Ausgabe 2 / 2003 Bibelarbeit von Susanne Käser

Wenn ein Fremdling bei euch wohnt

Bibelarbeit zur Überwindung von Rassismus

Von Susanne Käser

In der Bibel kommt der Begriff „Rassismus“ nicht vor. Aber im Ersten Testament geht es immer wieder um „Fremde“. Der Glaube an Jahwe als den Einen Gott, Schöpfer und Erhalter des Universums, schafft Raum für einen offenen Umgang mit Menschen anderer Völker. Zugleich grenzt Israel sich oft hermetisch ab gegen „Fremdes“, erklärt andere Glaubensrichtungen als Sünde und Missachtung des Bundes mit Jahwe. Immer aber bleibt die Grundüberzeugung erhalten: Nächstenliebe ist eine Auswirkung der Beziehung Israels zu Jahwe; also kommt es auch darauf an, wie Israel als Volk das Zusammenleben mit seinen Nachbarn bzw. den Fremden gestaltet. Jesus spricht nicht direkt über Fremdenfeindlichkeit, doch seine Begegnung mit Menschen, die ausgegrenzt sind wegen ihrer Volkszugehörigkeit oder ihres Glaubens, durchbricht die gezogenen Grenzen.

Biblische Aspekte

„Höre, Israel, der Herr ist unser Gott, der Herr allein. Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt.“ (Deuteronomium 6,4-5)
Im Judentum gehört das „Höre Israel“ noch heute zum täglichen Morgen- und Abendgebet. Dieser Satz ist zentrales Glaubenswort. Hier ist aus Gebot Gebet geworden. Die jüdische Theologin Eveline Goodmann-Thau sagt: „Wenn wir das ‚Schema‘ rezitieren, begreifen wir die Einzigartigkeit eines jeden Menschen und die Einheit zwischen Mann und Frau, da beide als Abbild Gottes geschaffen wurden. Wir sind fähig, diese Einheit zum Ausdruck zu bringen.“

„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst, spricht der Herr.“ (Lev/3. Mose 19,18b) „Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Ich bin der Herr, euer Gott.“ (Lev 19,33f) „Du sollst deinen Nächsten nicht bedrücken noch berauben. Es soll des Tagelöhners Lohn nicht bei dir bleiben bis zum Morgen.“ (Lev 19,13) „Auch sollst du in deinem Weinberg nicht Nachlese halten noch die abgefallenen Beeren auflesen, sondern dem Armen und Fremdling sollst du es lassen; ich bin der Herr, euer Gott.“ (Lev 19,10)
Lev/3. Mose 19 enthält das sog. Heiligkeitsgesetz: Jahwe, der Gott Israels ist der Heilige (Lev 19,2), deshalb sind auch alle seine Geschöpfe heilig. Es geht nicht um ein untadeliges Leben, sondern um die Zugehörigkeit zu Jahwe, um die Beziehungsgeschichte zwischen Gott und den Menschen. In der Beziehung der Menschen untereinander und im Tun der Gerechtigkeit spiegelt sich die Beziehung zu Gott wieder. Das Heiligkeitsgesetz ist angelegt im Stil der Dekaloge (Zehn Gebote) und beinhaltet Regeln für den zwischenmenschlichen Umgang. Im Dekalog fehlen einige Grundthemen der übrigen Tora, z.B. der Schutz der sozial Schwachen und der rechtlosen Randgruppen. Dies wird in Levitikus 19 thematisiert. Höhepunkt dieses Programms ist die Forderung, den Nächsten zu lieben. Doch wer ist der Nächste? In Lev 19,17f wird das Wort „Nächster“ analog zu „Bruder“, „Volksgenosse“ und „Söhne des Volkes“ verwandt. Lev 19,34 weitet das Gebot auf die Fremdlinge aus. (1)
Entstanden ist das Buch vermutlich während der Zeit des Exils. Die Verschleppten erleben die fremde Kultur als bedrohlich. Israel fürchtet um seine Identität und „Heiligkeit“, d.h. die Jahwe-Zugehörigkeit, und reagiert darauf ängstlich mit Ab- und Ausgrenzung. Dieses Handlungsmuster wird überall auf der Welt bis heute verwendet und sowohl mit politischen als auch militärischen Mitteln durchgesetzt. Um so erstaunlicher, dass Israel damals daran festhält, „die Fremden, die bei euch wohnen“ aufzunehmen und gerecht zu behandeln, ja sogar zu schützen. Dafür gibt es nur eine Begründung: weil Jahwe es so will und dies Bestandteil der Beziehung zu Jahwe ist.

„Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe?“ (Lk 10,25)
Als Antwort zitiert Jesus aus „dem Gesetz“ das Doppelgebot der Liebe. Dann erzählt er die Geschichte vom ‚barmherzigen Samariter‘ und schließt mit der Aufforderung „Geh und handle wie dieser Fremde“. (Lk 10,25-27 und 10,28-37) Dem Schriftgelehrten geht es um die Beziehung zu Gott. Selbstverständlich kennt er die zentrale Aussage des Levitikus. Doch Jesus stellt das Gebot der Nächstenliebe mit seiner Erzählung sozusagen auf den Kopf: Der Fremde ist es, der einen Israeliten als seinen Nächsten behandelt und so das Doppelgebot der Liebe erfüllt. Damit macht Jesus deutlich, dass das System der Aus- und Abgrenzung von Gott nicht gewollt ist.

Im Lukas-Evangelium werden die Erniedrigten erhöht. Es erzählt vor allem Geschichten von der Hoffnung der Gemeinden auf Befreiung aus konkreten ungerechten und unterdrückenden politischen Strukturen. Als es abgefasst wurde, hatte Israel bereits die Zerstörung des Tempels erlebt. Diese Erfahrung rief existentielle Fragen nach der eigenen Identität auf und danach, wie das ist mit dem Anbruch des Gottesreiches. Die Geschichte von der gelebten Nächstenliebe eines Fremden, die nur in diesem Evangelium erzählt wird, ist eine deutliche Antwort darauf. Schon am Anfang des Evangeliums sehen Elisabeth, Maria, Zacharias, Josef, Simeon und Hanna in Jesu Geburt das Zeichen für den Anbruch der messianischen Heilszeit Gottes. Gott hat das Zeichen seiner liebevollen Beziehung neu gesetzt bzw. in die Krippe gelegt. Durch Jesus wird das Angebot der Gottes- und Nächstenliebe ausgedehnt auf alle Menschen.

„Meister, welches Gebot im Gesetz ist das wichtigste?“ (Mt 22,36)
Jesus antwortet darauf mit den Zitaten aus Dtn 6,5 und Lev 19,18 (vgl. Mt 22,35-40). Kapitel 22 des Matthäus-Evangeliums berichtet über Auseinandersetzungen der verschiedenen Gruppierungen, die noch fest in der jüdischen Tradition verwurzelt waren. Der Schriftgelehrte stellt die zentrale Frage, wie die Beziehung zu Gott gelebt wird. Jesus beantwortet sie, indem er die Beziehung zu Gott und die Beziehung zu den Mitmenschen gleichwertig nebeneinander stellt. Zugleich wird damit in den matthäischen Gemeinden Gott alleinige Autorität zuerkannt. Sie versuchen widerständig zu leben und setzen den Machtansprüchen der römischen Herrschaft das Doppelgebot der Liebe entgegen.

