Ausgabe 1 / 2005 Artikel von Doris Riffelmann und Carola Ritter

Auf den Spuren Egerias

Ein Frauen-Pilger-Projekt

Von Doris Riffelmann und Carola Ritter

(ungekürzter Artikel)

Das Pilgern gehört seit jeher zur christlichen Tradition. Zu seinen jüdischen Wurzeln zählen die Wallfahrten zum Jerusalemer Tempel. Jesus ist diesen Weg gegangen. Auch die Emmaus- Jünger sind den Weg nach Jerusalem (zurück) gegangen, nachdem sie dem Auferstandenen begegnet waren. Schon die frühe Christenheit kannte eine große Pilgertradition.(1) Der älteste ausführliche Pilgerbericht stammt aus der Feder einer Frau und ist etwa um 385 n. Chr. niedergeschrieben worden. Seine Verfasserin, die spanische Nonne Egeria,(2) hatte es sich zum Ziel gemacht, aus ihrer galizischen Heimat – dem westlichen Rand der damaligen Welt – nach Jerusalem zu pilgern und weiter bis nach Haran, dem östlichen Rand des Römischen Reiches.

Auf den Spuren der Egeria wollen Frauen heute einen alten Pilgerweg neu gehen. In einem sich einenden Europa wollen sie Grenzgängerinnen sein zwischen Ost und West, zwischen Kulturen und Religionen. Und sie wollen eintreten für ein friedliches und gerechtes Europa. Dem Vorhaben kommt zugute, dass genau diese Fülle wieder entdeckt und belebt wird, dass Pilgern heute „in“ ist.


Pilgern heute

Die Jakobswege, die schon im Mittelalter ganz Europa mit einem Netz von Wegen verbunden haben, werden heute wieder entdeckt und weg-bar gemacht. Dabei ist der nordspanische Teil des Weges mitunter buchstäblich überlaufen. Mehr und mehr PilgerInnen aus ganz Europa, aber auch aus Übersee machen sich, einzeln oder in Gruppen, zu Fuß auf die fast 700 km lange Route, beladen mit dem Nötigsten für eine wochenlange Tour. Daneben werden, an alte Pilgertraditionen anknüpfend, neue ökumenische Routen – wie der Elisabethpfad von Frankfurt zur Elisabethkirche nach Marburg oder die Bonifatiusroute von Mainz zum Bonifatiusgrab nach Fulda – eingerichtet.

Die katholische, teilweise volksfrömmige Tradition der Fuß-Wallfahrten als gutes Werk oder zum Zwecke der Buße ist durch die Reformation fundamental kritisiert worden.(3) Dennoch sind es heute vor allem evangelische ChristInnen, die das Pilgern für sich als eine hilfreiche Praxis entdecken.
So hat sich eine ökumenische Pilgertradition etabliert, die aus Be-WEG-gründen Menschen auf den Weg bringen. Fünf Dimensionen des Pilgerns sollen hier genannt werden, die einzeln oder kombiniert motivieren, sich auf das Abenteuer Pilgern einzulassen.


1. Nach außen gehen – nach innen sehen:
eine geistlich-spirituelle Dimension

„Pilgern ist Beten mit den Füßen“, sagt ein Pilgerführer. Es ist eine Übung, die den ganzen Menschen mitnimmt, äußerlich und innerlich bewegt. Menschen brauchen Räume und Zeiten, die offen sind für Selbstfindung und Gottesbegegnung. Auf einem Pilgerweg ist dies vorhanden und wirkt unmittelbar auf Körper, Geist und Seele. So ermöglicht das Pilgern einen Austritt aus dem Alltag. Wer pilgert, findet heilsamen Abstand, der große Probleme klein werden lässt und erfährt, dass Sorgen sich buchstäblich verlaufen. Wer pilgert, findet Nähe zur Natur, zur Erde, die uns trägt, und lässt den unruhigen Geist zur Ruhe kommen, trotz oder wegen unentwegter Bewegung. Insofern hält das Pilgern paradoxe Erfahrungen bereit: Wer pilgert, geht nach außen und wird bei sich selbst, ganz innen ankommen. Wer pilgert, wird trotz körperlicher Verausgabung „von einer Kraft zur anderen gehen“ (Ps 84,8).

