Alle Ausgaben / 2010 Frauen in Bewegung von Regina Seifert

Bertha von Suttner

Trägerin des Friedensnobelpreises

Von Regina Seifert

Im Palais Kinsky in Prag wird am 9. Juni 1843 Bertha Sophia Felicita Gräfin Kinsky von Chinic und Tettau geboren. Das Geschlecht der Kinskys war eines der Vornehmsten in Böhmen.

Doch Berthas Vater, Franz Graf Kinsky von Chinic und Tettau, stirbt kurz vor ihrer Geburt im Alter von 75 Jahren. Und ihre fast 50 Jahre jüngere Mutter spielt in der ersten böhmischen Gesellschaft keine Rolle. Sie ist eine geborene von Körner, Verwandte des berühmten Dichters Theodor Körner. Sie fühlt sich als Bürgerliche und wird von der gräflichen Verwandtschaft nicht akzeptiert.

Bald nach Berthas Geburt zieht die Mutter mit den beiden Kindern, dem älteren Bruder Arthur und Bertha, nach Brünn. In Brünn verbringt Bertha eine behütete Kindheit. Ihr Bruder wird auf eine Kadettenschule gegeben. So wächst Bertha in der Gesellschaft Erwachsener auf. Sie wird von Gouvernanten erzogen, bei denen sie Französisch, Italienisch und Englisch lernt. Später befasst sie sich intensiv mit Literatur. Bertha liest die Klassiker und moderne Lektüre. Mehr und mehr entfernt sie sich vom Mädchenideal ihrer Schicht, der „zum Mann aufschauenden Frau“.

Im Sommer 1864 begegnet Bertha in Homburg der Fürstin von Mingrelien, Ekaterina Dadiani. Die Komtesse Kinsky schließt sich der Fürstin an und lernt durch sie die „große Welt“ kennen. In Berthas späterem Leben soll diese Begegnung noch von Bedeutung für sie sein. Vorerst aber führt sie das gewohnte Leben noch fort – die Suche nach einer „guten Partie“, Verlobungen wegen des Geldes und dann folgende Trennungen prägen diese Jahre. Unversehens ist sie 30 Jahre alt, mittellos und hat nur zwei Möglichkeiten für ihr zukünftiges Leben. Entweder bleibt sie bei ihrer Mutter und lebt gemeinsam mit ihr von deren Witwen-Apanage, oder sie sucht sich eine bezahlte Stellung. Bertha entscheidet sich für Letzteres.

Schriftstellerin
1873 nimmt Bertha eine Stellung als Erzieherin und Gesellschafterin der vier Töchter des Freiherrn von Suttner in Wien an. Mit den vier Mädchen im jugendlichen Alter versteht sie sich sehr gut. Oft verbringen die vier Schwestern und Bertha die Zeit mit ihrem gemeinsamen Liebling Arthur, dem jüngsten Sohn der Familie. Obwohl er sieben Jahre jünger als Bertha ist, verlieben die beiden sich ineinander. Als Arthurs Mutter die Beziehung entdeckt, muss Bertha die Familie verlassen.

Bertha geht nach Paris und lernt Alfred Nobel kennen. Nobel sucht eine Sekretärin und würde Bertha gern beschäftigen. Doch ihre Sehnsucht nach Arthur ist stärker. Bald kehrt sie nach Wien zurück und heiratet Arthur heimlich im Herbst 1875.

1876 zieht das Ehepaar auf Einladung der Fürstin von Mingrelien in den Kaukasus. Dort leben die Eheleute in bescheidenen Verhältnissen und verdienen ihr Geld mit schriftstellerischen Arbeiten. Nach neun Jahren entschließen sie sich zur Rückkehr nach Wien. Arthurs Eltern haben den beiden indessen verziehen und laden sie ein, bei ihnen zu wohnen. Obwohl sie im Kaukasus viel hatten entbehren müssen, waren es für Bertha im Rückblick neun sehr glückliche Jahre gewesen, in denen beide sich als Schriftsteller etabliert hatten. Nun stellen sie sich auf ein Leben in der Großfamilie ein. Sie ist 42, er 35 Jahre alt.