„Hab Erbarmen mit mir, Herr, du Sohn Davids!“ (Mt 15,22)
Eine Kanaanäerin bittet Jesus um Heilung für ihre kranke Tochter. Jesus grenzt sie aus: „Ich bin nur gesandt zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel“. Sie ist beharrlich, dreht sein Argument um: selbst Brotkrümel machen Hunde satt. Jesus verändert seine Haltung grundlegend. Er gesteht der Frau „großen Glauben“ zu und ihre Tochter wird geheilt. (Mt 15,21-28) Will der Gott Israels nur die Heilung ‚seines Volkes‘, oder bringt Jesus Heilung zu allen, die ihrer bedürfen? Gibt es Grenzen? Die matthäischen Gemeinden sagen ‚nein‘, predigen die Annahme und Anerkennung einer Fremden. Die Frau hat eine inklusive Vision vom Heil Gottes und hält trotz der massiven Abweisung daran fest. Spannend an dieser Geschichte ist, dass Jesus zunächst die Position der Ab- und Ausgrenzung vertritt. Durch seine Veränderung erhält die inklusive Vision vom Heil Gottes, das Annehmen und Hineinnehmen, eine ganz hohe Qualität für die Jesus-Nachfolgegemeinschaft. Er hat seine Haltung verändert – und deshalb können wir es auch.

Weitere Texte

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 3:
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich. (2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. (3) Niemand darf wegen  seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen und politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.

Gret Haller „Wie gestalten Frauen die Zukunft Europas mit?“ (2)
Unser „Weltbild“ bezieht sich auf zwei grundsätzlichen Sichtweisen: (a) Wir und die anderen: Diese Sichtweise sucht immer nach den Unterschieden und macht sie fest z.B. an der Kultur, an der Staatsangehörigkeit, am Alter, Geschlecht u.s.w. Danach wird bestimmt, ob eine Person zu uns gehört oder nicht. Meist genügen ein oder zwei Kriterien zu dieser Festlegung. – Das ist die sog. partikulare Denkweise.
(b) Alle Menschen haben dieselbe Würde trotz der Unterschiede: Diese zweite Sicht sucht nach Gemeinsamkeiten. Diese Suche bleibt nicht vordergründig, sie geht tiefer und stößt dabei über kurz oder lang auf die Würde des Menschen, die alle gemeinsam haben. Sie ist das einzige Kriterium, das zählt. Das schlägt sich in der Philosophie der Menschenrechte nieder. …
Heutige Rückfälle in die partikulare Weltsicht sind Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, rechtsextreme Gewalt und regionale Kriege. Wenn „die Anderen“ keine Würde mehr haben, kann ich sie abschieben, bedrohen, angreifen und töten. Anerkennung „der anderen“ ist ein einseitiger Akt! Braucht sie die andere Person von mir? Nein, denn sie hat ihre Würde auch ohne meine Anerkennung…
Europa braucht „Nächstenliebe“. Diese wurde „vom Patriarchat“ der gesellschaftlichen Rolle der Frau zugewiesen. Sollte frau sich gegen diese Zuweisung weiter wehren? Oder sollten wir sie nicht besser positiv aufgreifen, weil die Menschheit Nächstenliebe braucht? Frauen können diesen Teil ihrer Sozialisierung politisch nutzen. Einige tun es bereits. Es geht darum, dass Frauen die Geschäfte der Staatlichkeit mitbetreiben, indem sie sich in die öffentliche Diskussion einmischen z.B. über Gesetzgebungen, sich nicht nur vor Wahlen gut informieren, sich selbst für Ämter im Gemeinwesen aufstellen lassen…, denn Politik ist die staatspolitische Identität der einzelnen Person. – Europa (die Welt, SK) ist also ein „Frauenprojekt“, denn es braucht mehr „Nächstenliebe“ in der politischen Diskussion seiner Werte.