Für viele Frauen markiert Pilgern ein Passageritual. An Lebenswendepunkten, sei es nach langer Ausbildungszeit und bestandenen Prüfungen, nach dem Auszug der Kinder aus dem Haushalt oder nach Trennungen, bei Berufswechsel oder zu Beginn des Ruhe(!)standes, suchen sie die bewegte Pause. Viele Frauen finden beim Pilgern zu einer selbst bestimmten, einfachen Glaubenspraxis. Sie fühlen sich befreit und herausgelassen aus einem theologischen Überbau, der nicht selten ein Elfenbeinturm ist. In schlichten Liturgien und Schweigegängen, im Austausch und in der Gemeinschaft mit Weggefährtinnen finden sie geistige Wegzehrung, eine Kost, die bei den Mühen des Weges verträglich ist. Hier bestimmen sie die Themen und das Tempo selbst. Sie sind Pfadfinderinnen ihrer eigenen Lebensweisheit. Der Weg allerdings, und das ist Freiheit in Gebundenheit, ist vorhanden und will gefunden werden als eine Richtungsweisung, der es zu vertrauen lohnt.


2. Auf den Spuren von Abraham und Sara:
eine religionsgeschichtliche Dimension

Jeder Pilgerweg hat sein Ziel – sei es der Weg selbst mit seinen geistig-spirituellen Erfahrungen oder der lang ersehnte Zielpunkt. Das gottgefällige Unterwegssein, der vertrauende Aufbruch an einen fernen Ort, die Gewissheit des Geleits und der Gegenwart Gottes gehören zum Glaubensgehorsam aller drei abrahamitischen Religionen. Die Praxis des Pilgerns vereint Juden, Christen und Muslime. So sind Abraham und Sara, die sich auf den Weg machten, Stammvater und Ahnmutter einer gemeinsamen Glaubenspraxis, die von dem einen Gott und Schöpfer gesegnet ist. Der Psalmist als Pilger zum Jerusalemer Tempel bezeugt diesen Segen so: „Ein einziger Tag in deinen Vorhöfen ist besser als tausend andere“ (Ps 84,11).

Im Islam gehört das Pilgern (der hadsch) zu den fünf Säulen des Glaubens. Zur Wallfahrt nach Mekka mindestens einmal im Leben sind Männer und Frauen gleich verpflichtet, sofern die Angehörigen dadurch nicht in Not und Elend gebracht werden. Allen, die die Wallfahrt auf sich nehmen, an Gott glauben und gute Werke tun, wird das Paradies als Ziel der Lebenspilgerreise zuteil. (Koran, Sure 22.14+56)

Die irdischen, erfahrbaren Pilgerziele – das verheißene Land, der Tempel in Jerusalem, der heilige Berg der Gottesoffenbarung am Sinai, die Ka-aba in Mekka oder die Kathedrale in Santiago – können Orte der Gottesbegegnung sein. Hier, an realen, „begreifbaren“ Orten, begegnen Menschen dem Heiligen zuerst mit dem Körper. Von „dinglicher Heiligkeit“ (4) bewegt, erleben sie Religion sinnlich. Dies ist eine Dimension, die „verkopften“ Menschen Religion und Glauben in ganz neuer Weise aufschließen kann.


