Alle Ausgaben / 2011 Andacht von Gisela Egler-Köksal

Der Duft der Erkenntnis Gottes

Andacht zu 2 Kor 2,14-15

Von Gisela Egler-Köksal

Vorbereitung:
Ein großes farbiges Tuch wird in der Mitte des Stuhlkreises ausgelegt;
darauf werden einige Schälchen mit Blütenblättern und Gewürzen gestellt.

Duft, duften, Geruch, Wohlgeruch – unser Thema heute. Die Blütenblätter duften, die Gewürze strömen einen intensiven Geruch aus. Wenn wir sie mit den Fingern verreiben, dann duften auch wir ein wenig.

Anregung für die Leiterin:
Die Schälchen mit den Blütenblättern und Gewürzen herumgeben, so dass jede daran riechen und sie anfassen kann.

Im Sommer am Feuer sitzen – wer dies eine Weile tut, riecht danach. Der Rauch bleibt unweigerlich an den Kleidern und in den Haaren hängen.

Nach welchem Tun riechen wir sonst noch heute, in der Zeit der Dunstabzugshauben, der Deodorants und Duschgels? Wo riechen wir nach unserm Tun, verbreiten diesen Duft – oder manchmal auch diesen Gestank?

Manchmal duftet unser Tun. Ein Kuchen im Backofen, der Duft breitet sich aus von der Wohnung ins Treppenhaus. Die Nachbarin sagt: „Mhm – das riecht fein, mir läuft das Wasser im Munde zusammen!“ Der Kuchenduft überwindet die Grenzen der Wohnung, zieht hinaus und spricht andere an. An welchen Duft erinnern wir uns – gerade jetzt? Welcher Geruch geht auf uns über, wenn wir uns in seinem Dunstkreis aufhalten? Wonach möchten wir gerne riechen? Lassen wir uns etwas Zeit in der Stille, um dem „nachzuriechen“, dem nachzusinnen.

Impuls für das Gespräch in der Gruppe:
Was lag Ihnen in der Nase? Wonach roch es in Ihrer Erinnerung?

Die Dinge, die wir riechen, die duften oder gar stinken, erleben wir ganz unmittelbar. Sie wecken Gefühle und Empfindungen, Wohliges und Unangenehmes. Wir sagen: Ich kann Dich gut riechen. Etwas stinkt mir. Der Geruchssinn lässt sich nicht verschließen.

Verbinden wir auch einen Duft mit Gott? Welchen Duft verbreitet unser Glauben?

Als „Duft der Erkenntnis“ nimmt Paulus sich und die Gläubigen in Korinth wahr und sagt: Dank sei Gott! Ich lese uns aus dem 2. Korintherbrief aus dem 2. Kapitel, die Verse 14 und 15:

14Dank sei Gott! Immer lässt uns Gott im Leidenszug des Messias mitgehen, der ein Siegeszug ist, und überall erscheint durch uns der Duft der Erkenntnis Gottes.
15Denn wir sind für Gott ein angenehmer Duft des Messias unter den Geretteten und unter den Verlorenen.
Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache

Duftende Blumen und Blätter lagen auf den Straßen, wenn siegreiche Feldherren nach Rom zurückkehrten und ihnen ein Triumphzug genehmigt wurde. Die Holzräder der Wagen im Triumphzug zerquetschten die vielen Blumenblätter, die einen Teppich bildeten und ihren Duft „freigaben“. Er lag schwer in der warmen römischen Luft und war von weit her wahrnehmbar. Jede und jeder konnte es riechen: Die Römer sind siegreich aus der letzten Schlacht hervorgegangen, haben sich fremde Völker unterworfen und alles mitgenommen, was ihnen brauchbar erscheint.

Dabei zogen die siegreichen Truppen voran. Kriegsgefangene mussten im Zug mitlaufen. Die Kriegsbeute wurde zur Schau getragen, der Triumphator fuhr am Ende des Zuges auf einem Streitwagen. Für viele Römerinnen und Römer ein Wohlgeruch, dieser Triumphzug – nicht nur wegen der duftenden Blätter und Blüten auf der Straße. Sie konnten förmlich riechen, dass ihr Leben gesichert war, Steuern aus den besetzten Gebieten weiter flossen, die Zukunft für sie offen stand.

Für die Gefangenen, für die „Nicht-Römer“ – wie die meisten der christlichen Gemeinde in Korinth – bedeuteten diese Blüten und Blätter auf den Straßen Roms den Duft des Todes. Abhängig, mit vielen Steuern belastet, konnte jeder in einem solchen Triumphzug enden und damit sein weiteres Leben in Gefangenschaft und Sklaverei verbringen. Denn die meisten Mitglieder der Gemeinde in Korinth waren SklavInnen und damit ohne Bürgerrechte, Eigentum anderer Menschen.

