Ausgabe 1 / 2016 Bibelarbeit von Bärbel Fünfsinn

Denn sie werden das Land erben

Bibelarbeit zu Matthäus 5,5

Von Bärbel Fünfsinn

Selig sind die Armen – Ich denke an meine Freundin, die aus dem Kongo stammt und dort zwei Kinder zurückgelassen hat. Die 19-jährige Tochter ist schwer krank und wird in Kinshasa schlecht versorgt. Seit drei Jahren lebt sie mit zwei weiteren Kindern in Hamburg. Ihr Mann und sie verdienen zu wenig Geld. In den Deutschkursen kommt sie nur mühsam mit. Zu viele Sorgen belasten sie. Ist sie selig?

Selig sind die Trauernden – Ich denke an meinen Freund Rafael und seine drei Töchter. Vor zwei Wochen starb Rafaels Frau Norma. Drei Monate war sie im Krankenhaus; die ÄrztInnen fanden die Ursache ihrer Erkrankung nicht. Die älteste Tochter ist gerade 15 Jahre alt. Rafael erzählt, dass sie abends und morgens weinen. Sind sie selig?

Selig sind die Sanftmütigen – Ich denke an Hunderttausende von Flüchtlingen, die auf abenteuerlichen Wegen von Afghanistan, Äthiopien, Syrien nach Deutschland kommen. Sie fliehen vor den Kriegen und ihren Folgen. Sie machen nicht mit bei den militärischen Auseinandersetzungen, werden nicht Mitglieder von Räuberbanden. Sie verlassen ihre Heimat und hoffen auf eine neue Chance. Sind sie selig?

Die meisten von uns wissen, dass es in den Seligpreisungen nicht um eine Vertröstung geht. Dies wurde jedoch lange gelehrt: Hier und heute sind Menschen arm, traurig, sanftmütig. Später im Jenseits, nach dem Tod, oder vielleicht irgendwann sogar noch in diesem Leben, aber auf jeden Fall erst „später“ werden sie ganz in Gottes Reich sein, wo Armut, Trauer und Gewalt überwunden sind. Diese Hoffnung auf ein Später oder ein Jenseits ist nicht ausgeschlossen – aber der Fokus liegt ja auf dem Präsens: Selig, glückselig, glücklich sind die Armen, die Trauernden und die Sanftmütigen. Jesus beziehungsweise die Evangelien, Matthäus und auch Lukas, betonen das Jetzt. Selbst wenn jetzt davon nichts zu sehen und zu merken ist.

Selig

Selig – makários: Wie ist dieses griechische Wort zu verstehen? Ein jüngerer Kommentar meint, dass das englische happy am treffendsten sei. Das deutsche glücklich fasst es nicht ganz, die Bibel in gerechter Sprache wählt glückselig. Jedenfalls geht es um handfestes Glück, und zwar nicht erst „später“. Die Menschen, die in den Seligpreisungen angesprochenen sind, werden beglückwünscht. Im Englischen beginnen sie deshalb mit: blessed are. Das Gesegnet-Werden schwingt bei dieser Übersetzung noch mit.

Arme, Trauernde und Sanftmütige – meine Freundin, Rafael, die Flüchtlinge, sie alle müssen sich nicht glücklich fühlen – wie auch? Jedoch preist Jesus sie glücklich, segnet sie und wünscht ihnen Heil, Shalom, Wohlergehen. Das nackte Gesicht der Armut, die Trauer um verlorene liebe Menschen: das sind sehr schwere und teilweise unerträgliche Zustände, die nicht beschönigt werden. Diese Seligpreisungen erinnern an Versprechen und Botschaften aus dem Ersten Testament. Gott verspricht, gerade mit denen zu sein, die nichts mehr vorweisen können, den Mächtigen ausgeliefert sind, zerbrochene Herzen haben. Gott ist dennoch da, dafür steht ihr/sein Name – ich bin da. Ist ganz nahe bei denen, die ganz unten sind:

Denn so spricht Gott, hoch und erhaben,
für immer wohnend, heilig ist der Name:
Ich wohne in der Höhe und im Heiligtum
und bei denen, deren Geistkraft
zerschlagen und gebeugt ist,
damit ich die aufleben lasse,
deren Geistkraft gebeugt ist,
und die, deren Herz zerschlagen ist.
Jes 57,15 BigS

