Ausgabe 1 / 2004 Bibelarbeit von Petra Edith Pietz

Alles, was offenbar wird, ist Licht

Von Petra Edith Pietz

Lebt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist, und habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis; deckt sie vielmehr auf. Denn was von ihnen heimlich getan wird, davon auch nur zu reden ist schändlich. Das alles aber wird offenbar, wenn´s vom Licht aufgedeckt wird; denn alles, was offenbar wird, das ist Licht.

In meiner Landeskirche, der Evangelischen Kirche der schlesischen Oberlausitz, sind die Themen „gleichgeschlechtliche Lebensform“ und Lebenspartnerschaftsgesetz“ und „Segnung gleichgeschlechtlicher Paare“ keine Themen, an denen ernsthaft theologisch gearbeitet wird.
Aber es sind Themen, bei denen sich sehr viele sehr schnell einig sind: Sodom und Gomorra, Sünde, widernatürlich, abscheulich. Das „mildeste“ Urteil heißt: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Und doch ist das Thema unterschwellig präsent – nicht etwa, weil ein/e kirchliche/r Mitarbeiter/in sich geoutet hätte, sondern weil die öffentliche Diskussion in Kirche und Gesellschaft und im Medienbereich auch uns hier „am Rand“ erreicht hat.

Als Frauen- und Familienarbeit haben wir im Sommer 2003 einen Vorstoß in Richtung „offene Diskussion“ unternommen und einen Frauenkino-Tag zum Thema angeboten. Im Anschluss daran gab es einen Bericht in unserer  Kirchenzeitung, von dem ich hoffte, dass er einige Reaktionen hervorrufen würde. Das geschah leider nicht. Es scheint, als ob das Thema lieber „im Verborgenen“ oder hinter vorgehaltener Hand besprochen würde. Es „ans Licht“ zu holen, halte ich für fruchtbarer.

Ich selbst beschäftige mich mit diesem Thema schon längere Zeit und habe durch die lesbische Lebensform zweier mir nah verwandter Menschen und die Freundschaft zu lesbischen Frauen einen eigenen Blick entwickelt. Schwer fällt es mir, aggressiv vorgebrachte Verurteilungen oder nachlässig vorgetragenes Desinteresse oder engagiertes „Gesundbeten“ als Positionen stehen zu lassen. Mein Widerspruch und Widerstand sind dann sicher.
Dass die Abwehrhaltungen auch aus Angst, Unwissenheit und einer biblizistischen Auslegung der (wenigen!) einschlägigen Stellen entstehen und die Jahrtausende lange Diskriminierung lesbischer und schwuler Menschen dem nach wie vor Vorschub leistet, ist deutlich und macht einen offenen Diskurs nicht leichter  aber doch lohnend. Meine Bibelarbeit soll ein Versuch dazu sein.

Was Jesus dazu sagt

Jesus sagt zu gleichgeschlechtlichen Lebensformen nichts. Er äußert sich zum Thema Ehe bzw. Ehescheidung, aber zu allen anderen Lebensformen sagt er wertend nichts. Kritisch äußert er sich zu leiblichen Familienbanden: „Und er sah ringsum auf die, die um ihn im Kreis saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und das sind meine Brüder! Denn, wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.“ (Mk 3,34.35)
Er selbst wählte die Lebensform eines wahrscheinlich unverheirateten Wanderpredigers mit gemischter Gefolgschaft: Frauen und Männer, die verheiratet und unverheiratet waren, gehörten dazu. Die Annahme, dass es eine besondere Beziehung zwischen Jesus und Maria von Magdala gegeben habe, die auch eine sexuelle Gemeinschaft einschloss, ist spekulativ, hat aber SchriftstellerInnen, FilmemacherInnen und KomponistInnen immer wieder inspiriert. Dass die Kirchen die Vorstellung, Jesus könnte seine Sexualität mit einer Frau gelebt haben, als verwerflich bzw. als für den Glauben irrelevant bezeichnen, sagt mehr über die Bewertung von Sexualität durch die Kirchen aus als über Jesus. Für ihn selbst spielte die Beziehung zu Gott und die Liebe zum/zur Nächsten die größte Rolle (Mk 12,28-34 par. und Mt 25,31-46). In unseren menschlichen Beziehungen scheint auch immer unsere Gottesbeziehung auf. Ich kann Gott nicht ehren, wenn ich den Bruder, die Schwester verachte oder sie der Verächtlichmachung und Verunglimpfung durch mein Schweigen bzw. Mittun preisgebe.