Fallbeispiele

EREIGNIS 1: Unsere 18 jährige Tochter sucht ein Zimmer in einer mittelgroßen Stadt. Sie ist erst vor Kurzem aus Westafrika nach Deutschland gekommen. Wegen der Sprachschwierigkeiten begleitet sie ihr älterer Bruder. Beide sind schwarz. Im Gespräch mit einem Vermieterehepaar stellt sich heraus, dass diese mit Mietern aus anderen Ländern schlechte Erfahrungen gemacht haben. Nachbarn hatten sich über laute Musik und zu viele fremde junge Leute in der Einraumwohnung beschwert. Schließlich lassen sich die Vermieter darauf ein, dass die Eltern kommen sollen, um den Mietvertrag zu verhandeln. Mein Mann (Afrikaner) und ich fahren hin, klingeln an der Wohnungstür. Der Vermieter öffnet, sieht uns beide an und sein Gesicht hellt sich auf. Er sagt zu mir: „Ach so, Sie sind Deutsche! Kommen Sie herein.“

EREIGNIS 2: Asylbewerber sind in ehemaligen US-Kasernen untergebracht. Die verschiedenen Völker werden je nach Platz in die vorhanden Räume eingewiesen: Männer aus allen Kontinenten, die allein hier sind, in Mehrbetträume (Stockbetten); Familien in eigenen Räume, jedoch eine Küche und ein Bad für mehrere gemeinsam. Meldung in der Regionalzeitung: Die Polizei müsse immer öfter einschreiten wegen Tätlichkeiten in den Unterkünften für Asylbewerber. Die Aggressivität unter den Bewohnern sei überdurchschnittlich hoch.

EREIGNIS 3: Die Regionalzeitung berichtete, die Krankheitsfälle in den Unterkünften für Asylbewerber hätten in letzter Zeit erheblich zugenommen. Das Sozialamt müsse dafür mehr Gelder zur Verfügung stellen als vorgesehen. Es sei sogar Unterernährung bei Kindern festgestellt worden. Zugleich finde das Personal ständig verdorbene Nahrungsmittel in der Küche. Die Meldung kam, nachdem die Stadt ihren Beschluss umgesetzt hatte, dass AsylbewerberInnen kein Bargeld mehr erhalten, sondern ausschließlich Grundnahrungsmittel und Kleidung verteilt werden.

EREIGNIS 4: Der deutsche Grenzschutz hat das Recht, im Umkreis von 30 km unserer Landesgrenzen jede Person zu kontrollieren. Ich hole unsere Tochter (18 Jahre, schwarz) am Bahnhof einer deutschen Kleinstadt nahe der französischen Grenze ab. Dort steht ein Kleinbus der Grenzpolizei. Etwa 30 Personen verlassen den Bahnhof. Ich gehe auf unsere Tochter zu. Zwei Grenzpolizisten drängen sich zwischen uns: „Passkontrolle, kommen Sie mit.“ Sie geht mit zum Kleinbus, ich hinterher. „Wo kommen Sie her? Was machen Sie hier?“ Vor Aufregung versteht sie kein Deutsch. Ich will übersetzen. Der Beamte sagt, ich solle mich nicht einmischen. Mein Einwand, dies sei meine Tochter, wird beantwortet, indem sich die beiden Grenzbeamten zwischen meine Tochter und mich stellen und sie abschirmen. Der Computer bestätigt, dass der Pass in Ordnung ist. Ein Beamter sagt zu meiner Tochter „Sie können gehen“. Ich versuche nochmals die Beamten anzusprechen. „Keine Erklärung“ ist die Antwort. Die Beamten steigen ein und fahren weg.

EREIGNIS 5: Bundestagswahlen. Die Abiturklasse diskutiert heftig. „Deutschland braucht eine starke Hand; wir können nicht alle Ausländer bei uns aufnehmen, wir haben selbst schlechte Berufsaussichten; Muslime sollen keine Moscheen bauen dürfen, wir wollen keine Überfremdung.“ Sie wägen ab, welche Politiker dies am besten vertreten. Da bemerkt einer, dass unsere Söhne ja auch „Ausländer“ sind und sogar schwarz, und meint: „Ich bin gegen Ausländer, aber Ihr beide seid nicht gemeint, Ihr seid klasse Kumpel.“

