Alle Ausgaben / 1999 Frauen in Bewegung von Gesine Boerma-Röskens

Coco Chanel

Inbegriff der modernen Frau

Von Gesine Boerma-Röskens

Coco Chanel – wer denkt bei diesem Namen nicht sofort an das kragenlose Kostüm aus Jersey oder Tweed mit golden Knöpfen und der geflochtenen Borte um die Jackeneinfassung, oder an das Parfum, das ihren Namen trägt?

Coco Chanel- eine Frau, die Modegeschichte gemacht hat. Sie hat die Mode revolutioniert. Sie wandte sich gegen eine Modediktatur, die sich nicht um die Bedürfnisse des weiblichen Körpers kümmert, sondern Mode um ihrer selbst willen betreibt und dabei nur auf neue und interessante Stile achtet.

Coco Chanel dagegen hat die Frauen und deren Bedürfnisse in den Mittelpunkt ihrer Mode gestellt. Für sie war es wichtig, daß Frauen sich ungezwungen in ihrer körperfreundlich geschnittenen und vor allem ohne Korsett zu tragenden Kleidung aus legerem, leichtem Material bewegen konnten. Zweckmäßig und ästhetisch ansprechend sollte die Mode Coco Chanels sein. Sie plädierte gegen eine rein dekorative, von Männern abhängige Weiblichkeit der Mode. Zur Legende geworden ist „die Chanel“ wohl vor allem, weil sie selbst in ihrer Person den modernen Stil und die Lebensweise der neuen Frau“, für die sie Mode machte verkörperte.

Coco Chanel – eine moderne, berufstätige Frau, die Wert darauf legte, von niemandem abhängig zu sein, eine „Self-made-woman“, die von einer Verkäuferin und Sängerin in Garnisonscafés zur Besitzerin eines Modeimperiums wurde.
Gabrielle Chanel wird 1883 als uneheliches Kind armer Eltern im Hospiz eines Armenhauses in der französischen Provinz geboren. Nach dem frühen Tod der Mutter wächst Gabrielle, zusammen mit ihren Schwestern, auf Kosten der Fürsorge in einem Kloster auf, wo sie die damals für junge Frauen üblichen hausfraulichen Fähigkeiten lernen muß.
Nach Beendigung der Schulzeit arbeitet sie als Verkäuferin in einem Aussteuergeschäft und versucht sich nebenbei den Traum vom Ruhm zu erfüllen, indem sie als Sängerin in Konzertcafés auftritt. Diese Tätigkeit bringt ihr auch den Namen ein, unter dem sie später weltberühmt wird: Coco. Ein Spitzname der aus den Refrains zweier Lieder entsteht, die sie vorträgt: “ Ko-Ko-Ri-Ko“ und „Qui qu'a vu Coco“.
Mit 22 Jahren geht Coco Chanel eine Beziehung mit dem Infanterieoffizier Etienne de Balsan ein und lebt mit ihm zusammen auf seinem Landgut. Obwohl de Balsan bereits eine Mätresse hat und Coco niemals erwarten konnte, seine Ehefrau zu werden, war diese Beziehung für sie die einzige Chance ihrer schäbigen Vergangenheit und der Mittelmäßigkeit zu entgehen.
In dieser Zeit wird wohl auch der Grundstock gelegt für Cocos späteren Erfolg als Modeschöpferin.
Coco Chanel wird zu einer begeisterten Reiterin, die  – anders als die Damen jener Zeit – nicht mit Reitkleid im Damensitz, sondern gerne auch bekleidet mit Jockeyhosen und Hemdbluse im Herrensitz reitet. Sie trägt die Kleidung ihres Liebhabers, die ihr bequem und schön erscheint, im Gegensatz zu den damals oft üppig dekorierten Damenkleidern. Der Reitsport mag ihr eine Ahnung davon vermittelt haben, wie bequeme und zweckmäßige Kleidung für Frauen aussehen könnte.
Da sich Coco Chanel nach einer Beschäftigung sehnt, beginnt sie Damenhüte herzustellen: schlichte, fast ungeschmückte und vergleichsweise kleine Hüte, die dem Gesicht der Trägerin schmeicheln. Auch hier schon fällt die betonte Schlichtheit der Kreationen Chanel im Gegensatz zu den damals ausladenden und mit vielem Zubehör geschmückten Damenhüten der Zeit auf.
Coco Chanels Kreationen haben Erfolg. Und so eröffnet sie um 1908/09 ihr erstes Geschäft in Paris. Inzwischen ist sie mit dem Engländer Arthur („Boy“) Chapel  – der großen Liebe ihres Lebens – liiert, der sie stets in dem Bestreben nach Selbständigkeit unterstützt.

