Ausgabe 2 / 2003 Material von Mamozai, Martha

Schwarze Frau, weiße Herrin

Von Mamozai, Martha

 

Als unsre Kolonien vor Jahren
noch unentdeckt und schutzlos waren,
schuf dort dem Volk an jedem Tage
die Langeweile große Plage,
denn von Natur ist nichts wohl träger
als so ein faultierhafter Neger.
Dort hat die Faulheit, das steht fest,
gewütet fast wie eine Pest.
Seit aber in den Kolonien
das Volk wir zu Kultur erziehen
und ihm gesunde Arbeit geben
herrscht dort ein muntres, reges Leben.
Seht hier im Bild den Negerhaufen
froh kommen die herbeigelaufen,
weil heute mit dem Kapitän
sie kühn auf Löwenjagden gehn…

(Kindergedicht um 1910)

Ganz so krass werden sie heute nicht mehr besungen, aber wer von uns kennt nicht das Lied von den „Zehn kleinen Negerlein“, die so dumm waren oder so ungeschickt, dass sie alle zugrunde gingen? In die deutsche Sprache eingefressen hat sich schwarz als Synonym für schlecht und unheilvoll: schwarzer Mann, schwarzer Kater, schwarzer Peter, schwarzes Schaf, schwarze Seele, schwarzsehen, schwarz malen, jemand anschwärzen … „Ich bin schwarz und bin sehr klein und mag auch wohl recht lustig sein“, lässt Goethe seinen „Mohrenkönig“ in <Epiphanias> sagen. Klein und kindlich ist auch der „Sarotti-Mohr“, der in Turban und orientalischem Kostüm in ungebrochener Tradition von 1868 bis heute für Sarotti-Schokolade wirbt: „Hier ein Stückchen, da ein Stückchen, dir ein Stückchen, mir ein Stückchen, vielen Dank singt man im Chor, vielen Dank Sarotti-Mohr!“

Essbar ist der Deutschen „Neger“ übrigens auch nach wie vor per „Mohrenkopf“ oder „Negerkuss“. Ein anderer Kind-Neger wurde sehr berühmt und ist fast in jedem Haushalt anzutreffen, der „schwarze Mann“ aus der Geschichte <Fips der Affe> von Wilhelm Busch. „Es wohnte da ein schwarzer Mann, der Affen fing und briet sie dann.“ Vor kurzem gab es noch hier und da „brav nickende Mohrenknaben am Opferstock in der Kirche“. Alles Spottfiguren und triviale Abziehbilder aus der kolonialen Vergangenheit, die sich bis in die Gegenwart hinübergerettet haben.

Sensationellen Erfolg errang vor allem Heinrich Hoffmanns Kinderbuch vom „Struwwelpeter“, von dem Marie-Luise Könneker sagt, es habe „das Bewusstsein der Deutschen vermutlich nachhaltiger geprägt … als der <Faust> oder das <Kommunistische Manifest>. In diesem so sehr mit der Geschichte des Bürgertums und der Kindheitsgeschichte von Millionen Deutschen verknüpften Bilderbuch findet sich auch die wahrhaft subtile Geschichte von den „schwarzen Buben“. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würden die drei Buben, die den „kohlpechrabenschwarzen Mohr“ auslachen, von der Autoritätsfigur Niklas zur „Räson“ gebracht, als hätten sie etwas Gutes gelernt. Gelernt aber haben Ludwig, Kaspar und Wilhelm, genau wie die Millionen Kinder die diese Geschichte lasen: schwarz sein ist nicht schön, man darf daher nach dem Motto: „Was kann denn dieser Mohr dafür, dass er so weiß nicht ist wie ihr“ Mitleid mit dem „armen schwarzen Mohr“ haben und Schwarzsein ist Strafe, denn zur Strafe werden die bösen Buben von Niklas im Tint nfass geschwärzt.

aus: Martha Mamozai, Schwarze Frau, weiße Herrin. Frauenleben in den deutschen Kolonien © Rowohlt Taschenbuchverlag GmbH, Reinbek bei Hamburg 1989

Ausgabenarchiv
Sie suchen eine Ausgabe?
Hier entlang
Suche
Sie suchen einen Artikel?
hier entlang