Jesus verfügt über ein grenzenloses Vertrauen in Gott. Nicht immer, aber doch häufig. Dieses Vertrauen erfüllt und leitet ihn. Mit großer Überzeugung segnet er diejenigen, die normalerweise – damals wie heute – in der sozialen Rangfolge unten stehen. Er spricht ihnen die Liebe Gottes zu: Ihr seid umgeben von Gottes Liebe, heute schon – mitten im Leid. Gottes Wirklichkeit ist größer als das, was ihr erlebt und seht. Und die gerechte Welt, der Trost, der Frieden – sie werden sichtbarer. Das Unrecht und die Gewalt haben nicht das letzte Wort. Einerseits ist da die Hoffnung auf eine bessere Zukunft auf der Erde und auch im Jenseits. Gleichzeitig ist da jedoch die Überzeugung, dass nichts und niemand jetzt und hier aus der Liebe Gottes fallen kann. Besonders diejenigen, die leiden, können sich auf diese Liebe als Urgrund unter allem ganz verlassen. Manche von uns haben die Wahrheit dieser Verse schon erlebt. Meistens in existentiellen Krisen. Da, wo uns alles aus den Händen gerissen wurde, wir machtlos waren, da überließen wir uns Gott am meisten und konnten manchmal etwas von ihrer/seiner überwältigenden Liebe in allem erkennen.

Die Seligpreisungen sind als Beglückwünschungen und große Zusagen zu verstehen, die schon das Erste Testament verkündigt. Jesus betont sie in der unsicheren Zeit damals und lehrt seine Mitmenschen ihre Wahrheit, ihren Trost und Zuspruch. Die üblichen Wertmaßstäbe und Beurteilungen werden in den Seligpreisungen umgekehrt. So sind sie zugleich auch ethische Leitlinien. Wer sie liest, wird gestärkt und aufgerichtet. Aber darüber hinaus geben sie Orientierung für ein Leben und Handeln nach Gottes Willen. Das wird spätestens in der dritten Seligpreisung deutlich.

Die Sanftmütigen, Gedemütigten, Gebeugten, Vergewaltigten
„Selig sind die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben.“ Mit dem Zuspruch ist ein Anspruch verbunden: der Anspruch, sanftmütig – andere Übersetzungen sagen gewaltlos – zu sein. Werfen wir zunächst einen Blick auf den geschichtlichen und biblischen Kontext.1

Die Römer haben mit Gewalt das Land an sich gebracht und beherrschen es durch ihre Waffen. Matthäus hat den ­jüdischen Krieg, seine Verwüstungen und Grausamkeiten erlebt. Der Boden des Landes gehört faktisch mächtigen Großgrundbesitzern. Wenn hier von Land die Rede ist, dann denken die Lesenden der damaligen Zeit an das Land Israel. Psalm 37,11 klingt an: Die Gebeugten werden das Land besitzen. Sie werden sich am Frieden laben. So übersetzt die Bibel in gerechter Sprache; in der Lutherübersetzung heißt es: Die Elenden werden das Land erben und ihre Freude haben an großem Frieden.

Der gesamte Psalm 37 ist ein „Manifest für die Armen und Besitzlosen“.2 Nicht den Mächtigen und Gewalttätigen soll das Land gehören, sondern den Armen, gerade denen, die enteignet wurden und mit dem Land ihre Lebensgrundlage verloren haben. Das hier verwendete Wort für Arme (ani/anaw) bedeutet wörtlich geduckt, gedemütigt, durch Gewalt klein gemacht. Das Verb wird auch für eine Vergewaltigung ­benutzt. Der alte Psalm ist also höchst aktuell, wenn er sagt, den Kaputtgemachten und Besitzlosen soll das Land gehören. Allerdings geht es weder im Psalm noch bei Matthäus darum, dass das Volk Israel allein im Land gut lebt. Dass alle in Würde leben können, besonders die Armen und Schwachen – dieser Vision wird hier Raum gegeben. Am Ende des Matthäusevangeliums heißt es: Geht hin und lehrt alle Völker, was ich euch gesagt habe. (Mt 28,29 BigS) Also sollen alle Völker lernen, dass die Kleingemachten und Gedemütigten das Land erben werden. Alle Menschen – da geht es plötzlich nicht mehr nur um Palästina/Israel, sondern um die ganze Erde.

Als Leserin aus dem Land des Menschenfressers
Und auf welchem Hintergrund lesen wir Kirchen-Frauen in Deutschland diesen Vers? Die meisten von uns gehören zur Mittelklasse, sind, jedenfalls materiell, nicht die Gebeugten und Gedemütigten. Wir sind Menschen guten Willens, die versuchen Jesus nachzufolgen.