Was Paulus dazu sagt

Paulus schreibt die Briefe, die Aussagen zur Homosexualität enthalten, an Gemeinden mit hellenistischem  sprich heidnischem  Umfeld: 1. Korintherbrief und Römerbrief. In beiden Briefstellen handelt es sich um sogenannte „Lasterkataloge“, die Missstände in der Umwelt aufzählen. Diese sollen keinen Einlass in die Gemeinde finden. Bei der Aufzählung in 1 Kor 6,9ff werden die Laster unter dem Thema: „Ungerechte erben nicht das Reich Gottes“ (V9a) verhandelt. „Lustknaben“ und „Knabenschänder“ gehören mit dazu (neben Götzendienern, Ehebrechern, Dieben, Geizigen, Trunkenbolden, Lästerern und Räubern). Die einen sind die, die auf dem Sklavenmarkt zum Zweck der sexuellen Befriedigung gekauft werden, meist Jugendliche. Die anderen sind die, die sie kaufen und missbrauchen. Was Paulus beschreibt, beruht auf Ausbeutung und Gewaltanwendung und dient somit der Ungerechtigkeit. Gott aber liebt die „Gerechten aus Glauben“. In keinem Fall kann davon ausgegangen werden, dass Paulus sich eine gleichberechtigte Partnerschaft vorstellte bzw. vorstellen konnte.

Auch in Röm 1,26-32 wird die „Verkehrung“ von Schöpfer und Geschöpf  beschrieben. Daraus folgen die von Paulus aufgezählten „schändlichen  Leidenschaften“: „… ihre Frauen haben den natürlichen Verkehr vertauscht mit dem widernatürlichen; desgleichen haben auch die Männer den natürlichen Verkehr mit fer Frau verlassen und sind in Begierde zueinander entbrannt und haben Mann mit Mann Schande getrieben und den Lohn ihrer Verirrung, wie es ja sein mußte, an sich selbst empfangen.“ (VV26-27) Was Paulus mit „natürlichem Verkehr“ meint, lässt sich nur ableiten. Die sexuelle Gemeinschaft von Mann und Frau hat der  Fortpflanzung zu dienen und ist ein Schutz vor „Unzucht“. Wir heute können diese Beschreibung von Partnerschaft und Ehe für nicht ausreichend ansehen. Paulus entwickelt in den Kapiteln 6 und 7 des 1. Korintherbriefes eine Sexualmoral, die wir teilweise noch nachvollziehen können, die aber in ebenso großem Maße seiner persönlichen Meinung und Lebenssituation als unverheiratetem Mann und der Auseinandersetzung mit einer heidnischen Umwelt geschuldet ist. Dass für Paulus eine Partnerschaft zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Menschen nicht vorstellbar war, können wir ihm nicht vorwerfen. Und deshalb treffen seine Verwerfungen eine in Verantwortung gelebte homosexuelle PartnerInnenschaft nicht. Denn diese beruht auf Treue, Verlässlichkeit, gegenseitiger Wertschätzung. Und ist damit genauso sicher bzw. gefährdet wie eine Ehe.

Fazit: „Es kommt darauf an, wie man mit der Gabe Gottes (Sexualität) umgeht  ob egoistisch für sich selbst oder in der Beziehung füreinander, in echter Partnerschaft, wo keiner über den anderen verfügt, sondern einer des anderen Diener und Knecht ist und in Demut einer den anderen höher schätzt als sich selbst (Phil 2,3). Das aber gilt für jede Form menschlicher Gemeinschaft und Zweisamkeit, gilt für die  Sexualität des Menschen schlechthin, in welcher Form auch immer sie gelebt wird!“

