Zu Beginn halten wir inne, suchen Gottes Nähe und feiern miteinander Andacht.
hier und jetzt1
Meine engen Grenzen
EG, landeskirchliche Teile
Grenzerfahrungen, Erfahrungen an der Grenze sollen das Thema unseres heutigen Nachdenkens sein. Grenze, grenzenlos, Grenzlinie, eingegrenzt, Grenzverletzung, ausgegrenzt, Abgrenzung, Entgrenzung, Grenzzaun, Grenzüberschreitung.
Unsere Erfahrungen mit Grenzen und den Gefühlen, die wir damit verbinden, sind sehr unterschiedlich. Es ist ein lebenslanges Lernen, mit Grenzen umzugehen und mit den Schwellensituationen, in die Grenzen uns bringen. Auf den ersten Blick mag es so aussehen, als wäre das Ziel die Überwindung einer jeden Grenze – die grenzenlose Freiheit oder totale Entgrenzung.
Unsere Erinnerung an „Zimmergrenzen“ führt uns auf einen anderen Weg. Grenzerfahrungen können auch erfreulich und manchmal geradezu ein Lebensquell sein. Denn Leben ganz ohne Grenzen wäre nicht möglich. Ohne sie gäbe es keinen Schutz, kein Miteinander, keine Identität. Und doch tragen wir die Sehnsucht in uns, die eigene Begrenztheit zu überwinden, zu mehr Freiheit zu gelangen.
Es gibt ein altes Wort für Grenze, beziehungsweise den Grenzzaun: die Umfriedung oder Einfriedung. Sie markiert, umkreist den Raum, in dem wir gestalten können: das Grundstück, den Garten, gesellschaftliche Regeln und Gesetze. Und nicht zuletzt auch unsere Persönlichkeit. Im umfriedeten Raum ist Sicherheit. Auch als Personen zeigen wir Grenzen, die nicht überschritten werden sollen. Wir umfrieden uns. Über die Umfriedung hinweg kann ich Kontakt zu anderen aufnehmen – oder auch in meinen Frieden einladen. Hier ist der sichere Ort, an den ich zurückkehren kann, die Quelle, an der neue Kräfte wachsen können.
„Zeig mir eine Grenze, damit ich vorwärtsgehen kann“, bittet die griechische Sängerin Haris Alexiou in ihrem Lied „Prosefchi“ (Gebet). In der Auseinandersetzung mit der gezeigten Grenze entsteht Bewegung. Entwicklung wird möglich. Manchmal, indem es uns gelingt, die Grenze zu überschreiten. Manchmal, indem wir die Grenze als zu uns gehörig annehmen. In beiden Fällen gelangen wir zu mehr – innerer – Freiheit.
Margarete Mitscherlich hat das so beschrieben: „Wenn wir uns bewusst machen, dass unser Leben begrenzt ist, dass die innere Uhr tickt vom Zeitpunkt unserer Geburt an bis zu jenem Tag, an dem wir die letzte Grenze vom Leben in den Tod überschreiten, ist das eigentlich ein ziemlich tröstlicher Gedanke. Vielleicht ist es uns gegönnt, im Alter diese grenzenlose innere Freiheit noch auf Erden zu genießen.“ Das können wir mit jeder Grenzerfahrung üben und uns dem so immer mehr annähern. Dazu gehört es auch, die Grenze freundlich zu begrüßen, besonders auch dann, wenn sie uns nicht gefällt. Wir können uns darin üben, die eigenen Grenzen zu sehen und zu benennen – und Glauben und Vertrauen auf Gott hin auszurichten. Wir können das üben, indem wir „denken und versuchen, was wir uns selbst nicht zutrauen. Tun, was uns selbst unmöglich scheint. Jesu Erfahrung und Verheißung ist: Die nötigen Kräfte werden dir zuwachsen.“2 Mit dieser Verheißung im Gepäck lässt es sich gut Grenzen erfahren und den eigenen Lebens-Raum gestalten.
Lassen sie uns noch einmal in das Lied von Haris Alexiou 3 hören – hier bittet eine um eine gute Ausstattung für den persönlichen umfriedeten Raum:
Zeig mir eine Grenze, damit ich vorwärtsgehen kann.
Gib mir einen Namen, damit ich mich nicht verliere.
Schenk mir einen Traum, an den ich mich halten kann.
Gib mir eine Vision, damit ich kämpfen kann.
Schenk mir ein Kind, zu dem ich mich bekennen kann.
Gib mir einen Kuss, um das Schlechte reinzuwaschen.
Weck mich am Morgen mit einem Lied,
das Ja sagt zu dem Leben, das ich führe.
Möge sich das Zelt des Segens // um dich herum aufspannen // darinnen umfriedet DU // gesegnet das einfache Sein // gesegnet das Bei-mir-sein // gesegnet das Da-Sein // gesegnet das Leben, das du führst // Gesegnet bist du // Möge das Zelt des Segens // dich beschützen // diesen Tag // und jede Nacht // Amen
Quellenangaben
1) Julia Strecker: Der Sehnsucht Sprache geben, Liturgische Texte für den Gottesdienst, Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2000
2) Kerstin Möller, Das Nadelöhr zum Gottesreich. Bibelarbeit zu Lukas 18,27, in: Arbeitshilfe zum Weitergeben 4.2008 „Treffpunkt zwischen Himmel und Erde“
3) Haris Alexiou: Prosefchi, aus CD „Odos Nefelis ´88″
Dagmar Krok ist Diakonin und Dipl.-Sozialpädagogin. Als Referentin im Frauenwerk der Nordkirche ist sie zuständig für Konzeptentwicklung, Ehrenamt und FrauenReisen. Sie ist Mitglied im Redaktionsbeirat leicht&SINN.
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