Ausgabe 1 / 2009 Material von Maria S. Rerrich

Cosmobile Putzfrauen

Von Maria S. Rerrich


Maria Nowak ist inzwischen 50 Jahre alt; sie pendelt zwischen ihrer Heimatstadt in Südpolen und München seit nunmehr zwölf Jahren. Vor der Wende hat sie als Verwaltungsangestellte bei einer polnischen Behörde geabeitet. (…) In Polen hat sie zwei Kinder, inzwischen 17 und 21 Jahre alt, und wenn sie nach Hause kommt, geht es weiter mit der Hausarbeit – sie kocht vor und macht Großputz in der eigenen Wohnung. (…) Gäbe es nicht einige unvorhergesehene Probleme, wäre Maria Nowak mit dieser Lebensweise zufrieden, denn durch das langjährige Pendeln ist es ihr gelungen, ihrer Familie einen überdurchschnittlichen Lebensstandard zu ermöglichen. Jedoch wurde die dadurch veränderte Machtbalance in ihrer Ehe zu einer großen Belastung. Ihr arbeitsloser Mann begann zu trinken und hat sich nicht so um die Kinder gekümmert, wie Frau Nowak das für nötig hielt. Als er schließlich den von ihr mühsam zusammengesparten Wagen in volltrunkenem Zustand zu Schrott gefahren hat, warf sie ihn aus der Wohnung und beschäftigte einige Zeit selbst eine Haushaltshilfe gegen Bezahlung – eine Rentnerin, die in ihrer Abwesenheit in ihrer Wohnung gewohnt und ihre Kinder versorgt hat. (…)

Die Rentnerin, die Frau Nowaks Abwesenheit auffangen sollte, ist ein Teil der von Arlie Russel Hochschild als global care chain (globale Fürsorgekette, d. Red.) beschriebenen weltweiten Abhängigkeit von Frauen untereinander. Frauen versorgen Familien von Frauen, die migrieren, um die Familien von Frauen zu versorgen, die berufsbedingt nicht zu Hause sein können oder wollen. (…) Die Wahrscheinlichkeit (ist) groß, dass nicht primär die verstärkte Beteiligung des Mannes an Haus- und Familienarbeit einer Frau die Teilhabe am Berufsleben ermöglicht, sondern dass eine oder mehrere andere Frauen – von der Großmutter über Mütter aus der Nachbarschaft bis zur Tagesmutter, zur Babysitterin oder eben auch der Putzfrau aus einem anderen Land – die wichtigste Entlastung darstellen werden. Aber in der öffentlichen Debatte gehen fast alle mit dem Thema „häusliche Arbeit“ absurderweise meist weiterhin so um, als wäre die gelungene (oder auch misslungene) Arbeitsteilung innerhalb der Paarbeziehung die einzig relevante Frage. (…)

Die Dienstbotenfrage des 21. Jahrhunderts ist also nicht nur eine Frage der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung, sondern sie wird immer stärker auch zu einer Frage der internationalen Arbeitsteilung. Hierbei wirken mehrere Faktoren zusammen. Zum einen gibt es ein schier unerschöpfliches Angebot an Arbeitskräften in aller Welt, die bereit sind, Haushaltsarbeit in reichen Ländern wie Deutschland gegen Bezahlung zu verrichten. (…) Zum anderen wird die Migration dieser Arbeitskräfte von politischer Seite gefördert, denn das Phänomen des massenhaften Angebots an ausländischen Haushaltshilfen ist kein „zufälliges“, und es ist auch keines, dass sich „gegen“ geltende gesellschaftliche Strukturen durchsetzt. (…) Die gegenwärtige Politik ist meines Erachtens nicht nur dafür verantwortlich, dass die Arbeitskraft der cosmobilen Haushaltshilfen verfügbar gehalten wird, sondern auch dafür, dass dies in einem bestimmten Zuschnitt – nämlich vorwiegend entweder als marginalisierte und/oder als illegale – geschieht.


Anmerkung der Redaktion: Das Buch von Maria S. Rerrich informiert in neun Kapiteln zu zentralen Aspekten der Arbeitsmigration von Frauen – differenziert, übersichtlich und dabei in einer allgemein verständlichen Sprache. Eine ideale Hinführung zum Thema.


Maria S. Rerrich

Auszüge aus:
Die ganze Welt zu Hause. Cosmobile Putzfrauen in privaten Haushalten
© 2006 by Hamburger Edition

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