In den 1980er Jahren bezeichnete Dorothee Sölle Westdeutschland als Land des „Menschenfressers“. Es war die Zeit, in der die Stationierung der US-Atomwaffen bei uns geplant und eine weltweite Rüstungsspirale in Gang gesetzt wurde. Der Menschenfresser war für sie die (deutsche) Rüstungsindustrie, waren die Regierungen, die zuallererst auf Waffen und nationale Sicherheit setzen, der „militaristische Dämon“, der uns alle davon zu überzeugen versucht, dass nur Härte, Angriff und Gewalt in der Welt zählen. Auch wenn wir vor 70 Jahren den letzten Krieg3 bei uns erlebten, sind wir international an vielen Kriegen beteiligt. Sei es durch politische Entscheidungen, beispielsweise dem Kampf gegen den IS-Terror, sei es durch einen der größten Wirtschaftszweige im Land, die Rüstungsindustrie, die Waffen auch in diejenigen Länder liefert, die Menschenrechte verletzen. Hinzu kommt, dass deutsche Waffen begehrte Handels- und Schmuggelobjekte sind, so dass sie überall auftauchen.

Ob wir es wollen oder nicht, unser Wohlstand wird auch dadurch gesichert. Wir leben weiterhin im Land des Menschenfressers. Die ökumenische Aktion Ohne Rüstung Leben4 prangerte im August 2015 an, dass die Waffenverkäufe im laufenden Jahr explodierten. Im ersten Halbjahr wurden Exporte im Wert von 6,35 Milliarden Euro genehmigt – nahezu der Wert des gesamten Jahres 2014 von 6,5 Milliarden. Die deutsche Außenpolitik setzt seit Jahren zunehmend auf die militä­rische Option. Die Verteidigung der Menschenrechte wird im Mund geführt, aber eigentlich – und das sagen PolitikerInnen auch, wenn frau genau hinhört – geht es um die Absicherung deutscher ökonomischer Interessen. Viele Leitende in unseren evangelischen Kirchen unterstützen die militaristische Politik, indem sie sich seitenlang über die Lehre vom gerechten Krieg auslassen und darüber den gerechten Frieden vergessen. Oder ihn, schlimmer noch, als Utopie abtun, die in den gegenwärtigen Konflikten wenig beitrüge. Die Welt ist in Unordnung, die „Guten“ müssen für Ordnung sorgen, die nationale Sicherheit wird verteidigt, Interventionen bei den „Schurkenstaaten“ und Terrorregimen sind nötig: Wer sich auf diese Argumentation einlässt, findet den Absprung nicht mehr und wird unweigerlich Teil dieser Logik. Die „Ultima-Ratio-Falle“ – Krieg als letztes Mittel – schnappt zu. Dieses Denken breitet sich auch unter ChristInnen aus. Die militärische Option bindet die Intelligenz, die Fantasie und das Geld. Sanftmütigere Optionen wie diplomatische, wirtschaftliche, zivile und präventive werden mit viel zu wenig Geld und Personal ausgestattet. „Das Konsortium Ziviler Friedendienst erhält aus Bundesmitteln 40 Millionen Euro pro Jahr. Der Verteidigungshaushalt beläuft sich auf 33 Milliarden Euro. Dem Friedensdienst steht also im Verhältnis zur Bundeswehr 0,1 Prozent zu.“5

Die Seligpreisung aus Mt 5,5 fordert uns Mittelklassefrauen heraus, weil sie einer völlig anderen Logik folgt. Hier geht es um die Option für die Armen und Gebeugten und eine Op­tion der scheinbaren Schwä­che, der Schutzlosigkeit. Gleichzeitig ist es eine Einladung, einer anderen Macht zu vertrauen und sich mit ganzem Herzen und ganzem Verstand darauf zu verlassen. Das Versprechen lautet, dass wir Menschen sanftmütig gemeinsam das Land bewohnen können. Da ist gutes Leben möglich, auch in der Zukunft. Konkret bedeutet das eine Unmenge an Aufgaben: auf eine andere Wirtschaftspolitik drängen, eine, die nicht das Land im „Süden“ aufkauft, die Rohstoffe dort plündert und Menschen ihrer Lebensgrundlage beraubt; sich für eine Friedenspolitik ohne Waffen einsetzen; einen einfachen, nachhaltigen Lebensstil pflegen; Flüchtlinge unterstützen und aufnehmen. Und so weiter.

