Ausgabe 1 / 2006 Artikel von Elisabeth v. Dücker

Arbeitsplatz Kind

Von Müttern und anderen Zuständigen

Von Elisabeth v. Dücker


Arbeit am Kind gilt hierzulande als Privatangelegenheit. Eine neue Generation großzuziehen wird mit Arbeit aus Liebe gleichgesetzt, angesiedelt im Schatten des außerhäuslichen Brot¬ erwerbs, eher dem Rang des Nebenschauplatzes zugeordnet oder leichtfertig als „Gedöns“ (1) abgetan.

Dahinter steckt ein langlebiges Geschlechterkonstrukt, die Versorger¬ ehe, staatlich gefördert unter anderem durch Ehegattensplittung. Es zementiert Rollenbilder, nach denen ER die Brötchen heimbringt und SIE, z.B. im Teilzeitjob, das Zubrot verdient. Der Karrierekiller „Dreiphasenmodell“ – also Beruf, kinderbedingte Pause, dann Wiedereinstieg – ist als Überbleibsel konservativer Familienmodelle der westdeutschen Wirtschaftswunderzeit immer noch tief verwurzelt und wirkt wie ein heimlicher Lehrplan für den weiblichen Lebensentwurf westdeutscher Prägung bis heute. (2)

Die unbezahlte häusliche Arbeit macht zwei Drittel aller gesellschaftlichen Arbeiten aus und wird zu 90% von Frauen erledigt. Ebenfalls zu 90% in Frauenhand sind die Teilzeitjobs. Sie sollen Frauen ein Modell versüßen, das unter dem Etikett Vereinbarkeit von Beruf und Familie angeboten wird und Deutschland wie das Land der halbierten Frauen erscheinen lässt: Halbtagskrippen, Halbtagskindergärten, Halbtagsschulen, Halbtagsjobs, halbe Rente.


Karriere und Kinder

Wenn es uns gelänge, „wie die Franzosen eine ganztägige, bezahlbare, gute Kinderbetreuung zu haben, dann wären wir einen großen Schritt weiter“, sagt Jutta Limbach, die ehemalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Rechtsprofessorin und Mutter von drei Kindern. Beim kurzen Blick nach Frankreich fällt auf: Dort ist ein flächendeckend gut ausgebautes Kinderbetreuungs-System vorhanden, welches die Versöhnung von Beruf und Familie erleichtert. Es gibt Ganztagskrippen, Ganztagskindergärten, Ganztagshorte teils kostenfrei, auf jeden Fall zu erschwinglichen Preisen. (3) Häufig denken in Deutschland werdende Eltern und Politiker nach wie vor: Wenn ein Kind kommt, muss die gute Mutter erst einmal in die Kinderpause. Wie die westdeutsche Karrierefalle, das Dreiphasenmodell, so ist auch der Begriff „Rabenmutter“ im Französischen ein Fremdwort. Dort ist das Bild der berufstätigen Mutter gesellschaftlich gewollt, und Kindererziehung ist gesellschaftliche Aufgabe. Die meisten berufstätigen Frauen geben ihre Kinder zwischen dem dritten und sechsten Monat in die Krippe. Sie sind an der frühen Sozialisation unter Gleichaltrigen interessiert. Und gerade privilegierte Schichten schätzen das staatliche Krippenangebot, weil es Selbständigkeit und soziales Verhalten fördert. (4) Hierzulande haftet der Krippe häufig der Beigeschmack von Notbehelf an, von Abschieben in die Kinderbewahranstalt als Einrichtung sozial unterprivilegierter Schichten. So haben in Westdeutschland z.B. nur drei Kleinkinder von 100 einen Krippenplatz, in Ostdeutschland sind es fast 40%.
Fazit: Da der Mix Karriere und Muttersein in Frankreich gesellschaftlich gefördert wird, haben Frauen dort durchschnittlich zwei Kinder, in Deutschland sind 42% der Akademikerinnen ohne eigenen Nachwuchs. Mit 30% Frauen im Top-Management hält Frankreich den Europarekord, Deutschland taucht in der Liste mit ca. 4% erst gar nicht auf. Weibliche und männliche Berufsverläufe nähern sich in Frankreich an; das macht zufriedener und verhindert die hierzulande grassierende weibliche Altersarmut. Politisches Ziel ist die kontinuierliche, vollzeitige Integration von Müttern in den Arbeitsmarkt in Frankreich. Warum nicht in Deutschland?