Diesen Menschen führt Paulus das wohlbekannte Bild des Siegeszuges vor Augen und füllt es neu. Wie anders als der römische Triumphator ist Gott für ihn: Dank sei Gott! So schreibt er:
Der Leidenszug des Messias, von den römischen Besatzern gekreuzigt, ist
ein Siegeszug. Denn er ist auferstanden und hat dem Tod die Macht genommen. Dank sei Gott! Gott lässt uns mitziehen in diesem Zug. Duft der Erkenntnis geht von ihm aus, Duft des Friedens und nicht der militärischen Übermacht und Unterdrückung.

Welch eine Zusage, wenn wir das Bild des übermächtigen römischen Triumphzuges vor Augen haben. Welch ein anderer Blick auf die Welt – auf die Menschen. Dieser Duft duftet allen Menschen und macht keine Unterschiede zwischen Menschen verschiedener Herkunft, Sprache, Hautfarbe oder Religion. In diesem Siegeszug sind nicht die einen die Herrschenden und die anderen die Gefangenen und Sklaven.

Impuls für das Gespräch:
Jesus hat es in seinen Worten und Taten vorgelebt. Er hat diesen Duft Gottes ausgeströmt. Was war eigentlich das Besondere an ihm? Wonach duftete sein Tun? Was für ein Duft  ist es, der uns heute noch so anzieht, wenn wir an unserem Glauben riechen könnten?

Paulus geht diesem Bild vom „Duft“ dann noch weiter nach und stellt selbstbewusst fest: „Wir sind ein angenehmer Duft des Messias“ oder, wie Luther es übersetzte: „Wir sind ein Wohlgeruch Christi.“

„Bis heute durchzieht dieser Wohlgeruch der Gegenwart Gottes in Jesus Christus unsere Welt. Bis heute gibt es, Gott sei Dank, Menschen, die ihr Leben in diesen Duft hüllen lassen und ihn für andere verströmen. Dass wir heute hier zusammen sind, hat auch damit zu tun, dass andere Menschen für uns den Wohlgeruch Christi ausgestrahlt, uns auf den Glauben aufmerksam gemacht haben durch ihr Leben, ihr Reden, ihr Handeln. Manche von uns sind schon seit früher Kindheit an mit diesem Duft aufgewachsen, für andere ist er neu. Einige haben Zeiten erlebt, in denen sie sich schwer taten mit diesem Geruch und ihn eher als einengenden Stallgeruch und nicht als Duft zum Aufatmen und Durchatmen empfanden.“(1)

Impuls für das Gespräch:
Wann verbinden oder verbanden wir Glauben eher mit einengendem Stallgeruch, wann mit Duft zum Aufatmen? Gibt es eine Person, an die Sie denken, die für Sie den Duft Christi ausgestrahlt hat?

Der Sommer ist die Zeit der Düfte. Wenn Ihnen ein besonders guter Duft in die Nase steigt, dann denken Sie doch einfach: Wie dieser Duft jetzt meine Sinne und meine Umgebung erfüllt, so will Gottes Gegenwart mich und die ganze Welt erfüllen. Und wie dieser Duft, wie ein Wohlgeruch Christi kann ich selber für andere Menschen sein. Gott segne uns dazu. Amen.

Fürbittgebet
Dich zu erkennen, Gott,
dich zu lieben, dir zu leben,
das ist der Duft des Lebens,
das ist der Wohlgeruch des Lebens!
Du riechst gut, Gott.
Du duftest uns entgegen –
wir dürfen deinen Geist einatmen,
ihn in uns spüren und
weiteratmen.

Lass uns den Duft des Lebens verbreiten –

Wir denken an Menschen, denen dieses Leben stinkt,
die es nicht mehr riechen und ertragen können,
an verzweifelte, enttäuschte und an -unterdrückte Menschen.
Sei du in ihrem Duftkreis.
Und wo möglich, sende Du uns,
um Deinen Duft zu verbreiten,
um ihnen beizustehen
und für Gerechtigkeit zu wirken.
Amen

Segen
Gott segne und behüte uns
Gottes Duft breite sich aus und gehe auf uns über.
Gottes Geist erfülle uns mit Gottes Duft.
Gott segne und behüte uns
Heute, morgen und alle Tage.
Amen

Gisela Egler-Köksal, geboren 1960, ist Pfarrerin in Frankfurt am Main und Mitglied im Redaktionsbeirat ahzw.

Zum Weiterlesen
Elsa Tamez: Vom Wohlgeruch Gottes in unserer Welt, im Internet unter: http://www.gewaltueberwinden.org/de/materialien/oerk-materialien/
dokumente/bibelarbeiten/vom-wohlgeruch-gottes-in-unserer-welt.html

Anmerkungen:
1 http://www.predigt-online.de/prewo/prewo_wir_sind_ein_wohlgeruch_christi.htm

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