Ihr seid das Salz der Welt. Wenn aber das Salz fade wird, womit sollen wir salzen?
Es ist völlig unbrauchbar geworden.
(Mt 5,13 BigS) Kurz nach den neun Seligpreisungen folgt dieser Vers und bestätigt den Anspruch an diejenigen, die sich in der Nachfolge Jesu sehen. Auch wenn wir nur wenig vollbringen, unser Beitrag zählt und ist wichtig. Wenige Salzkörner können eine Geschmacksveränderung bewirken.

Frei werden – frei sein
Wie können wir uns von dem militaristischen Dämon und der damit verbundenen Agentin der Macht in uns fern halten? Jesus scheint ein freier Mensch gewesen zu sein, frei von Machtstreben, frei von Gier nach Besitz, Sicherheit und damit gewaltfrei. Das Reich Gottes, eine gerechte Welt hier auf Erden, war für ihn schon da und blitzte auf. Mitten unter den Menschen und durch sie war es Wirklichkeit. Sein grenzenloses Gottvertrauen machte ihn so frei, dass er seine ZuhörerInnen lehrte: Sorget nicht, Gott sorgt für euch. Das sagte er wohlgemerkt den Gebeugten und Niedergedrückten seiner Zeit. Dem reichen Mann sagte er etwas anderes.

Gott ist die Fülle des Lebens, Gott ist der wahre Reichtum. Quien a Dios tiene, nada le falta – wer Gott hat, der fehlt nichts, so die Mystikerin Teresa von Avila. Diese Freiheit, die mit tiefer Zufriedenheit einhergeht, können wir in der Geschichte bei vielen anderen Menschen erkennen, etwa bei Franz von Assisi, Ita Ford oder Menschen heute, die jahrelang engagiert in Friedens- oder Solida­ritätsbewegungen sind, ohne depressiv und lebensmüde zu sein.

Eine Hilfe auf diesem Weg sehe ich in der Stille vor Gott. Damit meine ich eine Reise nach innen (Dorothee Sölle), so wie Jesus und viele andere sie immer wieder antraten. Sie unterbrachen sich selbst, ihren Alltag und hielten mit Gott „Zwiesprache“. Die Übung des Sitzens in der Stille ist eine Meditationsübung aus dem Buddhismus und der christlichen Klostertradition. Für eine bestimmte Zeit hält mensch inne, folgt nur dem Atem und versucht, den Körper wie den Geist ruhig zu halten. Mit dem Ausatmen lasse ich los, mit dem Einatmen werde ich wieder neu. Es geht darum, das Ego loszulassen. Zum EGO gehören auch feste Konzepte und Vorstellungen davon, wie die Welt und wie ich sein sollte. Wir sitzen vor Gott und überlassen uns dem Wirken der heiligen Geistkraft. Dieses „Leer-werden“ braucht ein ständiges Üben. Durch das „Sich-hinhalten“ können Menschen lernen, sich zurücknehmen, was nicht heißt, sich klein(er) zu machen. Sie werden offener, aufmerksamer und mutiger für das, was „Not tut“. So schaffen wir mehr Raum für Gott in uns und das „von Gott“ kann durch uns wirken. Die mystische Spiritualität betont den Zusammenhang von Ich/EGO, Besitz und Gewalt und versteht die Befreiung davon als Ziel des menschlichen Lebens.

Jesus und viele andere sind dafür Vorbilder. Viele von ihnen gerieten in große Schwierigkeiten, weil sie sich mit den Mächtigen oder der herrschenden Logik anlegten. Diese Mystik oder Frömmigkeit ist also nichts für unsichere Menschen. „Die Unterwerfung unter den Gewaltgötzen fängt mit der angeblich vernünftigen Einsicht an, dass mit unserer Macht nichts getan ist. … Aber in Wirklichkeit schläft ‚das von Gott', wie die Quäker es nennen, auch in uns und wartet darauf, frei und sichtbar zu werden.“6

Für die Arbeit in der Gruppe

Kopiervorlagen sind für AbonnentInnen unter www.ahzw-online.de / Service zum Herunterladen vorbereitet

Selig sind die Sanftmütigen
Diese vier Worte werden je auf ein Blatt geschrieben und diese Blätter dann auf ein großes Blatt Papier gelegt, das den gesamten Tisch bedeckt, um den die TN herum stehen können. In Stille führen sie ein Schreibgespräch dazu. – Je nach Gruppengröße können es auch zwei oder drei Tische sein; in dem Falle können die TN die Tische wechseln. – Sie sind eingeladen, ihre Assoziationen zu den einzelnen Worten oder/und dem Satz zu notieren und im Laufe der Zeit auch auf die Bemerkungen der anderen zu reagieren.

