Ausgabe 1 / 2011 Andacht von Christine Werner

Mehr wert als alles Gold

Andacht zu Sirach 30,15

Von Christine Werner

„Gesundheit und gute körperliche Verfassung sind mehr wert als alles Gold, und ein klarer Geist ist mehr wert als unermesslicher Reichtum. Kein Reichtum ist mehr wert als ein gesunder Leib.“

Es stimmt, Gesundheit ist nicht mit Gold zu bezahlen. Viele Menschen geben viel Geld für ihr Wohlbefinden aus. Fit bleiben ist wichtig. Für die Vorbeugung gegen Krankheiten wird alles getan: Fitness-Programme, Sport, gesunde Ernährung, Bildung. Viel Geld wird auch ausgegeben für Behandlungen bei Krankheit. Und so manche würden alles hergeben, nur um ihre Gesundheit wieder herzustellen, wenn das mit Geld zu erreichen wäre.

Umgekehrt stimmt auch: Solange es uns gut geht, sehen wir die Gesundheit oft als etwas Selbstverständliches an. Ihren Wert begreifen wir meist erst, wenn Krankheit oder Beeinträchtigungen eintreten. Erst dann würdigen wir, wie wunderbar es ist, wenn alles reibungslos funktioniert und wir schmerzfrei leben können. Vielleicht wird Gesundheit wirklich erst dann als Qualität wahrgenommen, wenn in irgendeiner Form ihr Verlust oder eine Einschränkung spürbar wird. Es ist sicher kein Zufall, dass mit dem Beginn von körperlichen Beschwerden der Wunsch „… und Hauptsache Gesundheit“ bei Gratulationen immer häufiger geäußert wird.

Der Bibeltext fordert uns auf, sensibel zu werden für das Wunder eines gesunden Körpers und Geistes. Wir dürfen immer wieder froh und dankbar sein, wenn es uns vergönnt ist, beschwerdefrei zu leben. Vielleicht entwickeln wir ein kleines Ritual, mit dem wir unsere Freude täglich zum Ausdruck bringen: ein fröhliches Lied, ein Gebet, eine Sportübung, ein dankbarer Gedanke.

Wir machen natürlich auch die Erfahrung, dass es plötzlich nicht mehr so geht wie sonst immer. Da sind die quälenden Zahnschmerzen oder der gebrochene Arm, der alle Pläne durcheinander bringt und eine ungewohnte Abhängigkeit schafft. Vielleicht bewirken eine chronische Krankheit oder Altersbeschwerden unerwünschte Einschränkungen und zugleich eine stärkere Fürsorge für den Körper. Es ist ein schwerer Weg, dieses veränderte Leben zu akzeptieren.

Bin ich in der Lage, die Krankheit oder den schmerzenden Körperteil als einen Aspekt von mir selbst zu würdigen? Kann ich sagen: Ich bin krank? Und kann ich der kranken Stelle oder dem Körperteil meine guten Gefühle und Gedanken zukommen lassen? Oder will ich die Einschränkung nur möglichst schnell loswerden?

Zeit zum Nachdenken und kurzen Austausch in Murmelgruppen geben

Ein Heilspruch für Kinder heißt: „Heile, heile Segen, morgen gibt es Regen, übermorgen Schnee, dann tut auch nichts mehr weh.“ Die Mutter nimmt dabei ihr Kind auf den Schoß und streichelt die schmerzende Stelle. Sie schaukelt das Kind, hält es in ihren Armen und zeigt ihm ihre Nähe, ihr Verständnis und ihr Mitgefühl. Das Kind erfährt: Der Heilungsprozess braucht seine Zeit. Es können Phasen von Regen und Schnee vergehen, bevor alles wieder gut ist. Aber das Wichtigste hat es gespürt. Es geht nicht nur darum, dass der Schmerz vergeht, sondern um die Geborgenheit, das gute Aufgehoben-Sein mit dem eigenen Leid und Schmerz bei der Mutter. Das geht über Gesundheit hinaus, das ist Heil-Sein.

