Ausgabe 1 / 2014 Material von Viktoria Frysak

Der Feminismus Olympe de Gouges‘

Von Viktoria Frysak


Die französischen Frauen waren ein maßgeblicher Faktor der Revolution, ihre Beteiligung am politischen Veränderungsprozess war unverzichtbar. Als Anführerinnen der Hungerunruhen „hatten Frauen häufig in der vordersten Reihe gestanden, hatten zum Teil radikaler als ihre Männer gekämpft“ (Frauke Stübig), der Marsch der Frauen nach Versailles im Oktober 1789 ging als eine „weibliche Massendemonstration quer durch die Bevölkerungsschichten“ in die Geschichte ein, genauso wie das Erscheinen von 21 Pariser Künstlerinnen am 7. September 1789 vor der Nationalversammlung, um ihren Schmuck der Nation als patriotischen Beitrag für die bankrotte Staatskasse zu spenden.

Die politisch engagierten Frauen versuchten auf verschiedenen Wegen, Einfluss auf die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse der Revolution zu nehmen. Während die einen sich in den Frauenclubs engagierten, handelten andere auf eigene Faust (z.B. die Ermordung Marats durch Charlotte Corday), über das Sprachrohr ihrer Männer (z.B. Manon Roland) oder im offenen Kampf (z.B. Théroigne de Méricourt). De Gouges entschied sich für einen anderen Weg: „Ich würde sagen, dass Olympe de Gouges sich der Literatur bedient hat, (…) um die Grenzen zu überwinden, die der sozialen Rolle der Frauen eingeschrieben waren.“ (Gisela Thiele-Knobloch)

Das feministische Wirken de Gouges' ist umfassend in ihren Texten zu finden. … De Gouges hatte sich mit ihrer Publikationstätigkeit einen Weg erschlossen, um sich als Frau Gehör zu verschaffen, um sich in das politische Geschehen einzubringen, und sie gab dieses Motiv unumwunden zu: „Man kann die Frauen aus allen Versammlungen der Nation ausschließen, aber meine wohltätige Geistesgabe bringt mich mitten in diese Versammlung“.

De Gouges (setzte sich) für die politischen Rechte der Frauen genauso wie für deren persönliche Freiheitsrechte ein. Sie forderte, dass Frauen als menschliche, selbstständige und denkende Wesen in allen gesellschaftlichen Belangen unabhängig von Äußerlichkeiten wie Geschlecht oder Aussehen ernst genommen werden müssten. … Was die persönlichen Freiheitsrechte angeht, ist ein wesentlicher Punkt des Engagements de Gouges' der des Rechts auf Privateigentum der Frauen. Diese Forderung war einerseits verbunden mit einer Änderung des Erbrechts und andererseits mit dem Recht auf Ausübung einer ehrbaren, eigenständigen Erwerbsarbeit. … Die finanzielle Eigenständigkeit war ein wesentlicher Punkt der Emanzipation, denn erst dadurch würde es möglich sein, sich aus der existenziellen Abhängigkeit zu befreien und das Recht auf freie persönliche Lebensgestaltung sowie auf politische Gleichberechtigung überhaupt weiterzudenken.

Der Feminismus Olympe de Gouges' lässt sich nicht auf die von ihr konkret angesprochenen Themen und explizit geäußerten Forderungen einer formaljuristischen Gleichberechtigung und politischen Gleichstellung der Frauen reduzieren. … De Gouges war sich überaus bewusst, dass die vielen Qualitäten und Beiträge der Frauen zum gesellschaftlichen Zusammenleben und sozialen Gelingen einer Staatsbürgergemeinschaft zu wenig im Bewusstsein der Menschen waren und zu wenig geschätzt wurden, weil sie kaum bemerkt im Hintergrund abliefen: „Die Mutter einer Familie, die jeden Moment darauf verwendet, ihren Ehemann glücklich zu machen, mit ihren Einkünften zu haushalten, ihre Kinder großzuziehen, aus ihnen wertvolle Bürger zu machen, ist ein erhabenes Wesen, das ein Recht auf die Ehrerbietung und Bewunderung nicht nur ihres Gatten, sondern aller Mitbürger hat.“ Es ging ihr deshalb um die bewusste Wahrnehmung all der Leistungen der Frauen und deren Sichtbarmachung in den gesellschaftlichen Abläufen. Das erforderte ihrer Meinung nach zunächst ein Aufrütteln der Frauen selbst: „Frau, erwache; die Sturmglocke der Vernunft verschafft sich auf der ganzen Welt Gehör; erkenne deine Rechte.“ Sie wies ihr Geschlecht darauf hin, wie sehr die gesellschaftliche Wirklichkeit dazu beigetragen hatte, dass Frauen sich selbst längst zurückgenommen und mit den zuerkannten Bereichen beschieden hatten. Eine Veränderung der Situation musste also nicht nur im Bewusstsein der Männer, sondern auch in dem der Frauen erfolgen.

Auszüge aus:
Denken und Werk der Olympe de Gouges (1748-1793) © bei der Autorin
zugänglich unter:
othes.univie.ac.at/9950/1/2010-03-07_9002177.pdf
siehe auch:
www.editionviktoria.at

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