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Dä leeve Godd es doch nit esu!

Von Wolfgang W. Bonn

Gemessen an der Unterdrückung des christlichen Lachens vom 4. bis 10. Jahrhundert … kann man der Mentalität des kölschen Menschen in Hinblick auf sein humoriges, oft die Angst vor kirchlichen Strafen neutralisierendes Wesen ein großes Lob aussprechen. … Die subjektiv beruhigende, für Nicht-Rheinländer etwas respektlos anmutende kölsche Leitlinie im Gegensatz zur strengen Kirche: Der leeve Godd süht alles. Hä deit ävver nix verrode. …

Die Furcht vor dem strafenden Gott beherrschte den mittelalterlichen Christen über Jahrhunderte. Die drastischen Darstellungen des Jüngsten Gerichts in den Tympana vieler romanischer Kirchen schürte peinigende Ängste und Furcht vor Höllenqualen. Unvorbereitet ohne Beichte und priesterliche Lossprechung zu sterben, beschäftigte den Menschen dieser Zeit ohne Ende.  … Zur Beruhigung stand am Ausgang vieler Kirchen der Heilige Christophoros, bei dessen Anblick dem Gläubigen am gleichen Tag kein plötzlicher und unvorhergesehener Tod ereilen konnte. Ein Tranquilizer erster Güte – denn eines war klar: Wenn de Zigg aan et Engk kütt, deit de Iwigkeit aanfange, un iwig doort am längste! Christen, die vermögend waren und zusätzlich eine außerordentliche Reputation genossen, ließen sich dort beerdigen, wo die Kanonici und Mönche zum Stundengebet vom Kreuzgang aus in den Chor zogen. Nur die immer wiederholt gesprochenen Gebete und Fürbitten, so der feste Glaube des mittelalterlichen Menschen, konnten Rettung im Jenseits bringen. … Sozial denkende rheinische Christen hatten für dieses Gehabe der Reichen wenig Verständnis. Sie aktivierten und bauten ihr eigenes Luftschloss vom göttlichen Jenseits. Die lange kirchliche Tradition spielte dabei eine wichtige Rolle, und der stets als nah empfundene Himmel wurde liebenswürdig vermenschlicht. So fühlte sich der Kölner als Mitbürger der Heiligen und als Hausgenosse Gottes. Das gab Orientierung und Halt in seinem Leben. Vertrautes Wissen: Et Himmelspöözche, dat es en Pooz en Kölle. (Verständlich, denn Köln was das „Abbild des Himmlischen Jerusalems“.)

Mit dieser fest gefügten Vorstellung vom Jenseits konnte der Kölner nicht glauben, dat singe leeve Godd die weniger Begüterten und einfachen Leute, die sich keine teure „Versicherung“ leisten konnten, vernachlässigen würde. Das entscheidend Christliche bestand für ihn in der Botschaft, dass alle Menschen unterschiedslos Adressaten einer unbedingten Zuwendung Gottes waren. Also überlegte er zur eigenen Entspannung mit viel Witz und Humor, wie Petrus nach dem Tod eines spendablen aber sündhaften Menschen urteilen würde. Himmlischer Richterspruch, natürlich im kölschen Originalton: Egal, wat do gespendt häs, do küss en de Höll! Dat ville Geld ävver krisste widder. Mit dieser kölsch-grielaachenden (schadenfrohen) Art neutralisierte er die von der mittelalterlichen Kirche induzierte Furcht vor Strafe und schaffte sich gleichzeitig sein eigenes und sehr persönliches Himmelreich mit viel Zuversicht. … Nach der klärenden Reformation bestätigte sich dem Kölner der soziale Gedanke im Christentum. Auf den tiefen christlichen Glauben kam es an, nicht auf einen vollen Geldbeutel als Schutz vor Fegefeuer und Höllenqualen. Diese Tendenz kam seiner pragmatischen Lebensweise auch sehr entgegen, weil dat Gläuve vill billiger wor wie dat Spende. … Von großem Wert war zusätzlich, dass der Kölner in seinem kurzen Leben keinen strafenden, sondern einen die Menschen liebenden und verzeihenden Gott kannte. Das bestätigte auch der frühere Kardinal Frings bei der Einführung seines Nachfolgers, Joseph Kardinal Höffner. Diesem sagte er: Seit vielen Jahren predige ich den Kölnern, sie sollten anständig leben und die Gebote Gottes halten. Aber immer sagen sie: „Der leeve Godd es doch nit esu!“ Was soll ich dir sagen, Joseph? Umso länger ich bei den Kölnern bin – ich glaube, sie haben doch recht!

Im Rheinland geht es nicht um den Witz, den man macht, sondern um den Witz, den man hat. Bei der Zusammenführung sich widersprechender Ideen, wie gerade im Bereich der Religiosität und des zu praktizierenden Lebens, war fröhliche Phantasie gefragt. … Eine Domäne des Kölners, denn: Das Schmunzeln ist eine Gnade, von der die Theologen leider nicht schreiben.

Auszüge aus:
Kann Lachen Sünde sein?
Eine Analyse der unkomplizierten kölschen Mentalität, gemessen an der mittelalterlichen Entwertung des Lachens durch die Kirche
5. Aufl. 2013
© Harmonieverlag Dr. Bonn
Buchhandlung Kösel am Dom, Roncalliplatz

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