Vielleicht reden viele Menschen deshalb so viel über ihre Krankheit, weil sie sich wünschen, dass andere an ihrem Leid teilnehmen, dass sie Zeuginnen und Zeugen ihrer Schmerzen und ihres Unheils werden? Sie brauchen nicht gute Ratschläge oder hektische Betriebsamkeit. Sie brauchen das, was das Kind von seiner Mutter bekam: Anteilnahme und Trost. Wir können anderen etwas vom Heil-Sein vermitteln, wenn wir Zeit haben, körperliche Nähe zulassen, Verständnis zeigen, zuhören und Mut machen. In südlichen Ländern sind Kranke viel stärker eingebettet in die Familie. Dort begleiten oft viele Mitglieder der Familie den Kranken ins Krankenhaus und sitzen dort am Bett und betreuen die Bedürftige. Sie leben eine Tradition, die etwas davon weiß, dass die Geborgenheit im Schoß der Familie Heil-Sein ermöglicht auch angesichts einer Krankheit.

In einem Müttergenesungs-Kurhaus begegnen einem sehr viele Frauen, die erschöpft und krank die Kur antreten. Die äußeren und inneren Anforderungen haben sie ausgelaugt, die Kräfte erschöpft. Bei manchen haben sich Krankheiten und depressive Verstimmungen entwickelt. Viele der Frauen erzählen von Problemen mit nahestehenden Menschen, dem Partner, den Eltern, den Kindern, den Kolleginnen und Kollegen. Schon das Erzählen-Dürfen und die Erfahrung, dass jemand achtungsvoll zuhört, bringt Entspannung und das Gefühl, akzeptiert zu sein. Dann werden neue Ideen entwickelt, Lösungen gesucht. Natürlich müssen gelegentlich auch eigene Haltungen überprüft und verändert werden. Manche Frauen lernen verstehen, dass Schmerzen oder eine Krankheit als ein Hinweis verstanden werden wollen, im Leben etwas zu verändern. Wurde dieses Körpersignal begriffen, verbessert sich der Gesundheitszustand. So eine Kur bedeutet für viele Menschen eine neue Chance. Freie Zeit, wohltuende physiotherapeutische Behandlungen, Sport, Entspannungsübungen und neue Lebensperspektiven, das sind die Zutaten für ein ganzheitliches Heilwerden.

Stellen wir uns eine Linie vor, an deren Anfang die absolute Gesundheit steht
und an deren Ende die schwere Krankheit: Wo ordne ich mich ein? Ist das Freisein von Krankheit bereits Gesundheit? Und gibt es Krankheit ohne gesunde Seiten? Was beeinflusst mich stärker, der gesunde, der kranke Körper oder die gesunde, die kranke Seele?

Zeit zum Nachdenken und kurzen Austausch in -Murmelgruppen geben

Viele kranke und belastete Menschen sind zu Jesus gekommen, um sich heilen zu lassen. Und sie haben bei ihm nicht nur Gesundheit, sondern Heilung gefunden. Da heilt Jesus zehn Männer – ein einziger kommt zurück und bedankt sich. Er hat die Bedeutung dieses Ereignisses für sein Leben erkannt. Er hat Gottes Handeln an sich erfahren.(1) Einem anderen, der heil wurde, sagt Jesus: „Dir sind Deine Sünden vergeben.“ Damit ist nicht nur sein Körper gesund, sondern Belastendes gelöscht, die Beziehung zu Gott und den Menschen wieder in Ordnung gekommen.(2) Und zu dem Betrüger Zachäus sagt Jesus: „Heute ist Deinem Haus Heil wiederfahren.“ Dieser Mann konnte und wollte nicht mehr so weitermachen, wie bisher. Er hat sein Leben total verändert.(3)
Heil-Sein ist ein Geschenk. Und zugleich ist es eine Aufgabe. Ich kann viel dafür tun, Friedloses zu verändern und Un-Heiles heilen zu lassen. Ich kann lernen, unabhängig davon, ob ich gesund oder krank bin, zufrieden zu sein und mit mir und der Welt in Frieden zu leben.

Was brauche ich, um mich heil zu fühlen? Was brauche ich, um zufriedener mit mir selbst zu sein? Ist meine Krankheit ein Zeichen dafür, dass sich etwas in meinem Leben ändern möchte?

Was brauche ich, um meine Krankheit besser akzeptieren zu können? Brauche ich mehr Zeit für mich selbst? Brauche ich eine sinnvolle Aufgabe? Gibt es etwas, was ich mit einem anderen Menschen klären möchte? Sollte ich mich von etwas oder von jemandem trennen? Brauche ich mehr menschliche Nähe?

