Ausgabe 2 / 2015 Artikel von Bettina Marquis

Chancen nutzen, sich vernetzen

Internet-Lernhaus Frauenverband

Von Bettina Marquis

Da hat sich eine Welt aufgetan neben der richtigen Einen Welt. Die große weite Welt des Internets ist eine elektronische Parallelwelt – und bevor man sie kennenlernt, verursacht sie durchaus auch ein bisschen Angst und Unbehagen.

Betrügereien im Netz, mangelnder Datenschutz und eine überbordende Datensammelwut von Unternehmen wie auch Geheimdiensten aller Herren Länder – nicht einmal das Handy der Kanzlerin war sicher. „Ich habe richtig Angst, was falsch zu machen!“ Die Aussage ist gar nicht selten. Es lohnt sich aber, die Hemmschwelle beherzt zu überwinden und die Welt des Internets zu betreten. Es ist ein Weg, der sich für die Frauenverbände lohnt, denn es ist nicht alles schlecht in der E-Welt. Internet heißt auch: viele interessante Seiten von Organisationen und Personen anschauen, in Windeseile Informationen zu einem beliebigen Thema sammeln, schnelle Kommunikation mit anderen und miteinander in Kontakt bleiben. Eine E-Mail oder eine SMS, eine Nachricht auf What's App oder eine Kontaktaufnahme in einem Sozialen Netzwerk geschieht im Nu. Das beginnt bei der eigenen Familie, ermöglicht es aber auch, neue Menschen kennenzulernen, die gerne in dieselbe Gegend in Urlaub fahren, sich auch für Windkraft interessieren, ebenfalls begeisterte Gärtnerinnen oder Hobbyköche sind.

Das Internet ist wie ein großer Fluss oder das Meer, alles fließt. Deshalb lassen sich zum Internet auch keine „Trockenübungen“ machen, am besten ist es beim Ausprobieren zu ergründen. Meist wird der erste Kontakt in der Familie oder im Freundeskreis vermittelt. Der Start ins Internet kann aber auch von einem Frauenverband aus gelingen. Für uns im Deutschen Evangelischen Frauenbund (DEF), speziell mit unserer Medientochter Evangelische Arbeitsgemeinschaft Medien (EAM), ist es eine wichtige Aufgabe geworden, Frauen ins Internet zu bringen und sie so fit zu machen, dass sie mit den neuen Technologien gut umgehen und sich das Beste davon herausholen können.

Willkommen im Netz

Die einfachste Zugangsmöglichkeit für Internetneulinge ist ein gemeinsamer geführter Besuch in einem Internetcafé. Eine, die schon Erfahrung hat, bereitet den Besuch vor, macht es mit dem Internetcafé klar, sucht einige interessante Seiten aus, die die Teilnehmerinnen interessieren könnten, und los geht's! Eine muss es einer mal sagen: „Du kannst nichts kaputtmachen!“, und: „Mach einfach!“ Neugier und Interesse ist bei den engagierten evangelischen Frauen sowieso da. Kommt die Ermunterung hinzu, so ist das Startkapital fürs Internet schon mal sicher. Das sagen wir auch den Frauen in unserem Grundkurs bei den LernHaus-Kursen des Instituts für Lern-Innovation der Universität Erlangen-Nürnberg, die die EAM für Anfängerinnen wie Fort­geschrittene anbietet. Die E-Learning-Kurse bieten den Vorteil, dass man die einzelnen Kapitel zuhause mit dem eigenen Gerät zu jeder beliebigen Tageszeit bearbeiten kann. Ausgehend von dem Bild, das die Frauen auf ihrem Monitor sehen, werden die Lernabschnitte Schritt für Schritt verständlich erklärt und durch Übungen ergänzt. Der Aufbaukurs vermittelt dann den Umgang mit komplizierteren Internetangeboten wie Skypen oder Aufbewahrung und Bearbeitung von Digitalfotos. Eine versierte Betreuerin aus dem Verband leitet den Kurs und frau kann sich mit allen auftauchenden Fragen an sie wenden.