EREIGNIS 6: Ich lebte vier Jahre in Westafrika als sog. kirchliche Entwicklungshelferin. Nach zwei Monaten war mir klar, dass ich meine Vorstellung von „Hilfe“ vergessen und mich ganz darauf einstellen musste, von den Leuten zu lernen – z.B. über ihr Zeitverständnis, das Palaver als demokratischer Prozess einer Gruppe um Beschlüsse zu fassen, die enge soziale Gemeinschaft im großen Familienverband oder Clan. Allmählich hörte ich heraus, was die Frauen und ich gemeinsam planen und durchführen könnten. Nach meiner Rück kehr wurde ich oft gefragt: „Haben die dort auch Deine Hilfe angenommen?“ Meine Antwort, dass die Leute dort erst mich „entwickelten“, ehe ich gemeinsam mit ihnen etwas tun konnte, wurde oft gar nicht verstanden. Von- und miteinander lernen hat sich bei uns auch in kirchlichen Kreisen noch nicht überall durchgesetzt.

Vorschläge für die Gruppenarbeit

Ziel: Erkennen, dass es zwei Ebenen für Fremdenfeindlichkeit und Rassismus gibt und diese auf beiden Ebenen zu überwinden sind:
(a) die persönliche Ebene: Ich stelle mich meinen persönlichen Ängsten vor Fremden und vor Veränderung des Gewohnten – auch der Pauschalurteile, die ich unbewusst übernommen habe;
(b) die gesellschafts-politische Ebene: Fremdenfeindlichkeit und Rassismus haben System. Die sog. öffentliche Meinung und das „gesunde Volksempfinden“ transportieren Ängste. Besonders die Angst um die eigene Identität. Damit wird auch Politik gemacht, gerade in wirtschaftlich stagnierenden Zeiten. Unsere Gesetze sind daraufhin anzusehen, ob sie dem Grundgesetz und den Menschenrechten entsprechen. Die Bibelarbeit bietet die Möglichkeit, beide Aspekte von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit herauszuarbeiten. Dabei kann bei der Gruppenarbeit durch die Auswahl der Bibeltexte und Ereignisse jeweils der eine oder andere Schwerpunkt gesetzt werden.

Zeit: 1,5 bis 2 Stunden

Material: Raumgestaltung so, dass Platz ist für Murmelgruppen; weitere Gruppenräume; Kopien der Bibeltexte und Fallbeispiele für alle (so kopieren oder schneiden, dass sie Gruppen zugeteilt werden können); Kärtchen in zwei Farben und Stifte; Papierbogen, Tafel, Pinnnadeln und/oder Klebestreifen; passende Gegenstände für die Schlussrunde (z.B. Schlüssel, Stein, Blume, dürrer Zweig, Murmel, Streichhölzer, Kerze, Boxhandschuh, Turnschuh)

