In Deutschland leben etwa 22.600 Kinder und Jugendliche mit einer lebensverkürzenden, zum Tod in jungen Jahren führenden Erkrankung. Jährlich sterben 1.500 von ihnen. „Ihr Kind hat eine sehr eingeschränkte Lebenserwartung.“ Mit dieser Diagnose beginnt ein extrem anstrengender Lebensweg. Sie bedeutet eine existentielle Erschütterung für die gesamte Familie. Damit einher gehen Verzweiflung und Wut, Verdrängung und Ohnmacht, Hoffnung und Resignation. Arztbesuche, wiederholte Krankenhausaufenthalte, irgendwann Rund-um-die-Uhr-Pflege, finanzielle Sorgen, der Umzug in eine rollstuhlgerechte Wohnung, das Erleben von Entwicklungsrückschritten prägen häufig den Alltag der Familien. Die Eltern werden, oft über Jahre hinweg, extrem seelisch und körperlich belastet – nicht selten bis hin zur völligen Erschöpfung.
Die erkrankten Kinder sind oft wütend und traurig über die fortschreitenden Beeinträchtigungen wie ständig hinzufallen oder nicht mehr über eine Mauer balancieren zu können. Sie ertragen Untersuchungen und invasive Eingriffe, arrangieren sich mit ihrem Rollstuhl und der Umstellung auf pürierte Kost oder Ernährung per Sonde. Gleichzeitig erleben sie aus der Kinderperspektive die Fülle, die die Welt jenseits von krankheitsbedingten Beeinträchtigungen zu bieten hat. Meist haben sie irgendwann gelernt, ihre Lebensbedingungen anzunehmen, sich in ihrem Ja zum Leben nicht unterkriegen zu lassen.
In Workshops der Deutschen Kinderhospizakademie sind erkrankte Kinder eingeladen, ein Wochenende ohne Eltern zu verbringen. Kreative Kunst-Mitmach-Aktionen prägen die gemeinsamen Tage. Dank der liebevollen, lebenspraktischen Assistenz der Ehrenamtlichen können auch Kinder mit extremen Einschränkungen wie dem Verlust von Denk-, Merk-, Seh- und Sprachfähigkeit je nach ihren Möglichkeiten die eigene Fülle und die Fülle der Welt erfahren. Für Jugendliche ab 16 Jahren findet im November erstmals ein Begegnungswochenende statt. Unter dem Motto „Reif für die Party“ werden Stylingtipps, Wellness und DJ-Musikauswahl in den Höhepunkt münden – die gemeinsame Party am Samstagabend.
Die durch die Erkrankung der Kinder bedingte Situation umfasst auch die Großeltern. Sie tragen oft viel zur Aufrechterhaltung des Familienalltags bei und müssen gleichzeitig erleben, dass ihre eigenen Kinder viel Schweres zu tragen haben. Nach einem Trauerseminar beschreibt die Großmutter von Jascha, der im Alter von dreieinhalb Jahren an einem Gehirntumor starb, wie zu Beginn jede/r eine Herzkerze für das gestorbene Kind anzündete, wie erdrückend das Leid für jede/n Einzelne/n und wie befreiend das Sprechen-Dürfen war: „Wir konnten von dem Tod und der Bestattung unseres Enkelkindes erzählen und davon, wie wichtig es ist, die Trauerfeier und das Grab so zu gestalten, wie man selbst es möchte. Wut und Zorn auf Gott kamen zur Sprache, der all das Leid zulässt. Wir spürten, dass die Frage nach dem Warum uns nicht weiterbringt. Gestärkt mit Brot und versehen mit einem irischen Reisesegen verabschiedeten wir uns voneinander.“
Eine Mutter fasst aus ihrer gelebten Erfahrung mit zwei schwer kranken Kindern das Anliegen der Kinderhospizarbeit zusammen: „Die Kinder mit ihrem schwierigen Leben zu erfahren, sie in ihrer Begrenztheit zu sehen und dann das Dennoch zu spüren, überwältigt selbst mich immer wieder neu. Ihre meist leuchtenden Augen, die strahlenden Gesichter, ihr lautes Lachen, eben diese pure Lebensfreude haben schon so manchen Menschen verzaubert, und daraus sind wertvolle Freundschaften entstanden. Dieses Dennoch, welches die Kinder uns vorleben, versuchen auch wir zu leben. Trotz all des Traurigen, das wir immer wieder aushalten müssen, bemühen wir uns, das Leben mit seinen Möglichkeiten zu genießen.“ Das aber geht nur, wenn wir nicht die Handicaps in den Mittelpunkt stellen, sondern auf die Ressourcen schauen, die die kranken Kinder und Jugendlichen haben.
Edith Droste ist Leiterin der Deutschen Kinderhospizakademie;
mehr zum Thema: www.deutscher-kinderhospizverein.de
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