Zeit zum Nachdenken und kurzen Austausch in -Murmelgruppen geben

Methoden zur Auswahl

Hinweis für die Leiterin: Sie können nach der Begrüßung den vorstehenden Andachtstext einfach vorlesen und mit einem kurzen Segen und/oder Lied schließen. Zusätzlich können Sie einen oder mehrere der folgenden methodischen Vorschläge verwenden. Alle evtl. benötigten Texte sind als Kopiervorlage unter www.ahzw-online.de / Service zum Herunterladen vorbereitet.

Start ins Thema: 2 oder 3 Frauen tragen einen der folgenden kurzen Sätze vor. Vor, zwischen und nach den Sätzen ertönt jeweils ein Gong-Schlag: „Hauptsache gesund!“ „Gesundheit ist das Wichtigste.“ „Gesundheit ist das höchste Gut.“ „Für Gesundheit würde ich alles hergeben.“ „Ich wünsche Dir alles, alles Gute – und Hauptsache Gesundheit!“

– Eine Teilnehmerin oder die Leiterin legt kleine Edelsteine als Ring in die Kreismitte und nennt dabei jeweils einen Aspekt von Gesundheit. „Gesundheit ist kostbar (wie ein Edelstein), weil …“. Dabei wird das Thema des Bibeltextes aufgegriffen; z.B.: Gesundheit ist kostbar, weil ich mich wohl fühle. Gesundheit ist kostbar, weil ich nicht von anderen abhängig bin.
Alternativ dazu können natürlich auch die anwesenden Frauen aufgefordert werden, Steine in die Mitte zu legen und eine Erfahrung zu äußern.
Die Leiterin fasst kurz das Ergebnis der genannten Rückmeldungen zusammen und schlägt vor, dass Gesundheit täglich gewürdigt bzw. dafür gedankt werden könnte. Evtl. kann hier gesungen werden: aus „Nun danket alle Gott“ die 1. Strophe (EG 321)

– Gespräch in 2-er-Gruppen:
„Welche Bedeutung hat für Sie Krankheit?“ „Hat Krankheit für Sie auch positive Aspekte?“
Die Kernaussagen werden auf zwei Blätter geschrieben; anschließend legen alle Teilnehmerinnen ihre Blätter in die Mitte, um die Edelsteine herum.

– Gesundheit – Krankheit – Linie: -Ein größeres Plakat, auf dem die Gesundheit – Krankheit – Linie (vgl. Text S. 22) dargestellt ist, wird der Gruppe gezeigt. Die Leiterin kommt mit den Teilnehmerinnen ins Gespräch darüber, was Gesundheit und Krankheit bedeuten, wenn körperliches und psychisches Wohlbefinden als Gesamtheit betrachtet werden.

Fragen zum Nachdenken: Die Frauen bekommen Zettel, auf denen die im Text genannten Fragen stehen. Jede Frau kann für sich Notizen auf den Zetteln machen. Diese können auch nur nach Hause mitgegeben werden; zur Auswertung in der Gruppe sind sie nicht gedacht.

– Die Leiterin legt als Symbol des Heilseins einen großen Edelstein in die Mitte des Edelsteinkreises. Jede Frau, die möchte, kann den Stein in die Hand nehmen und sagen, was für sie Heil-Sein bedeutet; anschließend legt sie den Stein wieder in die Mitte.

– Zum Abschluss kann als Segen gesungen und evtl. auch getanzt werden: „Dass Erde und Himmel Dir blühen, dass Freude sei größer als Mühen, dass Zeit auch für Wunder dir bleib‘ und Friede für Seele und Leib“ (Lied und Bewegungsvorschlag: siehe S. 24/25).

Christine Werner hat als Dipl.-Religionspädagogin in Kirchgemeinden gearbeitet. Danach war sie Reisereferentin der kirchlichen Frauenarbeit in Sachsen und tätig als Mitarbeiterin im Mutter-Kind-Kurhaus Gohrisch. Heute arbeitet sie als Schwangerenberaterin. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.

Anmerkungen
1 Lukas 17,16-19
2 Lukas 5,20 ff.
3 Lukas 19,9

Zum Weiterlesen
Liliane Juchli: Heilen durch Wiederentdecken der Ganzheit Stuttgart (Kreuz-Verlag) 1985
Margaret Minker: Mit Leib und Seele gesund -werden. Psychosomatik für Frauen, München (DTV) 1997
Christiane Northrup: Frauenkörper – Frauenweisheit. Wie Frauen ihre ursprüngliche Fähigkeit zur Selbstheilung wiederentdecken können, Arkana -Verlag 2010
Anselm Grün: Buch der Lebenskunst, Freiburg (Herder) 2010

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