann Sie wie erreichbar sind und wer Sie vertritt.

7. Fragen Sie nicht neugierig nach vergangenen Erlebnissen wie Flucht oder dem Krieg. Wenn die Frau signalisiert, erzählen zu wollen,  hören Sie aufmerksam zu, aber wahren Sie Grenzen (siehe 8).

8. Suchen Sie einen Weg das Gespräch umzuleiten, wenn  Sie oder Ihr Gegenüber Reaktionen zeigen wie Schwitzen, Zittern, Atembeschwerden, Taubheitsgefühle  oder eingeschränkte Wahrnehmung von Zeit und Umgebung. Bieten Sie ein Glas Wasser an, fragen Sie die Frau, ob sie gerne frische Luft hätte und sagen Sie ihr, wie stark es ist, dass sie so schwere Dinge überlebt hat.

9. Seien Sie geduldig. Stress- und Traumareaktionen können sich in Konzentrationsschwäche äußern. Ärgern Sie sich nicht, wenn Ihre Erklärungen oder Hinweise nicht umgesetzt oder vergessen wurden. 

10. Wahren Sie vor (männlichen) Familienmitgliedern die Intimsphäre der Frau und stellen Sie keine Fragen, die ihre Würde als Frau verletzen oder Schamgefühle berühren könnten. 

11. Überfordern Sie sich nicht. Achten Sie auf die Signale Ihres Körpers, machen Sie Pause vom Helfen und sorgen Sie für Abwechslung in Ihrem Leben – denn Ihre Hilfe wird langfristig gebraucht.

Mehr Informationen zum trauma-sensiblen Ansatz von medica mondiale finden Sie unter: www.medicamondiale.org
(Oktober 2015)

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