3. Weil Leben wandern heißt:
eine biblisch-theologische Dimension

Die Wanderexistenz Jesu und seiner JüngerInnen und seine gepredigte Reich- Gottes-Hoffnung hat Menschen in die Nachfolge gerufen.(5) Als der Auferstandene teilte er mit zwei Jüngern den schweren Rückweg nach Emmaus und später auch das Brot. Auf dem Weg, der den Jüngern ein Rückweg, ja Rückzug war, hatte er ihnen die Schrift ausgelegt, „dass ihnen die Herzen brannten“ (Lk 24,32). So erwuchs ihnen Kraft und Mut für den Weg der Umkehr und zum Zeugnis von dem, der sich mit Wandernden den Weg teilt und zum Bleiben nötigen lässt.

Besitzlosigkeit, Nachfolge und Hoffnung auf den Gott, der mitgeht (Exodusmotiv), sind Kennzeichen einer Existenz auf dem Weg. Die Christenheit selbst lebt in dem Horizont dieser Hoffnung und ist als „wanderndes Gottesvolk“ unterwegs. Pilgern wird so zum Symbol christlicher Existenz überhaupt: „Man muss wie Pilger wandeln, frei bloß und wahrlich leer. Viel sammeln, halten, handeln macht unsern Gang nur schwer.“ (6)


4. Eintreten für das Leben:
eine diakonisch-politische Dimension

Ein Fenster in der Marburger Elisabethkirche zeigt einen Pilger, erkennbar an seiner Pilgertasche und der Jakobsmuschel. Er hält einen verletzten und zerlumpten Mann in seinen Armen, stützt ihn und führt ihn zu Elisabeth, die die beiden in der Tür des von ihr gegründeten Hospizes empfängt. Das Bild verdeutlicht: Pilgern ist kein Selbstzweck, keine religiöse Trendsportart für Introvertierte. Es öffnet Augen und Herzen für die Notleidenden am Wege. Pilgerschaft und Samariterdienst gehören zusammen, sind Geben und Nehmen auf dem Weg, der beides zumutet: die barmherzige Zuwendung zum Nächsten ebenso, wie die überschwängliche Gastfreundschaft, die den Pilgernden unvermittelt Barmherzigkeit zuteil werden lässt.

Pilgern geschieht immer in der Öffentlichkeit, es kann Predigen oder Protestieren oder Parteinahme mit den Füßen sein. Viele moderne Pilgerwege sind Protestwege und tragen politische Kundgebungen in ihrem Gepäck. Mit der Bewegung „Unterwegs für das Leben“ haben Frauen aus verschiedenen Konfessionen und Parteien sich zusammengeschlossen, für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung einzutreten. Ihren Ausgang nahm die Bewegung 1983 mit einem Weg zur Genfer Abrüstungskonferenz. Seither gibt es jährlich Versöhnungswege, um sich zu informieren und mit Menschen vor Ort Gespräche zu führen. Der Weg findet seinen jeweiligen Abschluss mit PolitikerInnen und anderen Verantwortlichen in Wirtschaft und Gesellschaft.(7)


5. Den Horizont weiten:
eine pädagogische Dimension

Untersuchungen zeigen, dass äußere Mobilität auch die geistige Mobilität beeinflusst. Wir wissen, dass „Reisen bildet“. Und gerade eine Pilgerreise vermittelt tiefe Eindrücke und gründliche Wahrnehmungen. Frauen aller Altersstufen können das Pilgern als Studienreise nutzen, um sich selbst und generationsübergreifend anderen, jüngeren und älteren Frauen zu begegnen. Auf eigenen Füßen stehen und dem Weg mutig entgegentreten, ohne kalte Füße zu bekommen, und damit Fuß fassen im Leben: Das ist eine pädagogische Herausforderung des Pilgerns, die es immer wieder neu zu bestehen gilt. Bewusst den Weg zu gehen, um mich Schritt für Schritt mir selbst und anderen zu nähern, erweitert meinen Horizont. Pilgerschaft beginnt mit der Sehnsucht nach dem, was mehr als alles ist, beginnt mit dem ersten Schritt zum Aufbruch, dem gezielten Unterwegssein, dem Erleben des Fremden und Unbekannten, dem schweigenden Gehen, dem Innehalten und Nachspüren, dem Reden und Schweigen mit anderen auf dem Weg, ist zielorientiert. Pilgern trägt damit zur stabilisierenden Persönlichkeitsbildung bei.