Annäherung an das Thema und den Bibeltext

Die Kirchen haben sich zum Thema Homosexualität unterschiedlich geäußert. In meiner Landeskirche war die Möglichkeit der Segnung gleichgeschlechtlicher Paare in der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburgs ein (vorgeschobenes) Argument, um eine Kirchenneugründung zu verhindern.
In unseren Gemeinden ist dazu nicht gearbeitet worden und damit stehen wir sicher nicht allein in der EKD.
Vorbehalte und Vorurteile sind groß. Wie komme ich trotzdem an das Thema heran?
Am einfachsten wäre es, wenn es mehr Frauen gäbe, die ihre lesbische Lebensform als Christinnen offen leben, und die in den Frauenkreis eingeladen werden könnten. Vielleicht gehören sie ja auch längst schon zu ihm und müssten es nur noch laut sagen.
In unseren Gemeinden  unsere Kirche ist sehr klein  hat sich meines Wissens noch kein Paar geoutet. 2 Ich weiß aber, dass es lesbische Frauen in unseren Gemeinden gibt, die sich hüten, offen von ihrer Liebe zueinander zu reden und sich offen zu zeigen.
Was also könnte das Klima in unseren Gemeinden so verändern, dass lesbische Frauen und schwule Männer den Mut fassen, offen von ihrer sexuellen Ausrichtung und ihrer Beziehung zu reden? Wenn das in vielen Gemeinden schon geschieht, ist das ein gutes Zeichen. Aber ganz gewiss gibt es viele Gemeinden, in denen nicht einmal das Thema angegangen werden kann, geschweige denn Menschen sich dort outen könnten, ohne sich massivem Druck auszusetzen.

Vorschlag für die Arbeit in der Gruppe

Der Abschnitt aus dem Epheserbrief kann helfen, die eigenen Befürchtungen und Ängste ans Licht zu holen und aufzudecken.

1. Schritt
Welche Fragen, Ängste, Befürchtungen stellen sich ein, wenn ich mit dem Thema „lesbische Lebensform“ konfrontiert werde?
Die Leiterin sammelt die Beiträge auf einem Blatt, z.B.: häufiger  Partnerinnenwechsel; die Ehe wird in Frage gestellt; unnatürlich, weil sie keine Kinder zeugen können u.s.w.
2. Schritt
Wie stelle ich mir den Alltag eines lesbischen Paares vor?
Die Leiterin sammelt die Beiträge auf einem anderen Blatt, z.B.: zusammen wohnen und die Hausarbeit teilen, gemeinsame Interessen pflegen, Urlaub machen,  zusammen einkaufen, spazieren gehen und in den Gottesdienst gehen, füreinander sorgen bei Krankheit u.s.w.
3. Schritt
Was kennzeichnet eine gute Partnerschaft?
Die Leiterin sammelt die Beiträge auf einem dritten Blatt, z.B.: Treue, Verlässlichkeit, Geduld, Gleichberechtigung, Fürsorge, Begleitung, Anteilnahme, Zuneigung,  Wahrhaftigkeit u.s.w.; falls es von den Teilnehmerinnen nicht genannt wird, sollte die Leiterin ergänzen: Zu einer gelebten Partnerschaft gehört, dass sie sichtbar und anerkannt ist.
4. Schritt
Die Leiterin liest folgenden Text:
„Ich habe es so satt, mich verstecken zu müssen. Da singe ich im Kirchenchor mit und trage die Kirchgeldbescheide aus. Da backe ich Kuchen für´s Gemeindefest und versehe den Lektorendienst einmal im Monat. Und wenn meine Lebensgefährtin zu Besuch ist, dann hab ich nur damit zu tun, dass ja niemand etwas von unserer Beziehung merkt. Für alle ist sie eben meine gute Freundin. Zwar sitzen wir im Gottesdienst nebeneinander aber da ist keine Berührung, kein Blick, kein Wort, keine Geste, die uns verraten könnte. Nichts, was merken ließe: die beiden gehören zusammen.
Manchmal packt mich die Wut über die Borniertheit und Selbstgerechtigkeit einzelner Gemeindeglieder; dann aber bin ich auch wütend über meine eigene Angst. Und so lebe ich meine Liebe im Verborgenen und lache über Bemerkungen wie: Na, Frau X, für Sie wartet sicher auch noch ein netter Mann da draußen! Dabei ist mir zum Heulen zumute; denn meine große Liebe habe ich schon gefunden vor zehn Jahren.“
Dann werden kleine Gesprächsgruppen gebildet (drei bis vier Frauen); jede Frau bekommt den Text in die Hand.
Impulsfragen der Leiterin: Was löst der Text in mir aus? Verändert, korrigiert,  ergänzt er die Beiträge auf den drei großen Blättern?
Die Gruppenergebnisse werden zusammengetragen; Ergänzungen, Korrekturen in die großen Blätter eingearbeitet.
5. Schritt
Der Bibeltext Eph 5,8b-14a wird gelesen; jede Frau sollte ihn vor sich haben. Gegenüberstellung der „Früchte des Lichtes“ und der „unfruchtbaren Werke der Finsternis“ (evtl. auf ein großes Plakat schreiben und aufhängen oder in die Mitte legen):