Vereinzelt sind Mütter auch Männer

Eine wunderbare Einstimmung auf die Tätigkeiten am „Arbeitsplatz Kind“ ist bei der amerikanischen Philosophin Sara Ruddick zu lesen. Sie bezeichnet diese Arbeiten als mothering – hier übersetzt als „BeMuttern“ – und definiert eine Mutter als „eine Person, die einen signifikanten Teil ihres Arbeitslebens der Betreuung von Kindern widmet und die Verantwortung für deren Leben übernimmt. Diese Person kann ein Mann oder eine Frau sein. Obwohl Mütter meistens Frauen waren oder sind, ist die Mütterarbeit doch potentiell von beiden Geschlechtern zu leisten. Weder für den Mann noch für die Frau ist es natürlicher, Mutter zu sein; sie ist dazu auch nicht stärker verpflichtet als er. Die Arbeit einer Mutter kann also grundsätzlich von jedem verantwortungsbewussten Erwachsenen ausgeführt werden […] Vereinzelt sind Mütter auch Männer, aber die Praxis und kulturelle Darstellung des Mutterseins ist ganz stark von herrschenden Weiblichkeitsnormen bestimmt.
Wir sind nicht imstande, die geschlechtliche Arbeitsteilung, die unser Leben und Denken geprägt hat, auf Wunsch einfach zu überwinden. Obwohl Männer Mütter sein können und viele Frauen die Mutterrolle heutzutage ablehnen, sind doch in den meisten Gesellschaften das Weibliche und das Mütterliche begrifflich und politisch untrennbar.“ (5)

BeMuttern hat in Deutschland einen traditionsreichen Beigeschmack. Das Bild der Familie als Bollwerk gegen die Unbilden der Welt und das Konstrukt Mutter wurzeln im Protestantismus. Mit Luthers Neubewertung der Familie, die nun an Stelle der Kirche zum Ort der Kindererziehung wird, geht die Definition einher, Familie sei Ort des Heils, Garant einer besseren Welt. (6) Später präzisiert der Pädagoge Pestalozzi das Dogma von der Mutter als dem von Natur aus besseren Menschen. Sie wird Instanz für das Sittlich-Moralische, zuständig für das Menschliche. Folgerichtig weist er Müttern das Erziehungsmonopol zu. Die Mutterfigur wird zur Erzieherin der Kinder, und – in Umkehrung der Geschlechterhierarchie – sogar die ihres Gatten. Die Familie wird definiert als neues Heiligtum und tritt an die Stelle der Kirche. Mütterlichkeit wird zur politisch-ethischen Kraft, weil sie Rettung verspricht.
Dieses Konzept von Mütterlichkeit hat deutsche Politik bis in die Zeiten des grünen Müttermanifests (7) bestimmt, zeitweise unterbrochen durch die nationalsozialistische Politik: Die Privatheit von Familie und Mutter-Kind-Beziehung wird kollektiviert, Kinder gehören nicht mehr zu den Eltern, sondern dem Staat, die Familie wird im Volkskörper aufgelöst, die Hausfrauen- und Mutterrolle professionalisiert. (8)

Die Nachkriegszeit erbrachte unterschiedliche Mütterlichkeits- und Familienkonstruktionen in den beiden deutschen Staaten, aber auch west-östliche Parallelen in Alltag und Politik.
Ende der 1940er Jahre waren, bedingt durch die Abwesenheit der Männer in Krieg und Gefangenschaft, in ganz Deutschland Frauen zu Familien-Ernährerinnen geworden. In der DDR galten Frauen auch weiterhin als unverzichtbare Arbeitskräfte, gefragt als Mitgestalterinnen des Sozialismus. Flächendeckende außerhäusliche Kinderbetreuung ermöglichte es, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. Das Leitbild der jungen, qualifizierten und vollberufstätigen Mutter prägte die Mehrzahl weiblicher Lebensentwürfe. In der alten BRD wurde seit den 1950ern das traditionelle Familienbild der kindererziehenden Ehe- und Hausfrau mit Ernährer wieder aufgelegt. Das westdeutsche Modell ist auch als Abgrenzung zu den sozialistischen Verhältnissen zu sehen: Das Konstrukt „meine Frau muss nicht arbeiten gehen, und die Kinder müssen nicht fremdbetreut werden“ (9) diente als Nachweis einer wohlhabenden und freiheitlichen patriarchalen Gesellschaft. Seitdem haben sich die Lebensentwürfe – vor allem von Frauen – gewandelt, doch das Leitbild der Versorgerehe lebt in der Familienpolitik fort. Kindergroßziehen ist immer noch Privatsache. (10) Trotz Pisa-Schock und Geburtenrekordtief ist der Notstand bei der außerhäuslichen Kinderbetreuung ein Dauerskandal. Offensichtlich ist es der alte Muttermythos, der die bundesdeutsche Politik immer noch im Bann hält. (11) Ergebnisse internationaler Forschung, welche die Überlegenheit guter Gruppenbetreuung gegenüber der privaten Bemutterung nachwiesen, werden ignoriert: „Die besonders wichtige persönliche Betreuung des Kindes in seinen ersten Lebensjahren“ wird in der Broschüre des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Herbst 2002 erneut unterstrichen. (12)