Auf den Spuren der Egeria

 

Die Pilgerin Egeria hatte zwei Motive, um sich auf eine so weite und unwägbare Pilgerreise zu begeben. „Ich bin nämlich ziemlich neugierig“, schreibt sie. (8) Dieser Neugier – eine Eigenschaft, die Frauen oft, aber nicht immer wohlmeinend nachgesagt wird – verdanken wir einen Reisebericht von unschätzbarem Wert. Er gibt Auskunft über ein ungeheuerliches Unternehmen. Der Weg, den sie anfänglich mit Römischen Postwagen, später aber auch zu Fuß oder auf Eselsrücken zurücklegt, beträgt über 5.000 km. Den längsten Teil der Route – über Südfrankreich, Italien, Konstantinopel, Kleinasien, Libanon bis hinunter zum Sinai – legte Egeria wahrscheinlich auf dem Fußweg zurück.
Die Beschreibung dieses Teils ist leider verloren gegangen, der erhaltene Bericht setzt am Sinai ein. Besonders ausführlich berichtet sie über Jerusalem, das sie mehrmals und für längere Zeit aufsuchte. Von dort unternahm sie „Abstecher“ nach Ägypten und bis zum Euphrat und nach Haran, der Heimat Abrahams und Saras. Erhalten ist durch ihre breite Schilderung eine lebendige Anschauung der Kirchen, Klöster und heiligen Stätten zu jener Zeit. Egerias zweites Anliegen ist, ihren „verehrten Damen Schwestern“ (9) zu berichten. Als Teil einer christlichen Frauengemeinschaft macht sie diese Reise stellvertretend und fasst den Bericht als einen Brief an ihre Mitschwestern ab. Etappe an Etappe, Gottesdienst an Gottesdienst reihend, will sie die Leserinnen mitnehmen und einladen zu einer Pilgerschaft im Geiste. Die Bibel ist dabei für sie so etwas wie ein innerer „Reiseführer“. Sie sucht die Orte fast „immer nach der Heiligen Schrift auf“ (10). Dort liest sie die entsprechenden Bibelstellen oder feiert mit Menschen vor Ort, Ordensleuten, mitunter Ortsbischöfen, die sie auf Teilstrecken begleiten, Andachten oder andere Gottesdienste. Besonders interessiert sie das religiöse Leben in Jerusalem: die Gottesdienste, ihre Ordnungen und die Reihung der Tageszeitengebete mit den jeweiligen Gebräuchen, der Oster- und Weihnachtsfestkreis.
Durch Egeria ist uns eine älteste Beschreibung der frühchristlichen Gottesdienstordnungen erhalten geblieben, die eine Grundlage für die Ordnungen des liturgischen Jahres bilden, wie es noch heute Gültigkeit hat. Und natürlich haben sie die Menschen interessiert, mit denen sie Gemeinschaft auf Zeit teilen durfte. Sie schreibt ihren Schwestern im Westen über den Glauben und die Lebensweise im Osten, die sie bewundert. So wird sie zu einer frühen Zeugin der Ökumene, die vielfältige Glaubenstraditionen kennt und als Bereicherung erlebt.


Ein Ökumenischer Frauenpilgerweg

 

„Pilgern hat das europäische Bewusstsein geschaffen“, erkannte Johann Wolfgang von Goethe. Dieser Einsicht folgend, wollen wir auf den Spuren der Egeria heute wieder pilgernd unterwegs sein und für ein gemeinsames, friedliches Europa eintreten. Trägerin des Projektes ist das Ökumenische Forum Christlicher Frauen in Europa (ÖFCFE). Seit mehr als zwanzig Jahren sind im Forum Frauen für ein friedliches und versöhntes Europa engagiert(11). Jetzt verbinden wir uns sichtbar durch einen gemeinsamen Pilgerweg.