Ein Frauenverband lässt die Frauen bei ihrer Eroberung des Internets nicht allein. Erstens ist er selbst im Netz, vielleicht auch in den Sozialen Netzwerken, zweitens läuft viel innerverbandliche Kommunikation längst über das Internet. Darum ist auch das Gespräch darüber gut. Was sind gute Seiten, was ist eher bedenklich? Tritt ein suchtähnlicher Zustand ein? Suchen wir bestimmte Seiten dauernd auf und verlieren da Stunden und Tage? Oder ist die kurze Form vieler Beiträge eine, die es sich und uns zu einfach macht? Vieles kann man miteinander diskutieren, und wenn eine die Vorbereitung und Moderation übernimmt und vielleicht auch ein paar Beispiele zu zeigen hat, wird die Medienkompetenz der Gruppe wie der einzelnen Teilnehmerin schnell stärker.

Die Sozialen Netzwerke sind das Herz des Internets. In mehreren Kammern pulst es. Die Kammern heißen Facebook und Google, oder Seniorbook und Youtube. Hier ist zu überlegen: Wo trete ich bei – was will ich mit diesem Netzwerk erreichen? Sollen die Nachrichten eher kurz sein, mit vielen Bildern und Videos? Oder will ich Texte mit Anspruch lesen, ähnlich wie im Internetauftritt einer Zeitung? Soll ich mich US-Datensaugern wie Facebook und Google anvertrauen, und werde ich mit den gar nicht einfachen Privatsphäre-Einstellungen zurecht­kommen? Nicht, dass eine sich nicht allein auf dieses Terrain vorwagen könnte. Ist sie mit ihren persönlichen Daten sparsam oder ist es ihr wichtiger, befreundeten Kontakten in ihrem Sozialen Netzwerk zu zeigen, wie schön ihr Leben ist und was sie interessant oder lieb findet? Nur zu! Gleichwohl kann ein Frauenverband bei der Begleitung von Frauen in die Sozialen Netzwerke schon sehr hilfreich sein. Probleme sind bei einer kompetenten Einführung wirklich viel schneller und besser zu lösen.

Wir machen mit!

In DEF und EAM bieten wir aktuell drei Workshops zu Sozialen Netzwerken an: „Facebook ohne Reue“, „Wir machen mit – Seniorinnen bei Seniorbook“ und „Youtube – mehr als nur Unterhaltung“. Dafür braucht die Leiterin schon sehr gute eigene Kenntnisse im Umgang mit Web 2.0-Anwendungen. Sie muss über die jeweils aktuellen Sicherheitseinstellungen zur Privatsphäre, die Persönlichkeitsrechte, den Datenschutz und das Urheberrecht informiert sein und sollte Hintergrundinformationen zu den einzelnen Plattformen (z.B. Betreiber, Nutzungshäufigkeit, Chancen, Risiken) bieten können. Von Vorteil ist auch, wenn sie bereits ein eigenes Profil auf den vorgestellten Plattformen eingerichtet hat, das zu Demonstrationszwecken eingesetzt werden kann, um die Informationen anschaulich zu verdeutlichen.

Für den Workshop ist ein internetfähiger Computer pro Teilnehmerin, ein Computer und Beamer für die Kursleiterin und ein gut funktionierender Internetzugang nötig – bei Youtube zudem pro Teilnehmerin ein Headset (Kopf­hörer, Mikrofon), mindestens eine Digitalkamera oder eine gute Smartphone-Kamera.

Zunächst wird die Bedeutung von Sozialen Netzwerken für den privaten Alltag wie für die Öffentlichkeitsarbeit dargelegt – im Fokus der Information stehen Chancen wie Risiken. Am Beispiel privater Profile, Profilen von Personen des öffentlichen­ Lebens sowie von Organisationen, Institutionen, Frauenverbänden wird ein erster Eindruck anschaulich vermittelt und Neugier geweckt. Wichtig ist das eigene Erleben in einem Sozialen Netzwerk, das Ausprobieren und Stöbern. Die Teilnehmerinnen können sich unter Anleitung bei einem Sozialen Netzwerk registrieren oder einfach nur zusehen. Bei Facebook muss unbedingt auf die Tücken und Fallstricke während der Registrierungsphase hingewiesen werden und die Teilnehmerinnen müssen Schritt für Schritt angeleitet werden. Dann werden die wichtigsten Einstellungen zur Privatsphäre, Datenschutz und Sicherheit vorgenommen. Anhand von Beispielen werden die Teilnehmerinnen für die Themen Datenschutz, Persönlichkeitsrechte und Urheberrecht sensibilisiert. Bezüglich Datenschutz sind Apps (Anwendungen) ein wichtiges Thema.