Eine gegenderte, unter Einbeziehung von Frauen und Männern organisierte Kinderbetreuung ist zentrales Anliegen der Geschlechterpolitik in Schweden. Mit über 25% beteiligen sich schwedische Väter an der Elternzeit und halten damit einen Weltrekord. Seit 1995 sieht das schwedische Elternurlaubsgesetz einen „Papamonat“ vor. Das bedeutet, dass sich Väter mit mindestens 30 Tagen an der staatlich finanzierten Freistellung junger Eltern beteiligen müssen. Demnächst soll der Papamonat auf drei Monate erweitert werden. Das seit 1974 geltende Elternurlaubsgesetz ermöglicht zudem eine mit 75% des Verdienstes bezahlte Freistellung bis zu 360 Tagen. Sie kann im Verlauf von acht Jahren nach und nach von einem Zeitkonto abgebucht werden. Schwedische Eltern haben eine kinderzentrierte Politik zur Seite. Seit 1975 gibt es dort ein System der Kinderbildung. In kleinen Gruppen kann frühkindliche Bildung schon mit einem Jahr in der Vorschule begonnen werden.
Beruf und Familie in Lebensplanung und Alltag zu verbinden, dafür bietet in Schweden der in den 1930ern geschaffene Wohlfahrtsstaat einen Rahmen. Mit einer der höchsten Frauenerwerbsquoten von 83% (in Deutschland 64%) und einer der höchsten Geburtenraten zählt Schweden zur europäischen Spitze. Der Wohlfahrtsstaat ist der beste Freund der Frauen, hieß es im sozialdemokratischen Schweden der Nachkriegszeit. Heute lässt sich feststellen, dass sich die Politik der Mütterlichkeit durchgesetzt hat. „Vater Staat ist zu einem mütterlichen Staat mutiert, in dem die als ethisch höher eingeschätzten Werte der Mütterlichkeit allgemein prägend geworden sind. Mit der Vermütterlichung der öffentlichen Sphäre wurden die Geschlechter innerhalb des Paares gleichgestellt. Es wird von der Berufstätigkeit beider Partner ausgegangen, die idealerweise wirtschaftlich unabhängig voneinander sind; der Familienvater ist kein Versorger mehr.“ (13)

Nach dem Blick auf diverse europäische Mütterlichkeitskonzepte ist die Einschätzung der Sozialwissenschaftlerin Gisela Erler bedenkenswert: „Es sind die postfaschistischen Systeme, in denen Frauen das Kinderkriegen besonders schwer gemacht wird. Deutschland, Italien, Spanien, Japan – das sind die Länder mit der höchsten Mutterglorifizierung und der niedrigsten Geburtenrate.“ (14)

Dr. Elisatbeth v. Dücker
ist Kustodin am Museum der Arbeit in Hamburg.


Für die Arbeit in der Gruppe

Ziel:
Die Frauen sollen sich mit den eigenen Mutterbildern auseinandersetzen können. Es soll bewusst werden, welche Arbeitsleistung mit dem Aufziehen / BeMuttern von Kindern verbunden ist, und dass diese Arbeit nicht unbedingt ausschließlich von den leiblichen Müttern der Kinder getan werden muss, die deswegen auf eine eigene berufliche Karrieren verzichten. Daher sollen Alternativen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die entsprechenden gesellschaftlich-politischen Rahmenbedingungen in den Blick kommen und eigene politische Handlungsmöglichkeiten erkennbar werden.

