Ausgabe 2 / 2005 Material von Birgit Menzel

Klosterfrauen

Von Birgit Menzel


Das Kloster war bis zum 12./13. Jahrhundert für Frauen fast der einzige Weg, der Geschlechterhierarchie zu entkommen. Der Zugang zu Bildung, der anderen verwehrt war, die relative Freiheit von männlicher Autorität und, falls Frauen Äbtissinnen wurden, der Erhalt weitreichender Vollmachten machten das Klosterleben attraktiv. Außerdem bot das Kloster ein Auskommen. …
Daher widersetzten sich Nonnen viel stärker der Aufhebung der Klöster als Mönche.
Für die von der Reformation betroffenen Klosterfrauen gab es vier Lebensmöglichkeiten: Die Ehe, die grundsätzlich erwartet wurde. Aber nicht jede Klosterfrau hatte es mit der Ehe gut getroffen. Vor allem nach dem Tod des Mannes war sie fast immer mittellos. Als Unverheiratete war die Zukunft ungewiss. Die meisten waren von ihren Verwandten abhängig. Vor allem ledige Frauen fristeten als Pfründnerinnen in säkularisierten Klöstern ihren Lebensunterhalt. „Das Privileg eines Lebens ohne materielle Sorgen erlangten die Frauen aber um den Preis völliger Entrechtung und Bevormundung in allen Belangen der Lebensführung.“
(A. Zimmerli-Witschi). Einige Frauen ersuchten um Wiederaufnahme in Klöstern katholischer Gebiete.

Die Klosterfrauen waren also von der Reformation besonders hart betroffen. Das Beispiel der Marie Dentière zeigt jedoch auch, welche Erwartungen und Forderungen Frauen an die neue Lehre hatten. Die ehemalige Äbtissin aus Genf war eine der ersten Frauen, die die Reformation auch literarisch verteidigten. In ihrer Schrift „Epistre“ legt sie ihre Ansichten über Glaubensdinge dar und äußert sich zur Stellung der Frau in der Kirche. Die Schrift, ein Antwortschreiben auf die Anfrage von Margarethe von  Navarra, wurde im April 1539 verfasst. Sie betont ihr gegenüber, „dass es Pflicht der Frau sei, den Mann auf unhaltbare Zustände aufmerksam zu machen“. Sie will damit „auch andern Frauen Mut (…) machen, sich mit den Fragen des Glaubens zu beschäftigen und sich darüber zu äußern. Da es den Frauen verweigert ist, in Kirchen zu predigen und an Versammlungen zu sprechen, sollen sie ihre Ansichten durch Schriften verbreiten“. Weiterhin beklagt sie die Unmündigkeit des weiblichen Geschlechts. Sie erhofft sich durch die Beschäftigung mit dem Evangelium eine Besserstellung der Frauen. Als Beispiel nennt sie besonders die Samariterin, die die Fähigkeit zeige, dass Frauen für Christus einstehen könnten. Sie fordert daher die Männer auf, die Frauen als gleichwertige Mitmenschen zu akzeptieren. Gleichzeitig erwartet sie von den Frauen, aktiv an den Glaubensdiskussionen teilzunehmen, um sich selbst ein Urteil bilden zu können.
Der Forderung Marie Dentières nach Gleichberechtigung der Frau im Sinne gleicher Rechte, die sie aus der evangelischen Botschaft ableitet, wird in Genf eine deutliche Absage erteilt. Ihre Schrift wird beschlagnahmt und daraufhin in Genf die Zensur eingeführt. Pierre Viret, der ihre Werke begutachtet, stellte zwar 1560 fest, dass Mann und Frau vor Christus gleichwertig seien, die natürliche Ordnung der Welt aber durch das Evangelium nicht aufgehoben sei. Daher könne eine Frau, auch wenn sie über größeres  theologisches Wissen als ein Mann verfüge, nicht öffentlich sprechen. So erschienen nach der Zensur der Schriften Dentières im 16. Jahrhundert in Genf keine von Frauen verfassten Schriften mehr. 

aus: Frauen und Menschenrechte.
Geschichtliche Entwicklung einer Differenz und Ansätze zu deren Beseitigung
© IKO – Verlag für Interkulturelle Kommunikation Frankfurt 2004

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