1910 mietet sie neue Geschäftsräume in der Rue Chambon in Paris an – bis heute die Adresse des Hauses Chanel -, wo sie nun auch beginnt, Kleider herzustellen. Dabei beweist sie von Anfang an großes Geschäftsgeschick: Sie trägt ihre eigenen Kreationen und läßt ihre Verwandten in den von ihr geschaffenen Kleidern für sie Werbung laufen. Auf die Frage nach der Schneiderin bietet sie der Fragenden an, zu einem hohen Preis ein ähnliches Kleidungsstück für sie herzustellen. Sie weiß sehr genau, daß ein hoher Preis die Kreationen exklusiver und begehrenswerter macht.
Coco Chanel hat großen Erfolg bei Frauen, die schicke und sportliche Kleidung für den Urlaub benötigen. Ihre Mode entpuppt sich als zweckmäßig und schön zugleich. Ihr Erfolg wächst, so daß sie bereits 1916 in Biarritz eine zweite Modeboutique eröffnen kann. Nach dem ersten Weltkrieg setzt sich die Mode Chanels endgültig durch, da sie den neuen Lebensbedingungen der Frauen angepaßt ist. Die Frauen haben im Krieg an Selbständigkeit gewonnen und sind nun mehr und mehr berufstätig, treiben Sport, fahren Auto und besuchen kulturelle Veranstaltungen. Die neu Mode drückt auch das neue Lebensgefühl aus. Indem sie den Frauen ein neues Körpergefühl vermittelt, macht sie sie auch ein wenig freier.
Im Jahre 1924 bringt Chanel ihr erstes Parfum auf dem Markt. Das berühmte „Chanel No. 5“, bis heute ein Klassiker.
Coco Chanels Blütezeit beginnt in den 20er Jahres unseres Jahrhunderts. Sie entwirft ihre Mode und organisiert ihr Geschäft allein. Da sie weder zeichnen, noch Modeskizzen anfertigen kann, entwirft sie ihre Kleider am lebenden Modell. Sie drapiert, steckt, schneidet, zupft und näht bis das Modell, das stundenlang stillstehen muß, vor Müdigkeit umfällt. Dieser Prototyp eines Kleides wird dann später von den (schlecht bezahlten) Näherinnen in „echte Kleider“ umgewandelt.

Coco Chanel, die zwar immer die Bedürfnisse der Frauen in den Mittelpunkt ihrer Mode stellt, kümmert sich allerdings weniger um die Bedürfnisse ihrer (zumeist weiblichen) Angestellten. Darin ist sie zu sehr Unternehmerin. Zudem hängt die Einstellung der Chanel ihren Angestellten gegenüber auch mit ihrer eigenen Biographie zusammen: sie selbst hat es ja auch aus eigener Kraft geschafft, warum sollen es andere leichter haben. Sie will nicht an ihre elende Jugend erinnert werden. Sie hat jetzt Macht, Geld und Ansehen und will das auch genießen.
Während des 2. Weltkrieges bleibt das Geschäft Chanel geschlossen. Erst 1954 erscheint wieder eine neue Chanel-Kollektion. Und 4 Jahre später kann sie nach anfänglichen Rückschlägen wieder Triumphe in der Modewelt feiern. Man gesteht ihr den „wichtigsten Modeeinfluß der Welt“ zu. Chanel, die bei ihrem einmal gefundenen Stil bleibt,  wird zum Inbegriff klassischer Eleganz und einer Mode, mit der frau nichts falsch machen kann. Bis zu ihrem Tod, im Jahr 1971, arbeite sie unentwegt in der Modebranche, weil sie sich sonst nach eigenen Aussagen „zu Tode gelangweilt“ hätte.

Benutzte Literatur: Gertrud Lehnert, Frauen machen Mode, Dortmund 1998

Gesine Boerma-Röskens, Sande-Dykhausen

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