Alle Ausgaben / 2011 Editorial von Margot Papenheim

Betörende Düfte

Von Margot Papenheim


Parfum – das hatte für mich lange alles andere als einen verlockenden Klang. Seit Kindertagen unlösbar damit verbunden waren Assoziationen von alten Tanten, die ihre Taschentücher mit ein paar Tropfen 4711 oder, schlimmer noch, Tosca getränkt hatten und diese dann unweigerlich bei Kaffee und Kuchen hervorholten.

Meine erste große Parfumliebe hieß „Metamorphose“. Eine der ersten Kreationen des damals, Anfang der 1980-er Jahre, noch jungen und unbekannten Pariser Dufthauses L' Artisan Parfumeur. Ich lebte schon auf die Dreißig zu, als mein Mann mir dieses erste richtige Parfum meines Lebens schenkte. Dazu einen Flakon aus schwarzem Glas, wie aus Blütenblättern zusammengesetzt, mit einer goldfarbenen, ebenfalls als Blütenblatt geformten Kappe.

Auf all den vielen Stationen meines weiteren Lebens hat dieser kleine Flakon mich seither begleitet. „Metamorphose“ gibt es schon lange nicht mehr, das Parfum hatte sich bald als nicht haltbar genug erwiesen. Aber noch immer hängt ein ganz leichter Hauch dieses Dufts an meinem Flakon. Vielleicht bilde ich mir das auch nur ein – jedenfalls habe ich es nie übers Herz gebracht, ihn mit einem anderen Parfum zu füllen.

Düfte, das habe ich mit meiner „Metamorphose“ gelernt, sind etwas ganz Besonderes. So flüchtig sie sind, so fest bewahren wir sie in unserer Erinnerung. Und wenn sie uns ein ganzes Leben später unter völlig anderen Umständen wieder begegnen, dann ist das, als ob jemand auf eine unsichtbare Wiederholen-Taste in unserem Gehirn drücken würde. Und alles ist wieder da. Unauslöschbar.

„Düfte sind die Gefühle der Blumen“, hat Heinrich Heine erkannt. Was wäre schöner, als diese Gefühle zu erwidern und sich verzaubern und betören zu lassen vom Duft des Sommers?

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