Der Egeria-Pilgerweg versteht sich als ein ökumenisches Projekt in einem sich neu einenden Europa. Er will einen Weg beschreiten zur sichtbaren Gemeinschaft der Kirchen in Europa. Die gemeinsame Praxis des Pilgerns kann dort einen, wo unterschiedliche Lehrund Glaubensauffassungen trennen und somit die Kirchen in Europa von ihrer wichtigsten Aufgabe abhalten: gemeinsam das Evangelium durch Wort und Tat zu verkündigen. (Charta Oecumenica, 12)

Zugleich will das Egeria-Projekt einen Weg beschreiten zur Verständigung und Einigung in einem zusammenwachsenden Europa. Der Reichtum der Pilgertraditionen, die über den ganzen Kontinent reichen, kann als spirituelle Mitgift der Kirchen und Religionen eingebracht werden und lokale Traditionen vor Ort stärken. „Die Kirchen fördern eine Einigung des europäischen Kontinents (…) Wir sind überzeugt, dass das spirituelle Erbe des Christentums eine inspirierende Kraft zur Bereicherung Europas darstellt.“ (Charta Oecumenica)

Dabei lassen sich die Geschicke Europas historisch wie aktuell nicht von denen des vorderen Orients trennen. Der erstrebte EU-Beitritt der Türkei könnte ein Prüfstein dafür sein, ob an der Nahtstelle zwischen westlicher und östlicher Kultur ein friedliches Zusammenwachsen möglich ist. Als Pilgerinnen wollen wir Grenzgängerinnen sein und Verbindungen stiften durch Begegnungen vor Ort und Nähe zu den Menschen an der Basis. „Als Kirchen und als internationale Gemeinschaften müssen wir der Gefahr entgegentreten, dass Europa sich zu einem integrierten Westen und einem desintegrierten Osten entwickelt.“ (Charta Oecumenica)


Wo geht's lang?

Der Weg soll sich an der Route der mutigen Pilgerin Egeria orientieren: quer durch den Kontinent bis nach Jerusalem. Nach der Rekonstruktion der wahrscheinlichen Wegstrecke anhand von alten und zum Teil noch vorhandenen Pilgerwegen und römischen Straßen werden wir, in Spanien (Galizien) beginnend, durch neun europäische Länder pilgern. Einige von ihnen wie Slowenien, Rumänien oder Bulgarien sind 2004 der Europäischen Gemeinschaft beigetreten, den Kontakten zu diesen Ländern gilt unser besonderes Augenmerk. Der weitere Weg führt über die Türkei, Syrien, Libanon und Israel nach Jerusalem. Im Mittelpunkt der Begegnungen am Wege steht der interreligiöse Dialog. Das Egeria-Projekt ist zunächst auf zehn Jahre angelegt. Der Pilgerweg wird sukzessiv gegangen: in jedem Jahr eine Etappe, an die im folgenden Jahr angeknüpft werden kann. Bei der Einrichtung des konkreten Weges und der einzelnen Stationen werden wir mit Menschen des jeweiligen Landes, sesshaften SympathisantInnen vor Ort Kontakt aufnehmen und mit ihnen zusammen planen.
Zudem gibt es die Idee, den Egeria- Weg als Pilgerweg dort einzurichten, wo sich lokale Verbände, Tourismusvereine oder andere PartnerInnen finden, um ihn auch künftigen Pilgergenerationen zu erhalten.


Wer kann mitmachen?

