Ausgabe 2 / 2015 Material von Michael Winkelmann

Counterstrike im Religionsunterricht?

Von Michael Winkelmann

Die Rezeption von Computerspielen ist eine sinnliche ­Erfahrung. Spielerinnen und Spieler sehen das Geschehen auf dem Bildschirm, das durch Geräusche, Musik und ­Gespräche unterstützt wird. Die Gamepads vieler Spielekonsolen verfügen mittlerweile über Vibrationsfunktionen, sodass das jeweilige Spiel auch „gefühlt“ werden kann. Beim Spielen eines Computerspiels wirken also unterschiedliche sinnliche Erfahrungen. Der Theologe Karl Rahner (1904-1984) hat darauf hingewiesen, dass „alle religiöse Erfahrung von einer sinnlichen Erfahrung ausgeht und nur vollzogen werden kann in einer auch immer mitgegebenen … Hinwendung zu einer sinnlichen Anschauung“. … Wenn aber sinnliche Wahrnehmung für christlich-religiöse Erfahrung eine so große Bedeutung hat, dann muss sie in Form von ästhetischer Bildung im Bereich religiöser Bildung ihren Platz finden?…

Ästhetik und Ethik bilden eine Schnittmenge. … Wie Computerspiele ethische Urteilskompetenz fördern können, soll am Beispiel des Indie-Hits „Papers Please“ (Lucas Pope 2013) gezeigt werden. … Die Handlung ist in einem fiktiven totalitären Staat namens „Arstotzka“ angesiedelt. Die Spielerin oder der Spieler schlüpft in die Rolle eines namenlosen Grenzkontrolleurs, der darüber entscheiden muss, wer in das Land einreisen darf und wer nicht. Die Einreisebestimmungen (Visa, Passierscheine, besondere Vorsicht bei Terrorgefahr …) ändern sich dabei fast täglich. Die Spielhandlung besteht ausschließlich darin, über das Schicksal der Menschen zu entscheiden, die an der Grenze um Einlass bitten. Das geschieht, indem die Reisenden befragt werden. Außerdem müssen ihre Pässe untersucht werden, ihre Gesichter mit Fahndungslisten abgeglichen werden usw. Jeder Fehler wirkt sich auf die eigene Familie aus, da der Spieler nach „Erfolg“ und Schnelligkeit bezahlt wird. Am Ende eines jeden Tages müssen Miete bezahlt, Essen und Medikamente gekauft werden.
Trotz seiner Einfachheit zieht das Spiel in seinen Bann und führt dem Spieler/der Spielerin radikal vor Augen, wie anfällig der Mensch für Autorität ist. Jede „barmherzige“ Geste wird bestraft und schnell findet man sich selbst als kleines Zahnrad im Getriebe eines totalitären Staates wieder. „Papers Please“ … berührt denjenigen, der sich darauf einlässt. Es lädt zur Reflexion über die eigenen Werte und der Frage nach gutem/richtigem Handeln ein.

aus:
„Gott spielt Counterstrike am Computer“ – Computerspiele und religiöse Bildung
in:
S. Bischoff, A. Büsch, G. Geiger, L. Harles (Hgg.):
Was wird hier gespielt? Computerspiele in Familie 2020
© 2015 Verlag Barbara Budrich Opladen, Berlin & Toronto S. 140ff
www.budrich-verlag.de

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