Ablauf:
Einstieg: siehe Ziel der Gruppenarbeit; evtl. Teile aus anderen Beiträgen dieser Arbeitshilfe
In Murmelgruppen (5-8 min.) werden mit folgenden Fragen erste Aspekte als Stichworte auf zwei Kärtchen gesammelt: Wie beeinflussen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit das Leben in Deutschland? Wodurch verspüre ich Angst vor Fremden, bzw. welche Befürchtungen habe ich? (Kärtchen vorlesen lassen und an der Pinnwand sammeln)
Zusammenfassung etwa so: Angst vor Fremden wird, teilweise bewusst, aufgebaut durch Schlagworte wie „das Boot ist voll“; indem sie moralisch abqualifiziert werden (dreckig, laut, gewalttätig); indem pauschal verurteilt wird: „Muslime sind Terroristen, Asiaten sind falsch, Afrikaner sind faul“. Die gestellten Fragen provozierten bewusst: Sie decken meine persönlichen, aber auch unsere gemeinsamen Ängste, Vorurteile und Pauschalurteile auf. Es geht darum zu differenzieren!
Gruppenarbeit (max. 5-6 TN): einen Bibeltext und ein oder zwei Ereignisse für jede Gruppe; einen Farbstift für die ges.-pol. Ebene und einen für die persönliche Ebene Fragestellungen zuteilen, etwa: Muss es gleich „Liebe“ sein? Genügt nicht Toleranz? (Stichworte: Gottesliebe und Menschenwürde) Wo und warum ziehen wir Grenzen? Was heißt für uns „Anpassung“? (Stichworte: Gottesliebe und Grundgesetz) Welche inklusive (einbeziehende) Vision haben wir? Was müsste geschehen, damit sie umgesetzt wird? (Stichworte: Gottesliebe und Menschenrechte) Wir sind in das „System“ von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit verstrickt. Welche Anregung gibt uns der Bibeltext, mir und anderen diese Verstrickung bewusst zu machen? Welche Anregung gibt uns der Bibeltext, diese Verstrickung zu lösen? (Stichworte: Gottesliebe und Nächstenliebe)
Sammeln der Ergebnisse: Rückfragen zulassen; Gemeinsamkeiten und Unterschiede benennen ohne Bewertung. Hinweise: Bei uns allen kann eine positive Entwicklung einsetzen, wenn wir uns weiter mit diesem Thema beschäftigen. Wir können uns gegenseitig helfen, auf rassistische und fremdenfeindliche Tendenzen aufmerksam zu werden und uns ermutigen, dagegen aufzustehen. Gibt es eine Gelegenheit für die Gruppe, mit „Fremden“ bei uns Kontakte zu knüpfen?
Schlussrunde: Während der Gruppenarbeit wurden die mitgebrachten Gegenstände auf einen Tisch oder in die Mitte gelegt und mit einem Tuch zugedeckt. Jetzt wird das Tuch weggenommen und jede Frau sucht sich einen Gegenstand aus.
Evtl. ein Lied singen
Mit ihrem Gegenstand sagt jede Frau, was sie am meisten bewegt hat oder was sie neu dazugelernt hat. Bitte kurz fassen; maximal zwei Sätze! Gegenstände in die Mitte legen.
Falls die Zeit reicht: (Einige) Bibeltexte nochmals vorlesen lassen;
Segenswort, Lied

Anmerkungen:
(1) Dabei sind Frauen keineswegs ausgeschlossen. Obwohl die männliche Sprache verwendet wird, nennt Lev 19,1-2 ausdrücklich die versammelte Gemeinde der IsraelitInnen als Adressatin dieser Gesetzessammlung. Demnach sind Frauen ebenfalls angesprochen und für kompetent erachtet, Gottes- und Nächstenliebe zu leben.
(2) Gret Haller, Bern, Juristin, Parlamentspräsidentin der Schweiz. Sie lebte nach dem Krieg auf dem Balkan fünf Jahre in Sarajewo. Buch: „Die Grenzen der Solidarität“. Sie referierte bei der Vollversammlung des Ökumenischen Forums Christlicher Frauen in Europa (ÖFCFE) im August 2002. Die Ausschnitte wurden von mir ausgewählt.

Literatur: Kompendium Feministische Bibelauslegung, 2. Auflage, Gütersloh 1999, hg. von Luise Schottroff und Marie-Theres Wacker.
Claus Westermann, Tausend Jahre und ein Tag, Gütersloh 1965.
Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

Susanne Käser, Pfarrerin i.R., war 14 Jahre lang Landesbeauftragte der
Frauenarbeit in der Ev. Kirche der Pfalz. Von 1976 bis 1981 arbeitete sie mit einem
Vertrag des kirchlichen Entwicklungsdienstes Dienste in Übersee in der Frauenarbeit der Église Protestante Méthodiste in der Republik Elfenbeinküste (Westafrika).

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