Vor allem aber sollte genügend Zeit sein, dass die Frauen es selbst auszuprobieren können: nach Personen suchen, Freundschaften schließen, offizielle Seiten suchen und sich mit diesen vernetzen, Nachrichten schreiben, chatten, Beiträge posten etc.; es empfiehlt sich, dass die Teilnehmerinnen sich dazu untereinander und mit der Kursleiterin vernetzen. Um die verschiedenen Anwendungen gefahrlos ausprobieren zu können, kann bei Facebook oder Youtube eine geschlossene Gruppe gegründet werden. Zum Schluss müssen die Teilnehmerinnen lernen, wie ein Konto deaktiviert oder auch wieder gelöscht werden kann.

Vermittlung von Techniken und Bewegung im Sozialen Netz ist eins – hinzukommen muss das Gespräch über Risiken und die Stärkung der Frauen in ihrer Kritikfähigkeit gegenüber den Neuen Medien. Und, nicht zuletzt, die Vergewisserung, dass wir nicht nur elektronisch verbunden sind, sondern auch durch gemeinsame Werte als (netz-) aktive evangelische Frauen.

Frauenverband im Netz

Das Fitmachen der Frauen in den Verbänden für das Internet und die Sozialen Netzwerke ist eine faszinierende Aufgabe. Schließlich wollen und müssen wir als evangelische Frauenverbände auch selbst dorthin, wo heute die Musik spielt. Reichte vor wenigen Jahren noch eine halbwegs aktuelle Homepage, so muss ein guter Verband eben heute auch über einen Auftritt auf Facebook nachdenken oder seine Aktivitäten in die Welt hinaus twittern. Wir sollten es gewiss nicht unkritisch tun. Aber die Vorteile überwiegen, denn die Inhalte, die wir einstellen, sind von uns gewollt. Wir wollen gesehen und gefunden werden und uns mitteilen.

Zeitgemäß bis genial ist die kurze Form, die im Internet allgemein üblich ist. Es funktioniert wie ein Nachrichtenticker, die News laufen von oben nach unten durch. Bebilderung ist im allgemeinen Wettbewerb um die Aufmerksamkeit sinnvoll. Denn inzwischen hat sich die Wahrnehmung der Menschen verändert. Unbebilderte lange Texte sind im Internet noch viel unmöglicher als früher die gedruckten „Bleiwüsten“. Das Wichtigste ist auch hier: sich trauen loszulegen. Einen virtuellen Ordner oder eine Liste anlegen mit Material, das dann im Sozialen Netzwerk unter der eigenen Flagge erscheinen soll. Den Account anlegen – und nicht alle Filter vorschalten! Wenn zu viel Sicherheit versprechende Einstellungen wie „nicht öffentlich“, „nur Freunde“, „nur Gruppe“ angeklickt werden, so wird die Seite mit ihren ganzen herrlichen Informationen ihre Reichweite nicht entfalten und die Frauen nicht erreichen können, für die sie gedacht ist.

