Ausgabe 1 / 2010 Andacht von Ulrike Oettel

Das Feld ist weiß

Andacht zum Lob Gottes, des Schöpfers

Von Ulrike Oettel


Lied: Das Feld ist weiß (EG 513)
je nach Gruppe die Melodie spielen/hören oder einige Strophen singen

Erinnern Sie sich an ernteschwere Getreidefelder in Ihrer Kindheit, im Urlaub, bei einem Sonntagsspaziergang? Oder wohnen Sie auf dem Land und haben das ganze Jahr über diesen Kreislauf von Wachsen-Reifen-Ernten-(Brachliegen)-Neubestellen vor der Haustür: den braunen Mutterboden, die grünende Saat, das leuchtende Ährengold, schließlich das weiße Feld und wieder die braune Erde?

Ein Feld mit sich im Wind neigenden gelb-braunen Halmen und Ähren erscheint im gleißenden Sonnenlicht tatsächlich weiß wie ein wogendes weites Meer. Das Lied singt von dem weißen Feld im Spätsommer oder Herbst. Strophe an Strophe reihen sich ausdrucksstarke Bilder, die weit über das Schauen der Natur hinausgehen. Wachsen, Reifen und Ernten in der Natur führen hin zu dem Bild für das menschliche Werden und Vergehen. Anfang und Ende, Leben und Tod, Himmel und Erde, Trauer und Freude besingt es als Pole beziehungsweise als wiederkehrenden Kreislauf.

Frauen, die ihre Wurzeln in Ostpreußen haben, wird das Lied ans Herz gewachsen und vertraut sein. In manchen Gemeinden ist es wenig bekannt. Der Text braucht ein Über-setzen, zeitlich wie räumlich: aus dem 18. ins 20. Jahrhundert, aus dem damals landwirtschaftlich geprägten, dörflichen Umfeld Masurens in unsere heutigen Dörfer und Großstädte.

Zum Text des Liedes haben wir Erinnerungen, Erfahrungen, Bilder. Auch sie wollen geerntet und eingebracht werden. Darum kann diese Andacht nur ein Zusammen-Tragen aller sein und nicht allein ein Vor-Tragen.

Hinweis für die Leiterin:
Wenn die Andacht in einer Gruppe „gottesdienstähnlich“ gehalten werden soll, können jetzt die Melodie gespielt und anschließend die Strophen der Reihe nach gelesen werden. Die Strophen werden mit einer Klangschale unterbrochen, damit Zeit für eigene innere Bilder bleibt; erst danach ergänzt die Leiterin evtl. aus den folgenden Texten.

Bei einer Gruppe, die es gewohnt ist, tauschen sich die Frauen zu je einer Strophe in Murmelgruppen aus. Anschließend wird das Lied von allen gesungen, und nach jeder Strophe ergänzt die jeweilige Murmelgruppe ihre Entdeckungen.

Ausführlichere Informationen zur Geschichte des Liedes, Überlegungen der Autorin zu Klang und Aussage des Liedes sowie methodische Möglichkeiten für die Arbeit mit dem Liedtext sind für AbonnentInnen unter www.ahzw.de / Service zum Herunterladen vorbereitet.

Das Lied „Das Feld ist weiß“ erscheint wie ein Zwiegespräch: Die Ähren sprechen – Gott spricht – die Menschen sprechen, sie geben auch ein Versprechen ab und handeln, verhandeln mit Gott. Lassen Sie uns dies jetzt versweise betrachten.

Das Feld ist weiß; vor ihrem
Schöpfer neigen
die Ähren sich, ihm Ehre zu bezeigen.
Sie rufen: Kommet, lasst die Sicheln klingen,
vergesst auch nicht, das Lob des Herrn zu singen!

Die sich vor ihrem Schöpfer verneigenden Ähren bitten regelrecht darum, abgeschnitten zu werden und fordern die Menschen auf, das Lob Gottes dabei nicht zu vergessen. Erinnert diese Strophe vielleicht auch daran, dass wir selbst reifen und zur rechten Zeit bereit für den „Schnitter Tod“ sein sollten?
Ist sie für uns heute eine Anfrage, wenn alles technisch Mögliche am Ende
eines Lebens eingesetzt wird, um das Leben zu verlängern?

Ein Jahr, Allgüt'ger, ließest du es währen,
bis uns gereift die Saat, die uns soll nähren.
Nun du sie gibest, sammeln wir die Gabe;
von deiner Huld kommt alle unsre Habe.

Im Bauernjahr wächst die Saat ein Jahr lang, um uns dann zu nähren, uns zur Gabe und Habe aus Gottes Huld zu werden. Menschliches Wachsen und Reifen braucht länger. Wissen wir auch im übertragenen Sinn um unsere Gaben, um Gottes Huld in unserem Leben?

Wenn du, Herr, sprichst dein göttliches „Es werde“,
füllt sich mit reichen Gaben bald die Erde.
Wenn du dich abkehrst, müssen wir mit Beben
in Staub uns wandeln, können wir nicht leben.

In Strophe 3 füllt die Erde sich auf Gottes schöpferisches Wort hin mit reichen Gaben. Aber auch die Erfahrung mit den Folgen der Abkehr Gottes wird benannt. Was ist es, das heute unser Leben beschwert oder uns nicht leben lässt? Und wo beschneiden wir selbst das Leben anderer durch unseren Lebensstil?

Herr, wir sind dein und wollen gern ertragen
im Schweiß des Angesichts der Arbeit Plagen;
nur segne, Vater, unsrer Hände Werke,
schenk uns Gesundheit, neue Kraft und Stärke.