Zeit:
3 Einheiten à ca. 1 Stunde; jeweils für sich oder in Kombination verwendbar


Gute Mutter oder Rabenmutter?

Material:
mindestens 3 große Plakate, Zettel zum Beschriften, Filzstifte in mehreren Farben und Stärken; evtl. ruhige Musik

Ablauf:
Leiterin führt kurz ein: Oft ist es uns gar nicht bewusst – aber jede von uns hat in ihrem Kopf Bilder, die vorgeben, was eine „gute Mutter“ ist, macht, nicht tun darf…; versuchen wir einmal, uns diese Bilder bewusst zu machen.

Was denke ich?
Leiterin teilt die Gruppe in zwei Hälften (max. je 6-8 Frauen, sonst weitere parallele Kleingruppen). Die eine Gruppe bekommt einen Filzstift und großes Plakat mit dem angefangenen Satz „Ich bin eine gute Mutter, wenn ich…“, die andere ein Plakat mit dem Halbsatz „Ich bin eine schlechte Mutter, wenn ich…“. Die Frauen werden gebeten, die Sätze zu vervollständigen und ihre Halbsätze auf das Plakat zu schreiben, ohne dabei miteinander zu reden. Wichtig: Es gibt in dieser Phase keine Diskussion, keine „richtig“ oder „falsch“ – alle Bilder dürfen aufgeschrieben werden!
ca. 15 Min.

Was denken wir?
Plakate werden in die Mitte gelegt oder aufgehängt und gemeinsam angeschaut. Gespräch zur Frage: Welche Vorstellungen von guten bzw. schlechten Müttern haben wir / die meisten von uns gemeinsam? An welchen Punkten gehen unsere Vorstellungen auseinander?
Gemeinsame bzw. deutlich mehrheitsfähige Aussagen werden in Stichworten auf einem in der Mitte geteilten Plakat festgehalten (evtl. zwei Farben verwenden) oder eingetragen in den Umriss einer Frauenfigur (aus Plakat ausgeschnitten).
ca. 15 Min.

Woher kommen die Bilder?
Leiterin lädt ein sich zu erinnern: Durch wen oder was wurde mein persönliches Mutterbild geprägt? (Eltern, Predigten, andere Frauen Frauenzeitschriften, Fernsehen…) Die Frauen schreiben ihre Erinnerungen kurz auf je einen der Zettel. Die „Quellen“ der Mutterbilder werden kurz benannt und in die Mitte gelegt, oder es kann ausführlicher erzählt werden.
mind. 20 Min.

Vor-Bilder für unsere Töchter?
Leiterin bittet die Frauen zu überlegen, ob ihre eigenen Mutterbilder auch die Vor-Bilder ihrer Töchter bzw. Enkelinnen sind / sein sollten / sein können.
Impulsfragen: Welche Vorstellungen von Mutterschaft haben junge Frauen in unserer Familie / in unserem Umfeld? Was machen sie anders als / genauso wie wir? Können wir unsere Töchter bzw. Enkelinnen in ihren Vorstellungen unterstützen, auch wenn die sich von unseren eigenen unterscheiden?
ca. 20 Min.


Bemuttern können auch Väter

Material:
Plakat, Filzstifte schwarz und in 4 weiteren Farben; Text „Arbeit aus Liebe“ (Kopie für alle; siehe S. 42); beschriftete Papierstreifen (s.u., Schritt „Arbeit aufteilen“)

Ablauf:
Was Kinder brauchen
Leiterin weist einleitend darauf hin, dass viele Jahre des „Bemutterns“ nötig sind, bis aus hilflosen Babys selbständige Erwachsene werden. Sie bittet die Frauen zusammenzutragen, was Kinder dazu brauchen. Die Stichworte werden in einer Brainstorming-Runde genannt und (in schwarzer Farbe) auf einem großen Plakat notiert, das in der Mitte liegt; evtl. ergänzen: regelmäßig essen, Toilette benutzen lernen, Unterstützung bei Hausaufgaben, Aufsicht beim Spielen, saubere Wäsche…
10-15 Min.