Eingeladen sind Frauen und Mädchen aus allen Konfessionen und Ländern Europas. Dabei ist es möglich, eine Teilstrecke oder auch nur mehrere Abschnitte mitzugehen. Wir wollen Glaubens- und Lebenserfahrungen auf dem Weg teilen und Gemeinschaft auf Zeit bilden. Dadurch ist der Pilgerweg mehr als eine individuelle geistliche Übung, ist er eine Erfahrung der Nachfolge in ökumenischer Schwesterlichkeit. Diese Erfahrungen sind verbunden mit einem einfachen Leben aus dem Rucksack und schlichten Quartieren und werden durch reiche Pilgererfahrungen, Gastfreundschaften und bildende Reiseerfahrungen, kurzum durch vielfältige Pilgereindrücke belohnt.
Wer nicht selbst teilnehmen kann, kann den Weg auch im Geiste mitgehen. Geplant ist ein Internet-Reisetagebuch, durch das die Erfahrungen und Einsichten auf dem Weg jederzeit und von überall her verfolgt werden können.

Noch ist das Egeria-Pilgerprojekt, wie könnte es anders sein, selbst auf dem Weg. Viele Fragen müssen noch geklärt, Kontakte hergestellt, Verabredungen getroffen, Finanzierungen festgezurrt werden. Dennoch wollen wir schon im nächsten September mit der ersten Etappe durch Nordspanien beginnen. Wer mitmachen will, sei es als Pilgerin, als Interessentin zum Mitdenken und Planen oder als sesshafte Sympathisantin vor Ort, als Multiplikatorin zu andern Projekten in den jeweiligen Ländern oder zu anderen Pilgerprojekten…, ist herzlich eingeladen! Gehen Sie mit auf ein großes Abenteuer zu, das Pilgern heißt.



 

Für die Arbeit in der Gruppe

 

Bewegungs-Übung

Sie brauchen dazu mindestens 2 Räume, einer davon ein großer leerer Raum, und eine Glocke.

Alle stehen im Kreis in einem ausreichend großen und möglichst leeren Raum. Eine stimmt ein Lied vom Wandern an (z.B.: Das Wandern ist des Müllers Lust) und alle gehen los. Jede in ihrem Tempo, jede in ihre frei gewählte Richtung. Wer mag, summt oder singt das Volkslied mit. Nach 2 Minuten (Glocke!) tun sich je zwei zusammen und gehen mit oder ohne Gesang nebeneinander her. Nach weiteren 2 Minuten schließen sie sich einer anderen Zweiergruppe an, und weiter geht der Weg zu viert … – bis alle Teilnehmerinnen gemeinsam auf Wanderschaft sind. Nach maximal 10 Minuten wird die Übung beendet.

Im anderen Raum tauschen Sie sich über Ihre Erfahrungen aus: Was ist gut gelaufen? Was war eher mühsam? Was muss ich beachten, wenn ich mit anderen pilgern will?


„Rucksack packen“

Ein Rucksack liegt in der Mitte des Raumes, drum herum Gegenstände, die jede vielleicht schon einmal beim Verreisen mitgenommen hat (Schuhe, Flüssigwaschmittel, Socken, Badetuch, Kosmetikkoffer, Handy, Seife, Fön, Schirm, Brettchen und Messer…). Sie überlegen nun reihum, was wirklich für eine Pilgerreise zu Fuß und mit einfachen Übernachtungsmöglichkeiten benötigt wird, und legen diesen Gegenstand in den Rucksack hinein. Alle verfahren so und begründen, warum dieser Gegenstand unverzichtbar ist. Probeweise kann der Rucksack auch mal geschultert und getragen werden.

In einer zweiten Runde überlegen alle, worauf beim Pilgern – und weiterführend auch bei der Lebenspilgerreise – getrost verzichtet werden kann, und begründen auch dies. Vielleicht ist es auch denkbar, einige weniger wichtige Dinge gemeinsam zu nutzen.

Frage: Was macht es mir schwer zu teilen oder gar zu verzichten? Was macht es mir leicht?