Im gemeinsamen Gespräch wird geklärt, wie die TN selig und die Sanftmütigen verstehen. Weitere exegetische Erklärungen kann die Leiterin anhand der Bibelarbeit geben.

25 Minuten

Denn sie werden das Land erben
Die TN tragen zusammen, was sie über den geschichtlichen Kontext wissen, in dem Jesus diese Seligpreisung sprach (römische Besatzung etc.). Die Leiterin ergänzt und verweist auf Psalm 37,11, der hier vorgelesen wird (siehe S. 15)

Fragen, die in Kleingruppen diskutiert werden sollten:
Geht es um eine Jenseitsvertröstung oder geht es um die Hoffnung auf Gerechtigkeit?
Was veranlasst Jesus, den Mund so voll zu nehmen? Woher hat er diese Gewissheit?
Wie lesen, verstehen wir Frauen aus Deutschland heute diesen Vers? Finden wir darin Zuspruch und Anspruch? Welchen Zuspruch, welchen Anspruch?

Die TN tauschen die wichtigsten Gedanken und Fragen aus. Unsere Verflechtung mit struktureller und militärischer Gewalt – Deutschland als weltweit drittgrößter Rüstungsexporteur, unser Profit durch ausbeuterische Wirtschaftsbeziehungen – kann hier zur Sprache kommen. Material von Ohne Rüstung Leben macht es sehr deutlich.

30 Minuten

Gott Raum geben
Jesus vertraute auf die Fülle Gottes, die er schon sah. Dadurch konnte er frei vom Ego und gewaltlos sein. Die Kraft des Gottesvertrauens und der Gewaltlosigkeit beschreibt Dorothee Sölle eindrücklich in einem Gedicht über Martin von Tours:

Ein kleines Wunder

Die hoffnung kennt tausendundeine geschichte
gegen gewalt
wir brauchen sie alle

Martin von tours
ein frommer mann
der den waffenrock ausgezogen
und das schwert weggelegt hatte
reiste nach trier den kaiser zu sehen
er wollte ihm klagen
dass in nordspanien menschen
die man als ketzer ansah
verfolgt wurden

Er wurde nicht vorgelassen
er ließ sich nicht abweisen
und blieb drei tage und drei nächte
geduldig und belächelt sitzen

Dann stand der schwertlose bettler
vor dem machthaber
als plötzlich der thron zu brennen anfing
und majestät sich erheben musste

Dieses feuer das den thron fraß
konnte niemand erklären
es verwirrte viele
und brachte zum nachdenken

Es ließ sich nicht löschen
es brennt noch immer
soviel ich weiß

Die hoffnung kennt tausendundeine geschichte
gegen gewalt
sie zündelt noch immer

Dorothee Sölle, aus: Loben ohne lügen © Wolfgang Fietkau Verlag, Berlin/Kleinmachnow 2000, S. 97

Das Gedicht wird kopiert und an die TN ausgeteilt. Sie werden mit der Frage entlassen: Was hilft uns, der Agentin der Macht in uns keinen Raum zu geben, sondern Gottes Fülle?

Lieder:
Nada te turbe (Taizé),
Da pacem cordium (Kanon aus Taizé)

Bärbel Fünfsinn, geb. 1962, ist Theologin und Musikerin. Sie war lange Zeit Lateinamerikareferentin in der Nordkirche, jetzt arbeitet sie als Lehrerin in Hamburg. – mehr unter www.baerbelfuenfsinn.com

Anmerkungen
1) Im Folgenden beziehe ich mich auf die Auslegung von Frank und Marlene Crüsemann in ihrer Dialogbibelarbeit zu Mt 5,1-12 beim Kirchentag 2011: www.bibel-in-gerechter-sprache.de/zum-herunterladen/
2)
Klaus Seybold: Die Psalmen, HAT I/15, Tübingen 1996, 155
3) Ich spreche nicht von Terrorakten, die, wenn sie im „Westen“ geschehen, als „Kriege“ bezeichnet werden, aktuell von Francois Hollande nach dem 13.11.2015
4) mehr unter www.ohne-ruestung-leben.de
5)
Publik Forum Nr. 11, 2015, S. 13
6) Dorothee Sölle: Mystik und Widerstand, Hamburg 1997, S. 346

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