Dienstleistungsunternehmen Mutter
Leiterin erläutert, dass die meisten Tätigkeiten am „Arbeitsplatz Kind“ traditionell den Müttern zugewiesen wurden. Der Text „Arbeit aus Liebe“ wird verteilt und vorgelesen; es schließt sich eine Gesprächsrunde an zur Frage: Welche Arbeiten wurden / werden von uns als Müttern erwartet? Wie ging / geht es uns mit diesen Erwartungen? Wenn möglich, ausreichend Zeit zum Erzählen lassen!
mindestens 10-20 Min.

Arbeit aufteilen
Leiterin legt auf je eine Seite des Plakats aus der ersten Runde Papierstreifen; Aufschriften (in 4 Farben):
Kann nur die Mutter machen
Kann der Vater machen
Kann ein(e) beliebige(r) Erwachsene(r) machen
Kann von einer guten Kinderbetreuungseinrichtung gemacht werden.

Die Frauen werden gebeten sich zu verständigen, was nur die Mutter, was der Vater … machen kann, und die gesammelten Stichworte auf dem Plakat mit einer oder mehreren der Farben – je nachdem, was zutrifft – zu unterstreichen oder einzukreisen.

Anschließend liest die Leiterin folgende Sätze von Sara Ruddick vor: Eine Mutter ist „eine Person, die einen signifikanten Teil ihres Arbeitslebens der Betreuung von Kindern widmet und die Verantwortung für deren Leben übernimmt. Diese Person kann ein Mann oder eine Frau sein. Obwohl Mütter meistens Frauen waren oder sind, ist die Mütterarbeit doch potentiell von beiden Geschlechtern zu leisten. Weder für den Mann noch für die Frau ist es natürlicher, Mutter zu sein; sie ist dazu auch nicht stärker verpflichtet als er. Die Arbeit einer Mutter kann also grundsätzlich von jedem verantwortungsbewussten Erwachsenen ausgeführt werden.“

Die Frauen werden gebeten, diese These mit dem Bild auf ihrem Plakat zu vergleichen und dann zu diskutieren:
– Können wir der These von Sara Ruddick zustimmen?
– Wie ist die Realität in unserem Umfeld: Welche der Aufgaben, die auch von anderen Erwachsenen übernommen werden könnten, werden tatsächlich überwiegend von den Müttern übernommen? Mit welchen Erwartungen werden Mütter in unserem Umfeld konfrontiert? Wer hat diesbezügliche Erwartungen – und wie kommen die zum Ausdruck?
– Was müsste sich unseres Erachtens ändern, damit künftig die Arbeit, die mit dem „Bemuttern“ verbunden ist, stärker aufgeteilt wird? (z.B.: in der Erziehung von Jungen / von Mädchen; bei der Flexibilisierung von Erwerbsarbeitszeit; in der Gesetzgebung…)

Die Leiterin regt an darüber nachzudenken und sich zu verständigen, ob die Gruppe eine Möglichkeit sieht, zu notwendigen Veränderungen beizutragen.
mindestens 30 Min.


Kinder und Karriere

Material:
Absatz „Karriere und Kinder“ (siehe oben) und Thesen B. Vinken (siehe unten) in Kopie für alle; Kopiervorlagen für AbonnentInnen im Servicebereich 

Ablauf:
Warum nicht in Deutschland?
Leiterin verteilt Kopie „Karriere und Kinder“, liest vor und gibt die abschließende Frage „Warum nicht in Deutschland?“ in die Gruppe. Die im Text genannten Gründe werden stichwortartig notiert, anschließend in Murmelgruppen weitere Gründe gesammelt.

Plädoyer für eine Wende
Leiterin erläutert, dass die Autorin Barbara Vinken (Die deutsche Mutter: Der lange Schatten eines Mythos. München 2001) in einem Vergleich von Familienpolitik in Frankreich und Deutschland (2003 bei der Arbeitnehmerkammer Bremen) vehement für eine Wende in der deutschen Familienpolitik plädiert hat.
Vinken fasst ihre Gründe zu drei Thesen zusammen:
Erstens hat sich gezeigt, dass das Reden von den Eltern letzten Endes nur die Mutter trifft und … in 98,5% zu Lasten ihrer Karriere geht. Väter haben bisher von den ihnen zugestandenen Freiräumen wie Erziehungsurlaub und Teilzeitarbeit so gut wie keinen Gebrauch gemacht und nichts spricht dafür, dass sie das in Zukunft tun.
Zweitens halte ich es weder für wünschenswert noch für zumutbar, dass Erwachsene, egal ob Männer oder Frauen, sei es auch nur jahreweise vor die Alternative Beruf oder Kinder gestellt werden. Ich halte es für normal, einem Beruf nachzugehen. Ich meine in der Tat nicht, dass ein Kind alles im Leben verändern soll. Ich meine, dass es möglich sein muss, auch mit Kindern nicht ganz in die Familie zurückzugehen, sondern in der normalen Welt der Erwachsenen weiterzuleben.
Drittens bin ich der Meinung, dass es unter den heutigen Bedingungen gar nicht wünschenswert ist, dass Kinder den ganzen Tag ausschließlich mit der Mutter oder dem Vater verbringen. Kinder müssen mitleben, wie das in früheren Zeiten und größeren Haushalten viel selbstverständlicher der Fall war, als sie nicht der erschöpfende Lebens-Zweck waren und sein mussten.