Ein Pilger-ABC

Nach den ersten Überlegungen, was zum Pilgern mitgenommen werden sollte, ist jetzt Gelegenheit, ein gemeinsames Pilger-ABC zu erstellen – evtl. jeweils einige Buchstaben in Kleingruppen. Von A (z.B. abgeben und abnehmen, Fragen nach dem Loslassen) bis Z (z.B. Ziele, Frage nach den persönlichen Vorstellungen des Weges und der gemeinsam zu verbringenden Zeitspanne) lassen sich Themen finden, die für alle interessant sein können.


Pilger-Symbole selbst gestalten

Das berühmteste Pilgerzeichen der Wallfahrt nach Santiago de Compostela in Spanien ist die Jakobsmuschel. Die Pilgerreise zum Grab des Apostels Jakobus des Älteren wurde von frühester Zeit an mit einer am Hut der Pilgernden befestigten Muschel begangen. So waren sie, die es in ihrer Wanderschaft zu unterstützen galt, auf Anhieb zu erkennen. Heute haben zahlreiche Pilgerwege ihr je eigenes Symbol. Für eine Frauengruppe, die sich konkret auf einen Pilgerweg machen möchte, ist eine kreative Beschäftigung mit Pilgersymbolen sinnvoll.


Doris Riffelmann
ist Referentin für die Arbeit mit Kindern und Mädchenarbeit in der Lippischen Landeskirche.
Carola Ritter ist Referentin für die Arbeit mit Kindern und Mädchen in der Ev. Kirche Berlin-Brandenburg- Schlesische-Oberlausitz EKBO und Mitbegründerin des Ökumenischen Frauenzentrums Evas Arche in Berlin.

Informationen zum Projekt unter: www.egeria-projekt.de
Kontakt: Carolaritter@gmx.net
Tel. (030) 308 697-145 beim Amt für Ev. Kinder- und Jugendarbeit EKBO


Fußnoten
(1) Die wichtigsten Quellen dazu finden sich in: Herbert Donner, Pilgerfahrt ins Heilige Land. Die ältesten Berichte christlicher Palästinapilger, Stuttgart 1980
(2) Der Reisebericht der Egeria findet sich in folgender Textausgabe: EGERIA, Itinerarium. Reisebericht in: FONTES CHRISTIANI, zweisprachige Neuausgabe christlicher Quellentexte aus Altertum und Mittelalter, Band 20, Freiburg 1995. In der Literatur begegnen neben „Egeria“ auch Namensvarianten wie Aetheria, Etheria, Echeria. Grund dafür ist, dass mit dem Deckblatt des Quellentextes der Name verloren ging und aus Sekundärquellen erschlossen werden musste.
(3) Von Luther stammt die kritische Äußerung gegen das Pilgern und Wallfahren: „Hat aber jemand ein Gelübde getan, zu Sankt Jacob zu reisen, … der lass es hinfahren. Es ist ein Gelübde wider deiner Seligkeit.“ (WA 17 II). Und in den Bekenntnisschriften zugespitzt dazu: „… kindische, närrische Werke als Wallfahren … da kein Gebot Gottes von ist“ (Apologie XII).
(4) Donner, a.a.O., S. 17
(5) Der Ruf erging in radikaler Deutlichkeit an den reichen Jüngling (Mt 19,21), der ihm nicht folgen konnte und traurig davon ging. Gehört wurde er aber von der wohl wohlhabenden Johanna, die mit anderen Frauen die Zwölf begleitete (Lk 8,1-3).
(6) Gerhard Tersteegen, EG 393
(7) Kontakt über Evangelische Frauenhilfe in Baden (07822-8254) oder in der EKHN (06251-787322)
(8) EGERIA, Itinerarium, 16,3
(9) ebenda 20,5
(10) z.B. ebenda 5,12
(11) Zum ÖFCFE vgl. den Beitrag in AHzW 1-2003 „Grenzübergang Europa schaffen“, S. 64 ff
(12) Näheres zur Charta Oecumenica in: AHzW 1-2003, S. 59 ff, Text und weitere Informationen auch unter: www.cec-kek.org/Deutsch

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