Die Strophe erscheint als Verhandeln mit Gott als Vater: Die Menschen sind bereit, im Schweiße ihres Angesichtes hart zu arbeiten, bitten aber um Segen für ihrer Hände Werke, um Gesundheit, Stärke und Kraft. Sie bitten um das, was sie unmittelbar zum Leben brauchen – aber nicht um Geld und Gut. Arbeit als Plage kennen wir heute auch. Und mehr noch die Plage, keine Arbeit zu haben. Welche Gebete liegen uns am Herzen?

Wir wollen kindlich zu Gott Hoffnung hegen
und auch den Armen spenden von dem Segen;
gab er uns wenig, uns dabei bescheiden,
gab er uns reichlich, unnütz nichts vergeuden.

Versprechen, von der Ernte den Armen abzugeben, gut zu haushalten, sich zu bescheiden und den Reichtum nicht zu vergeuden: Wie aktuell diese Strophe noch immer ist! Wie reich bin ich, ideell und materiell? In welchem Maß bin ich bereit zu teilen? Wie sieht ein Leben ohne Vergeudung meines Reichtums aus? Lässt sich bescheiden leben und dabei Reichtum erfahren?

Sein sind die Güter, wir nur die
Verwalter.
Tu Rechnung spricht der Ew'ge zum Haushalter.
Wie reife Garben wird nach kurzen Tagen
der Tod uns mähen und zu Grabe
tragen.

Obwohl auch die bisherigen Strophen nicht allein als Geschehen in der Natur und in der damaligen Landwirtschaft zu verstehen sind, wird hier die Symbolik besonders deutlich. Menschen als HaushalterInnen und VerwalterInnen der Erde, deren Verantwortung angefragt wird: „Tu Rechnung“, spricht der Ew'ge. Dies ist eine Frage auch an mich – und an mein Gottes-Bild. Fürchte ich mich vor dieser Endabrechnung? Rechne ich überhaupt mit ihr? Und wird mich Gott liebevoll in die Arme schließen – wegen, vielleicht auch trotz meines Lebensweges?

Einmal wird uns gewiss die Rechnung präsentiert
für den Sonnenschein
und das Rauschen der Blätter,
die sanften Maiglöckchen
und die dunklen Tannen,
für den Schnee und den Wind,
den Vogelflug und das Gras
und die Schmetterlinge,
für die Luft, die wir geatmet haben,
und den Blick auf die Sterne
und für alle die Tage,
die Abende und die Nächte.
Einmal wird es Zeit,
dass wir aufbrechen und
bezahlen;
bitte die Rechnung.
doch wir haben sie
ohne den Wirt gemacht:
Ich habe euch eingeladen,
sagt der und lacht,
so weit die Erde reicht:
Es war mir ein Vergnügen!

Lothar Zenetti, Am Ende die Rechnung,
aus: Sieben Farben hat das Licht,
© Matthias-Grünewald-Verlag 2008

Am End nimm, Jesu, in die Himmelsscheuern
auch unsre Seelen, Sabbat dort zu
feiern.
Die hier mit Tränen streuen edlen Samen,
werden mit Freuden droben ernten. Amen.

In der letzten Strophe bitten die Beterinnen und Beter um Aufnahme in die „Scheunen des Himmels“ (Himmelsscheuern). Sie hoffen auf die Erfüllung der Zusage Gottes: Die hier mit Tränen säen, werden dort mit Freuden ernten. Kann diese Strophe Menschen trösten, die unverhältnismäßig viel Leid erfahren haben in ihrem Erdenleben?

Gebet
Guter Gott,
Du hast es wachsen und reifen lassen in den Gärten und auf den Feldern, die Ernte ist eingebracht. Dafür danken wir Dir und den Menschen, die dafür gearbeitet haben.
Lass uns achtsam umgehen mit dem, was wir zum Leben brauchen, lass uns unsere Lebens-Mittel dankbar zubereiten und genießen.

Guter Gott, Du hast es auch in meinem persönlichen Leben wachsen und reifen lassen im vergangenen Jahr. Manches habe ich erreicht, anderes wollte nicht
gelingen.
Lass mich achtsam und großzügig umgehen mit meinen Schätzen und annehmen, was nicht sein sollte.
Guter Gott, wir bitten Dich, sei bei allen Menschen auf unserer großen weiten Welt, besonders bei denen,
die Mangel haben an notwendigen Lebens-Mitteln.

Guter Gott, still will ich jetzt vor
Dich bringen, was mein Herz bewegt,
worüber ich glücklich, wofür ich
dankbar bin… (Zeit für stilles Gebet)

Vater unser

Segen
Guter Gott,
der du uns wie ein gütiger Vater,
wie eine liebende Mutter
nährst und wachsen lässt
und uns täglich Brot gibst:
Sei mit mir auf meinem Lebens-Weg,
sei mit mir in allen Jahres-Zeiten meines Lebens.

Guter Gott, segne Saat und Ernte.
Segne die uns anvertrauten Gaben
Und lass sie uns verantwortungsvoll
zum Wohle aller einsetzen.
Amen.

Idee zum Mitnehmen: auf ein (Feld-) Foto oder ein vorbereitetes kleines farbiges Blatt eine Strophe des Liedes schreiben, die mich besonders anspricht, und mit Magnetstreifen an die Kühlschranktür (mein „Scheunentor“) heften. Gruppen, die nicht gern schreiben, freuen sich gewiss über eine fertig gestaltete Strophe (mit Magnetstreifen).

Zum Abschluss einige Verse oder Lied noch einmal singen.


Ulrike Oettel, geb.1948, ist Religionspädagogin und Erwachsenenbildnerin und wohnt in Lohmen / Sachsen. Sie ist Mitglied im Redaktionsbeirat der ahzw.

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