Ausgabe 1 / 2004 Material von Joachim Vobbe

„Am Sonntag von der Hochzeit zu Kana 2003“

Von Joachim Vobbe

Im Zeichen zunehmender Diskussion über die Einordnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften kam auf die Kirchen in den letzten Jahrzehnten die Frage zu, wieweit auch solche Lebensverbindungen unter dem Segen Gottes stehen können. (Mir geht es hier nicht um die Gutheißung oder Ablehnung dieser oder jener sexuellen Praxis. Was hier „nützlich“ oder „schädlich“, „verträglich“ oder gesundheitsgefährdend ist, ist im hetero- wie im homosexuellen Falle wesentlich eine medizinische bzw. psychologische Frage. Gott sei Dank hat sich die altkatholische Tradition nie auf Details eingelassen hinsichtlich der Bewertung sexueller Praktiken. Ethisch verwerflich ist selbstverständlich jedes hetero- wie homosexuelle Verhalten, welches abhängige Menschen ausbeutet, Unmündige missbraucht oder Treueverbindungen hintergeht. Gleichgeschlechtliche Liebe bestimmt sich im obigen Zusammenhang also nicht von der Intensität und Art des Intimlebens, sondern nur von der Tatsache, ob ein Mann oder eine Frau sich emotional und erotisch unabänderlich mehr zum eigenen Geschlecht als zum anderen hingezogen fühlen.) In der heutigen Psychologie und Genetik gibt es zwar nach wie vor geteilte Meinungen darüber, ob die homosexuelle Disposition von Menschen genetisch oder in einem sehr frühen Lebensstadium entwicklungsgeschichtlich bedingt ist. Einig ist man sich aber darin, dass gleichgeschlechtliche Orientierung viele Menschen unabänderlich prägt und nicht als Krankheit anzusehen ist.

In diesem Zusammenhang möchte ich stellvertretend für meine eigene Kirche ein Schuldbekenntnis nachholen: Die Kirche hat – vermutlich aufgrund ihrer eigenen distanzierten Einstellung – beharrlicher geschwiegen zur Ausgrenzung, Verfolgung,  Verstümmelung und Tötung homosexueller Menschen als zu manchen anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es ist deshalb verständlich, wenn das Verhältnis von Homosexuellen zur Kirche immer noch mitgeprägt ist von Trauma-tisierungen. Aufgrund dieser geschichtlichen Belastung ist es wohl bisweilen noch recht schwer, unbefangen miteinander umzugehen und differenzierende Aussagen zu machen, die nicht als Diffamierung oder Diskriminierung empfunden werden.

Wie auch immer man aber vermeintliche oder tatsächliche Widersprüche zwischen Schrift, Tradition und Wissenschaft lösen mag: Unbestritten dürfte für uns Christen sein, dass gleichgeschlechtlich empfindende Menschen einen ebensolchen Anspruch darauf haben, zu lieben und geliebt zu werden, und – vor allem – sich selbst achten zu dürfen, wie andere Menschen auch. Unbestritten ist weiter, dass  Bindung an die Nachfolge Jesu, Liebe und Treue einen biblisch begründeten Eigenwert haben – jenseits der Bewertung sexueller Orientierung oder gar konkreter sexueller Praktiken. …

„Segen kann gedeihn, wo wir alles teilen, schlimmen Schaden heilen, lieben und verzeihn“, hat Dieter Trautwein, der jüngst verstorbene Frankfurter Propst, in einem Lied, das sich auch in unserem neuen Gesangbuch findet, gedichtet. Er hat damit in knappen Worten ausgesagt, was Nachfolge Christi in dieser Welt meint. Wo solche Nachfolge angestrebt wird, sei es in einer Gruppe, allein oder zu zweit, kann sich Segen entfalten.

aus: Joachim Vobbe, Bischof des Katholischen Bistums der Alt-Katholischen Kirche in Deutschland, „am Sonntag von der Hochzeit zu Kana 2003“ (19.01.2003)

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