Ausgabe 2 / 2010 Frauen in Bewegung von Sarah Käßmann

Charlotte Corday – die Mörderin Jean Paul Marats

Aus politischer Überzeugung

Von Sarah Käßmann


Frauen morden im Vergleich zu ihren männlichen Artgenossen sehr selten – das gilt als statistisch erwiesen. Politischen Mord begehen sie noch deutlich seltener. Die Mörder von Martin Luther King, John F. Kennedy, Indira Gandhi oder Sadat, um nur einige prominente Beispiele zu nennen, waren allesamt Männer.

Sicher erregte der Mord, den Charlotte Corday verübte, gerade deswegen ein so großes Aufsehen, weil einer Frau eine so kalte Tat nicht zugetraut wurde. Zudem gehörte es – auch zur Zeit der Französischen Revolution – nicht
gerade zur Normalität, dass Frauen sich politisch engagierten. Eine Frau, die aufgrund ihrer politischen Überzeugung mordete, muss damals noch außergewöhnlicher erschienen sein, als heute.

Charlotte Corday aber wurde 1793 zur Mörderin. Sie vollzog ihre Tat ohne Zögern und äußerst brutal. Was brachte die junge Charlotte, noch keine fünfundzwanzig Jahre alt, dazu, einen Mord zu begehen?

Die Täterin

Marie Anne Charlotte Corday d´Armont wird als Tochter einer verarmten Adelsfamilie am 27. August 1768 in der Normandie geboren. Nach dem frühen Tod der Mutter bringt der Vater die vierzehnjährige Charlotte Corday zusammen mit ihrer Schwester im Benediktinerinnenkloster Abbaye-aux-Dames in Caen unter. Das Kloster gilt zu jener Zeit als hervorragende Ausbildungsstätte für die lokale Bourgeoisie und Aristokratie. Im Kloster kommt sie zum ersten Mal mit den Ideen der Aufklärung in Kontakt und ist begeistert. Auch nach dem Ende ihrer Schulausbildung bleibt Charlotte Corday zunächst in den Diensten des Klosters, da ihr die Umgebung gut gefällt. Als im Zuge der Französischen Revolution am 13. Februar 1790 alle Klöster aufgelöst werden, kommt sie bei ihrer Tante unter.

Charlotte Corday ist der Revolution, die 1789 begonnen hat, gegenüber sehr aufgeschlossen und befürwortet eine republikanische Verfassung nach altrömischem Vorbild. 1793, gerade einmal 24-jährig, ermordet sie Jean-Paul Marat.

Das Opfer

Jean Paul Marat, geboren am 13. Juli 1743 in Boudry, heute Kanton Neuchâtel (Schweiz), ist Arzt und Publizist. Im August 1792 schließt er sich den radikalen Jakobinern an – eine der Parteien im Nationalkonvent. Von ihm stammt der Satz, man werde nichts ausrichten, wenn man nicht zuvor einige tausend Aristokratenköpfe abschlüge. Schnell wird er zu einem der einflussreichen Delegierten des Nationalkonvents und auch Präsident der Jakobinischen Partei. Die radikalen Jakobiner verdrängen die gemäßigten Girondisten, deren Anhängerin Charlotte Corday ist, aus Paris und aus dem Nationalkonvent. Sie suchen Zuflucht in Caen, werden von den Jakobinern aber weiter erbarmungslos gejagt und umgebracht.

Marat befürwortet die Gewalt gegen die bürgerlichen Girondisten und stachelt zu immer weiteren Morden an. Zur Durchsetzung seiner politischen Ziele ist ihm jedes Mittel recht. Er schreckt auch nicht davor zurück, die Namen von vermeintlichen Revolutionsgegnern zu veröffentlichen und sie so der Rache des Volkes auszuliefern.

Die Tat

Den Mord an Jean Paul Marat plant Charlotte Corday akribisch. Am 9. Juli 1993 fährt sie mit einer Postkutsche nach Paris und besorgt sich ein Hotelzimmer. In Paris kauft sie ein Küchenmesser mit einer 20 cm langen Klinge. Sie plant, Jean Paul Marat am 14. Juli – am Jahrestag der Revolution – in aller Öffentlichkeit im Konvent zu erstechen.

