Ausgabe 1 / 2019 Frauen in Bewegung von Antje Röckemann

Bet Debora.

Inspiration von jüdischen Frauen Europas

Von Antje Röckemann

Im Jahr 1998 hatten drei Berlinerinnen eine Vision: Es müsste doch möglich sein, sich als jüdische Frauen in Europa zu vernetzen – um sich gegenseitig zu inspirieren und voneinander zu lernen. So entstand das jüdisch-feministische Netzwerk Bet Debora. [ www.bet-debora.net ]

Nach acht Konferenzen in sechs europäischen Ländern mit Rabbinerinnen, Kantorinnen, Gelehrten, Aktivistinnen und Interessierten wird der Austausch mittlerweile auch in geschriebener Form geführt: einige Jahre in der interreligiös-feministischen Zeitschrift INTA [ www.inta-forum.net ] und seit 2014 auch im Bet Debora Journal. Vier Mal ist bisher ein über 100 Seiten starkes Heft von ausschließlich jüdischen Autor_innen publiziert worden.

Das Journal ist eine ganz unkomplizierte Möglichkeit, etwas darüber zu lernen, was jüdische Frauen – fromme wie säkulare – bewegt, welche Themen ihnen wichtig sind und was sie zu sagen haben. Und das ist manchmal überraschend. Es sind viel seltener religiöse, theologische Themen als ich gedacht hätte. Es geht auch um historische Fragen, um die Auseinandersetzung mit biographischen Erfahrungen, um Kunst, um politisches Engagement.

Alternativen schaffen: Jüdische Frauen in Europa heißt der neueste Band. Dort lese ich über jüdische Frauen in Polen. Sarah L. Wisenberg schreibt über Rosa Luxemburg, die säkular lebte, Rabbi James Baaden über Edith Stein, die zum Katholizismus übertrat. Gail Reimer macht mich mit der polnisch-jüdischen Tänzerin Judith Berg und Alicia Svigals mit dem jiddischen Film „Der gelbe Schein“ aus dem Jahr 1918 bekannt, von beiden hatte ich noch nie vorher gehört. Die diskriminierenden Erfahrungen, die die Kantorin Mimi Sheffer als Frau in ihrem Beruf machte, kommen mir hingegen durchaus vertraut vor. Andere Lebensgeschichten ermöglichen mir einen Einblick in eine mir unbekannte Welt, zum Beispiel das Aufwachsen als Jüdin in Ostberlin, von dem Lara Dämmig erzählt.

Und Witziges gibt es auch – von Anna Adam und Jalda Rebling: Der „Happy Hippie Jew Bus“ ist ein Kleinbus als fahrendes Klassenzimmer, mit dem Jüdischsein auf humorvolle und überraschende Weise vermittelt wird.

Das Journal erscheint in Berlin, aber für ganz Europa – darum sind einige Artikel in englischer Sprache. Und es lohnt sich, auch diese zu lesen. Denn als Leser_in machen Sie die Erfahrung, dass es ein lebendiges, modernes, säkulares und feministisches jüdisches Leben in Deutschland und Europa gibt. Und davon können wir uns alle inspirieren lassen.

Bisherige Ausgaben Bet Debora Journal

Generationen (2014): Weitergabe von Traditionen, Eröffnen neuer Perspektiven
„Tikkun Olam“ – Der Beitrag jüdischer Frauen zu einer besseren Welt (2014): Frauen aus 14 Ländern präsentieren und diskutieren Wege zur Stärkung des jüdischen Lebens und in eine bessere Welt im Allgemeinen.
Frauenpolitik für ein modernes Judentum (2016): Zur Wiederentdeckung der weltweit ersten Rabbinerin Regina Jonas (1902-1944) und vieles mehr.
Alternativen schaffen: Jüdische Frauen in Europa (2018): (Auto-) Biographische Zugänge, besonders zu polnisch-jüdischen Frauen, Weiterentwicklung der Traditionen

Antje Röckemann ist Pfarrerin und Gender-Referentin im Evangelischen Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid. Sie ist seit vielen Jahren im interreligiösen Dialog und in interkultureller Arbeit engagiert.

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