Ausgabe 1 / 2007 Material von Regine Buck

Von Galgenteichen und Pipenbömen

Von Regine Buck

Das alte Kiel lag auf einer Halbinsel zwischen einer Ostseebucht, der „Kieler Förde“ und dem „Kleinen Kiel“ – ein heute noch teilweise vorhandenes Gewässer in der Nähe des Rathauses. Außerhalb des Stadtgebietes gab es Teiche, von denen das Wasser mit natürlichem Gefälle in die Stadt floss.

1284, kurz nach der Kieler Stadtgründung, erwähnen Schriften eine innerstädtische Wasserleitung von der Holstenstraße – heute die Einkaufsmeile Kiels – zum Heili gengeistkloster am Alten Markt. Beim Bau einer Tiefgarage unter einem großen Innenstadt platz fand man einen historischen Brunnen. Der gehörte im 15. Jahrhundert zu einer Leitung, die vom wasserreichen „Kuhberg“ – stolze 18,8 Meter hoch – per Gefälle den Markt versorgte. Eine weitere Leitung gab es vom Grevens dieck oder Grafenteich, dem heutigen „Schreventeich“, zum Schloss. Außer dem Grafen bekamen lediglich das Franziskanerkloster und einige adelige Häuser in der Dänischen Straße in der Nähe des Marktes Zugriff auf  diese Leitung, die Bürger gingen leer aus. Allerdings gab es häufiger Streit zwischen dem Rat der Stadt und dem Schloss, da Bürger der Stadt  Wasser umleiteten und im Schloss dann Wassermangel herrschte. Wasser, das der Grevensdieck nicht aufnehmen konnte, floss in zwei so genannte Galgenteiche, die ihren Namen nach einem  Galgen hatten, der bis 1794 auf einer Anhöhe nördlich  des heutigen „Exerzierplatzes“ stand. Von dort gelangte das Wasser ohne besondere Reinigung in die Stadt.

Die Röhren, die Wasser leiteten, bestanden aus durch bohrten Baumstämmen. Sie wurden Pfeifenbäume,  plattdeutsch „Pipenböme“ genannt. Freudig nahm die Stadt 1821 ein Legat von 10.000 Reichstalern von Hof- und Land gerichtsadvokat Schmidt an – mit der Auflage, die  Holstenstraße mit einer weniger reparaturanfälligen guss eisernen Röhre zu versehen. 1862 konnte die Stadt den Schreventeich erwerben; Bedingung war, für Drainierung und Vertiefung und für eine gusseiserne Leitung ins Schloss zu sorgen.

Weil der Wasserbedarf ständig stieg und die Qualität sich verschlechterte, wurde das erste Wasserwerk mit einer Brunnentiefe von 8 Metern gebaut. 1889 folgte ein weiteres, das heute noch besteht. Auf der Suche nach besserem Grundwasser stieß man 1929 zwischen 100 und 150 Metern Tiefe auf eine hervorragende Wasser führende Schicht, die schon aus der Eiszeit stammt. Mächtige  Deckschichten von Ton und Mergel haben bisher verhindert, dass Nitrat, Schwermetalle und Pflanzenschutzmittel  eindringen konnten. Mehrere Wasserwerke nutzen heute dieses Grundwasser mit Hilfe von 200 Meter tiefen  Brunnen und versorgen das gesamte Kieler Westufer mit – auch heute noch – ausgezeichnetem Trinkwasser.

Wie es weitergeht mit der Qualität des Kieler Trinkwassers ist ungewiss, da die Stadt Kiel 51% ihrer Stadtwerke an einen amerikanischen Konzern verkauft hat. Das „Lebens-Mittel Wasser“ ist jetzt privatisiert, sprich in Händen 
von Aktionären, deren Interesse nicht die Gesundheit der Bevölkerung, sondern das Wohl ihrer Rendite ist.

Regine Buck
© bei der Autorin

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