Fazit: Leben gelingt, kann gedeihen, wachsen, Früchte bringen, wenn Güte,  Gerechtigkeit, Wahrheit erstrebt und gelebt werden – in aller Unzulänglichkeit, die uns eigen ist. Leben wird beeinträchtigt, behindert, beschädigt, wo Bosheit, Ungerechtigkeit und Lüge herrschen. Da sie gesellschaftlich geächtet sind, werden sie im Verborgenen, hinter vorgehaltener Hand praktiziert – und entfalten dann  besonders ihre Wirkkraft.

Die Leiterin kann, was unter dem 3. Schritt gesammelt wurde, zu den „Früchten des Lichtes“ setzen. Entsprechend können im Umkehrschluss die „unfruchtbaren Werke“ ergänzt werden.
6. Schritt
Die Leiterin bittet die Frauen zusammenzutragen, was die Gruppe Frau X raten würde.
Damit Frau X die guten Ratschläge annehmen kann, müsste sich bei mir/uns etwas verändern, z.B.: Ich widerspreche, wenn verächtlich über lesbische Frauen gesprochen wird. Ich gebe zu erkennen, dass christliche lesbische Frauen meine Schwestern im Glauben sind und dass ich mich freue, dass wir in der Gemeinde  zueinander gehören. Ich will mit meiner Offenheit den unfruchtbaren Werken der Finsternis wehren und will gern ein „leuchtendes“ Beispiel für Gottes Liebe in der Welt sein…

Die Leiterin kann mit einem Text von Marianne Williamson3 schließen:

Unsere tiefste Angst ist nicht, dass wir unzulänglich sind.
Unsere tiefste Angst ist, dass wir unermesslich machtvoll sind.
Es ist unser Licht, das wir fürchten,
nicht unsere Dunkelheit.
Wir fragen uns:
Wer bin ich eigentlich, dass ich leuchtend, hinreißend,
begnadet und phantastisch sein darf?
Wer bist du denn, es nicht zu sein?
Du bist ein Kind Gottes.
Wenn du dich klein machst, dient das der Welt nicht.
Es hat nichts mit Erleuchtung zu tun,
wenn du schrumpfst,
damit andere um dich herum
sich nicht verunsichert fühlen.
Wir wurden geboren, um die Leuchtkraft Gottes
zu verwirklichen, die in uns ist.
Sie ist nicht in einigen von uns; sie ist in jedem Menschen.
Wenn wir unser eigenes Licht erstrahlen lassen,
geben wir unwillkürlich
den anderen Menschen die Erlaubnis,
dasselbe zu tun.
Wenn wir uns von der Furcht
vor unserem Licht befreit haben,
wird unsere Gegenwart andere befreien.

Als Lieder sind zu empfehlen: Erneure mich, o ewigs Licht (EG 390); Ich möchte Glauben haben (EG 622); Hoffnung die dunkle Nacht erhellt (EG 628); Ich möcht',  dass einer mit mir geht (EG 209);  So jemand spricht: Ich liebe Gott (EG 412;  bis auf den männlichen Sprachgebrauch ein passendes Lied) Evangelisches Gesangbuch, Ausgabe für Bayern und Thüringen

Literatur:
Streitfall Homosexualität. Eine Orientierungshilfe des Ev. Männerwerkes in Württemberg.

Petra-Edith Pietz, Pfarrerin der Frauen- und Familienarbeit der schlesischen Oberlausitz, ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.


Anmerkungen
1 Homosexualität – verbotene Liebe? Ist die Ablehnung der Homosexualität biblisch begründbar? Vortrag von Superintendent Dr. Hoffmann / Erwachsenenbildung Kirchenkreis Bielefeld 2.11.1995
2 Sich „outen“ bedeutet: mit dem Verbergen und Verstecken der eigenen  Lebensform aufhören, sich sichtbar machen; zur Problematik des Coming out vgl. bes. S. 56f.
3 Quelle unbekannt; zitiert nach: „Wie unser Leben gelingen kann. Ein  Diskussionsbeitrag zur Vielfalt der Lebens- und Familienformen“, Referat von Li Hangartner,  Forum der EFHiD und der kfd beim ÖKT 2003, Berlin

 

 

 

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