Alle Ausgaben / 2013 Material von Kristina Dronsch

Allein auf Christus bauen

Von Kristina Dronsch


Die Reformationszeit ist eine Zeit des Aufbruchs und großer Veränderungen gewesen. Eine Zeit, in der nicht nur die Stimmen der Männer – wie Luther, Zwingli oder Calvin – hörbar wurden. Gerade die Anfangszeit der Reformation war eine Zeit, in der sich besonders auch die Stimmen der Frauen Gehör verschafften. Was hat Frauen der Reformationszeit dazu bewogen, sich öffentlich einzumischen, ihre Worte kund zu tun? Die Präsenz des Reformators Martin Luther war es nicht. Die berühmte Flugschriftenautorin Argula von Grumbach (1492-1554) konnte sogar sagen: „Auch wenn es dazu kommen sollte, wovor Gott sei, dass Luther widerruft, so soll es mir nichts zu schaffen machen. Ich baue nicht auf sein, mein oder sonst eines Menschen Verstand, sondern allein auf den wahren Felsen Christus selber.“

Mit diesen Worten gibt Argula eine Regieanweisung, wie wir die Jahreslosung 2014, aber auch das Reformationsjubiläum im Jahre 2017 verstehen sollen. Wir haben nicht Luther zu feiern – Luther, das religiöse Genie, Luther, den Vorkämpfer für moderne Geistesfreiheit, Luther, den Kirchenvater. Martin Luther ist allenfalls der Anknüpfungspunkt für die Sache, um die es bei der Reformation gegangen ist und noch heute geht – und die auch im Text der Jahreslosung auf der Zunge liegt. Es geht dabei im Kern um meine Gottesbeziehung. Die Reformation räumt alle Zwischeninstanzen zwischen Gott und Mensch ab. Ich kann mir Gott nicht durch Leistungen gnädig stimmen, kann andere nicht damit beauftragen, die Sache mit Gott für mich zu regeln. Nein, in meiner Gottesbeziehung bin ich unvertretbar. Und indem alle diese vermittelnden Instanzen entfallen, wird der Blick frei auf den Einen, der das Verhältnis der Menschen zu Gott wiederhergestellt hat: Jesus von Nazareth, der Christus Gottes.

Gott nahe zu sein ist mein Glück, das trifft ins Herz reformatorischer Theologie. Die erste Liederdichterin der Reformationszeit, Elisabeth Cruciger (um 1500?–?1535), erzählt in ihrem tiefgründigen Lied „Herr Christ, der einig Gotts Sohn“ von diesem Glück. Übrigens ist das Lied bis heute im Evangelischen Gesangbuch unter der Nummer 67 zu finden. Die 2. Strophe lautet:

„für uns ein Mensch geboren im letzten Teil der Zeit,
daß wir nicht wärn verloren vor Gott in Ewigkeit,
den Tod für uns zerbrochen, den Himmel aufgeschlossen,
das Leben wiederbracht“

Auch in dem Lied von Elisabeth Cruciger geht es um den freien Blick auf den Einen, in ihren Zeilen hält Gott bescheiden die Himmelsbürgschaft für uns in der Hand und vereint unser verlierbares Leben mit Gottes unverlierbarer Zusage, dass er Wort und zu uns hält. In Strophe drei von Elisabeth Crucigers Lied heißt es dann: „daß wir hier mögen schmecken dein Süßigkeit im Herzen und dürsten stets nach dir“. Mit allen Sinnen ist dieses Gottesverhältnis in den Zeilen von Elisabeth Cruciger erfahrbar. Es zergeht sozusagen auf der Zunge. Glück ist dann Sinn und Geschmack für die Gewissheit, dass wir „hier“ – mitten in unserem Leben, wie es in dem Lied heißt – ein wenig mehr als an anderen Stätten Zuhause sind. Und gleichzeitig im Herzen eine Ungeduld fühlen, ein Dürsten im Hals, dass einer manchmal die Spucke wegbleibt.


© bei der Autorin


Gott nahe zu sein ist mein Glück – davon wussten die Frauen der Reformationszeit einiges zu erzählen. Neben Argula von Grumbach und Elisabeth Cruciger können
auf der Website 500 Jahre Reformation: Von Frauen gestaltet noch viele weitere Frauen und ihre Gottesbeziehungen entdeckt werden.

Unter www.frauen-und-reformation.de – Die weibliche Seite der Reformation entdecken – Reformation heute interaktiv mitgestalten n Priestertum aller Getauften lebendig werden lassen – Frauenerfahrung aus fünf Jahrhunderten auf die eigene Glaubensreise mitnehmen

500 Jahre Reformation: Von Frauen gestaltet ist ein Gemeinschaftsprojekt der Evangelischen Frauen in Deutschland e.V. (EFiD), des Konventes Evangelischer Theologinnen in der Bundesrepublik Deutschland e.V. und des Studienzentrums für Genderfragen in Kirche und Theologie der Evangelischen Kirche in Deutschland. Das Projekt wird unterstützt von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

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