Dann aber muss Charlotte Corday erfahren, dass Marat krank ist und das Haus nur noch selten verlässt. Also disponiert sie um. Sie besorgt sich seine Adresse, fährt am Morgen des 13. Juli zu seiner Wohnung und verlangt, eingelassen zu werden. Marats Lebensgefährtin, Simone Evard, lässt sie jedoch nicht in die Wohnung. Der Plan scheint gescheitert.

Doch Charlotte Corday bleibt fest zur Tat entschlossen. Sie kündigt ihren Besuch bei Marat schriftlich an und lässt verlauten, dass sie die Namen einiger Girondisten aus Caen preisgeben könne. Die Antwort wartet Charlotte Corday nicht ab. Noch am Nachmittag desselben Tages fährt sie erneut zu Marats Wohnung. Wieder will Marats Lebensgefährtin Charlotte Corday den Einlass verweigern, es kommt zum Streit zwischen den beiden Frauen. Erst auf Marats ausdrückliches Geheiß lässt Simone Evard Charlotte Corday eintreten und geleitet sie zu Marat.

Jean Paul Marat wird von einer schlimmen Hautkrankheit gepeinigt und sitzt daher mit nassen Lappen um Kopf und Schultern in der Badewanne. Er notiert sich die Namen der Girondisten, die Charlotte Corday preisgibt – deren Tod wäre gesichert gewesen. Daraufhin muss Charlotte Corday plötzlich das unter ihrem Schal verborgene Messer hervorgezogen und so kräftig auf Marat eingestochen haben, dass dieser in den Armen seiner Lebensgefährtin verblutet, bevor Hilfe geholt werden kann.

Charlotte Corday bleibt am Tatort und unternimmt keinen Fluchtversuch. Sie wird verhaftet und abgeführt. Bei der Vernehmung gibt sie an, alleine gehandelt zu haben.

Nach eigener Aussage wollte Charlotte Corday einen der Hauptverantwortlichen für den Bürgerkrieg beseitigen. Ihr Ziel war, das Morden zu stoppen – und sie glaubt, ihr Ziel mit dem Tod Marats erreicht zu haben.

Die Tatfolgen

Der Prozess dauert nicht lange. Nur vier Tage später, am 19. Juli 1793, wird Charlotte Corday hingerichtet. Mit geschorenen Haaren und in einen roten Umhang gehüllt, wird sie vom Gefängnis zum Place de la République, dem heutigen Place de la Concorde gebracht. Sie stirbt unter der Guillotine.

Mit ihrer Tat hat Charlotte Corday das Gegenteil von dem erreicht, was sie gewollt hatte. Jean Paul Marat wird zum Märtyrer. Und sein Tod stachelt den Fanatismus der Revolutionäre unter Führung von Robespierre nur weiter an, noch viele Girondisten werden in der Folge ermordet. Charlotte Corday hatte die Situation falsch eingeschätzt und ihr Leben umsonst gegeben.

Dennoch – vielleicht auch gerade deswegen – hat Charlotte Corday mit ihrer tragischen und für eine Frau ungewöhnlichen Tat viel Kunst inspiriert, unter vielem anderen ein Gedicht des Lyrikers Friedrich Gottlieb Klopstock oder das Bild des Malers Paul Jacques Aimé Baudry. Bereits 1793, noch im Jahr des Geschehens, entsteht das erste Drama über die Ermordung Marats. Dass dieser Mord aus politischen Gründen seine Faszination bis heute nicht verloren hat, zeigt „Die Verfolgung und Ermordung Jean Paul Marats, dargestellt durch die Schauspielgruppe des Hospizes zu Charenton unter Anleitung des Herrn de Sade“, ein 1964 zum ersten Mal aufgeführtes Drama von Peter Weiss.

Sarah Käßmann, geb.1982, hat Politikwissenschaft in Marburg, Rennes und Berlin studiert. 2008/2009 hat sie als Referentin für Gerechtigkeit und gesellschaftliche Verantwortung in der Geschäftsstelle der EFiD in Hannover gearbeitet, bevor sie in Berlin die Büroleitung für Viola von Cramon, MdB (Die Grünen) übernahm.

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