Die Frauen setzen sich in Kleingruppen mit je einer der Thesen auseinander. Sie sammeln Argumente für bzw. gegen „ihre“ These und stellen fest, ob es eine Mehrheit für oder gegen die These gibt.
Im anschließenden Plenum werden die Meinung der Gruppe und die Argumente mitgeteilt. Kommt die gesamte Gruppe zu einem gemeinsamen Ergebnis?

Bei genügend Zeit und Interesse kann (in denselben Kleingruppen) zusammengetragen werden, was passieren muss, damit die „Wende in der Familienpolitik“ geschehen kann und welchen Beitrag Frauengruppen in der Gemeinde dazu leisten können.

Methodische Vorschläge von Margot Papenheim, Redakteurin der ahzw.

Anmerkungen:
1
Äußerung des Bundeskanzlers Gerhard Schröder gegenüber seiner Kabinettskollegin Christine Bergmann um 1999; drei Jahre danach fanden Kinderbetreuung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf Eingang in die Regierungserklärung von 2002.
2 Claudia Born, Kinder, Küche und Karriere – wie vereinbar sind Familie und Beruf und wie kinderfreundlich ist der Staat in Deutschland? In: Familie und Familienpolitik in Deutschland und Frankreich. Von den NachbarInnen lernen. Hgg. von der Arbeitnehmerkammer Bremen, Bremen 2003, S. 64/65
3 Barbara Vinken, Familien in Deutschland und Frankreich: eine vergleichende Untersuchung. In: Familie und Familienpolitik in Deutschland und Frankreich. Von den NachbarInnen lernen. Hrsg. von Arbeitnehmerkammer Bremen, Bremen 2003,
S. 5ff
4 ebd., S. 7
5 Sara Ruddick, Mütterliches Denken. Für eine Politik der Gewaltlosigkeit. Frankfurt / Main 1993, S. 39
6 Barbara Vinken, Die deutsche Mutter. Der lange Schatten eines Mythos. München 2001
7 Manifest aus 1987, das in der BRD die Lebensverhältnisse zugunsten von Menschen verändern wollte, die mit Kindern leben. Zu den Erstunterzeichnerinnen gehörten vor allem Frauen aus dem Umkreis von DIE GRÜNEN.
8 Vinken, Die deutsche Mutter, S. 275-277
9 Ruddick, S. 57
10 Im Museum der Arbeit in Hamburg gibt es in der 1997 eröffneten Dauerausstellung zur Geschlechtergeschichte einen Exkurs zum Thema: Kinder und Karriere – Kinder oder Karriere? Vom Drahtseilakt zwischen Mutterschaft und Beruf in der DDR und BRD mit zehn weiblichen Lebensläufen aus Ost und West. Informationen unter www.museum-der-arbeit.de
11 Heide Oestreich, Im Bann des Muttermythos, in: taz, 11.5.04, S. 5
12 Der im Juli 2004 vorgestellte Regierungsentwurf des Tagesbetreuungsgesetzes soll die Betreuungsplätze bis 2010 vervierfachen von heute 60.000 auf 230.000 – allerdings ohne den erhofften Rechtsanspruch auf einen Platz.
13 Vinken, Die deutsche Mutter, S. 264. Im Museum der Arbeit gibt es in der Dauerausstellung zur Geschlechtergeschichte ebenfalls einen Exkurs zum Thema: Der Wohlfahrtsstaat ist der beste Freund der Frauen. Schweden – das Modell?
14 Gisela Erler, in: Die Zeit, 17.8.00, S. 13.

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