Es ist nicht einfach nur modern, sondern hat für einen Frauenverband große Vorteile, in den Sozialen Netzwerken Gesicht zu zeigen. Wir können auf interessante Entwicklungen in unseren Arbeitsfeldern hinweisen, Artikel verlinken, ein Handyfoto vom Geocaching in der Nürnberger Altstadt auf einem unserer Seminare parat stellen, während die Aktion noch läuft. Wir erreichen und binden auch unsere Mitglieder und Interessierten, die sich mit uns im Sozialen Netzwerk „befreundet“ haben. Wir machen uns gegenseitig auf interessante Seiten und Beiträge aufmerksam. Wir verweisen auf die Inhalte befreundeter Institutionen, die in unser eigenes Profil passen und die wir unterstützen wollen. Auch bei frauenrelevanten gesellschaftlichen Themen sind die Sozialen Netzwerke häufig aufgesuchte Umschlagplätze für Meinung und Information. Das kann die kritische Auseinandersetzung mit den Freihandelsabkommen TTIP und CETA im Rahmen des Verbraucherschutzes sein oder das Voranbringen von mehr weiblichen Abgeordneten im bayrischen Bündnis „Parité in den Parlamenten“. Es kann der Kampf gegen Gewalt an Mädchen und Frauen sein oder eine Pressemitteilung aus dem Frauen- oder Umweltministerium oder die Begleitung des Equal Pay Day. Unsere Bandbreite ist wirklich groß. Wenn ein Frauenverband eine kleine Gruppe interessierter Frauen in Haupt- und Ehrenamt zusammenbringt, kann das im Effekt in den Sozialen Netzwerken eine ganz schön starke Vernetzung ergeben!

Es ist nicht ganz einfach, zum Mitmachen zu motivieren – die Medienaffinität ist verschieden stark ausgeprägt. Angst vor Zeitverschwendung und mangelndem Datenschutz sind stets die Haupthindernisse. Und auch bei den Nutzerinnen im eigenen Verein überwiegt die Konsumentinnenhaltung: aufnehmen und mitnehmen. Da ist der Weg zum Mitgestalten zunächst noch weit. Wenn aber die Gelegenheit da ist, mit anderen an so einer Seite mitzumachen und am Bild des eigenen Vereins in den Sozialen Netzwerken mitzustricken, kann das Spaß machen und sogar Begeisterung auslösen.

Die Sozialen Netzwerke sind schnell und quicklebendig. Wenn wir dort unsere Inhalte einstellen und auf unsere Anliegen aufmerksam machen, erreichen wir unsere Nutzerinnen und Interessierten sehr schnell. Unsere Beiträge sind mit dabei, wenn sich Frauen informieren. Mitmachen in den Sozialen Netzwerken ist nicht die einzige Art der Kontaktaufnahme und Mitgliederpflege, aber es ist ein zusätzliches Mittel – also Medium.

Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern, hieß es früher. Das gilt für veraltete Homepages und Internetauftritte genauso. Ein soziales Netzwerk ist wie ein Haustier: Das will gefüttert werden! Ein Account in einem sozialen Netzwerk braucht ständig neues Material, sonst wird er vergessen. Dem Frauenverband passiert genau das, was er nicht wollte: Er gilt als irrelevant und wird nicht mehr wahrgenommen. Aber andersherum wird ein Schuh draus: Wir können wichtig sein und werden als interessant und vielleicht sogar spannend wahrgenommen, wenn wir es schaffen, auf dieser Welle mitzusurfen und aktuelle Informationen über uns und unsere Themen immer wieder neu darzustellen.

Ein Warnhinweis sollte allerdings auch auf dieser Packung stehen: Vorsicht! Sich in virtuellen Welten zu bewegen kann weltfremd und alltagsuntauglich machen, es droht ein schleichender Realitätsverlust. Die unendliche Welt, die sich im Viereck des Displays auftut, ist so groß und bunt, dass sie eine gewaltige Sogkraft entfaltet, in der frau verloren gehen kann. Auch da ist Orientierung und eine durchaus kritische Begleitung gefragt. Und dann die drei einfachen Schritte, die zu einer gedeihlichen Frauenverbandsseite in einem Sozialen Netzwerk zu gehen sind, machen: sich trauen – Team bilden – sich vernetzen. And action!

Dr. Bettina Marquis, geb. 1963, ist Historikerin und Dozentin in der Erwachsenenbildung, Sie ist Mitglied im Vorstand der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft Medien des Deutschen Evangelischen Frauenbundes, Landesverband Bayern e.V. (EAM)

DEF in Sozialen Netzwerken
https://www.facebook.com/DEF.Landesverband.Bayern?fref=ts
https://www.facebook.com/pages/
Evangelische-Arbeitsgemeinschaft-Medien/ 184246821715038?fref=ts
http://www.seniorbook.de/firmen-und-vereine/seiten/deutscher-evangelischer-frauenbund-bayern/ 94459

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