Im Kaukasus hatten die Suttners gelernt, die Gesellschaft mit ihren großen sozialen Unterschieden kritisch zu sehen. Den meisten Menschen fehlt das Nötigste zum Leben und nur eine kleine Minderheit kann ein Leben in Luxus führen. Mit ihren Büchern wollen sie dazu beitragen, die Welt besser zu machen. Vor allen Dingen engagiert sich Bertha Suttner für den Frieden.

Pazifistin
Den Winter 1886 verbringen die Suttners in Paris. Hier treffen sie auch Alfred Nobel. Nobel unterstützt Berthas pazifistisches Engagement und macht sie mit KünstlerInnen und Intellektuellen bekannt. In Paris erfährt sie auch von der Existenz einer organisierten Friedensbewegung. Ihr Antikriegsroman „Die Waffen nieder“ wird 1888 zunächst von mehreren Verlagen abgelehnt. 1889 aber erscheint er in einer kleinen Auflage und wird so erfolgreich, dass er schon ein Jahr später erneut aufgelegt und in mehrere Sprachen übersetzt wird. Bertha von Suttner erlangt durch den Roman große Popularität.

1891 gründet Bertha von Suttner die „Österreichische Gesellschaft der Friedensfreunde“ und im darauf folgenden Jahr die „Deutsche Friedensgesellschaft“. Im November wird sie auf dem dritten Weltfriedenskongress in Rom zur Vizepräsidentin des Internationalen Friedensbüros gewählt.

1892 erscheint die Zeitschrift „Die Waffen nieder! Monatsschrift zur Förderung der Friedensidee“. Hier wie in weiteren Schriften engagiert Bertha von Suttner sich für den Pazifismus. Sie reist zur Ersten Haager Friedenskonferenz im Mai/Juni 1899 und informiert die Presse über Verhandlungen und Ergebnisse. Die Zweite Haager Konferenz findet 1907 statt. Im Rückblick nennt Bertha die beiden Haager Friedenskonferenzen „Konferenzen zur Konsolidierung des Krieges“.(1)  Ihre Enttäuschung veranlasst sie, erneut zu verstärktem Einsatz für den Frieden aufzurufen.

Am 10. Dezember 1902 stirbt Arthur von Suttner. Der Tod ihres Mannes bedeutet für Bertha von Suttner einen sehr großen Verlust. Durch unermüdliche Arbeit vor allem in ihrem Einsatz für den Frieden versucht sie ihren Schmerz zu überwinden. Und ihr Engagement wird gewürdigt. 1905 erhält sie als erste Frau den von ihr angeregten Friedensnobelpreis.

Eine zwölfbändige Gesamtausgabe der Schriften Bertha von Suttners erscheint im Jahr 1906, und 1913 wird ihr Roman „Die Waffen nieder“ verfilmt. Den Ausbruch des 1. Weltkrieges muss sie nicht mehr erleben. Nach einem arbeitsreichen, von finanziellen Sorgen geprägten Leben und einem außergewöhnlichen Engagement für den Frieden stirbt Bertha von Suttner am 21. Juni 1914 in Wien. Ihr Engagement für den Frieden trug keine unmittelbaren Früchte. Doch bis auf den heutigen Tag macht sie vielen Menschen Mut, sich für den Frieden einzusetzen.

Regina Seifert hat viele Jahre im Redaktionsbeirat ahzw mitgearbeitet. Sie ist seit Februar 2010 freiberufliche Theologin, lebt in Naunhof/Sachsen, ist verheiratet und hat einen erwachsenen Sohn.

Zum Weiterlesen
Brigitte Hamann: Bertha von Suttner. Ein Leben für den Frieden

Anmerkungen:
1 Hamann, S. 288

Ausgabenarchiv
Sie suchen eine Ausgabe?
Hier entlang
Suche
Sie suchen einen Artikel?
hier entlang