Ausgabe 2 / 2022 Material von Dietrich Weinbrenner

Der wahre Preis der Kleidung

Von Dietrich Weinbrenner

Im September 2012 verbrennen mehr als 250 Menschen lebendig in der pakistanischen Textilfabrik Ali Enterprise, denn Ausgänge sind verschlossen, Fenster vergittert, Feuerlöscher fehlen – der Hauptauftraggeber ist der deutsche Discounter KiK.

Mehr als 1200 Arbeiter*innen, die jahrelang in der kambodschanischen Fabrik Violet Apparel Kleidung für NIKE herstellten, werden gleich in den ersten Monaten der Pandemie ohne Entschädigung und mit ausstehenden Lohnzahlungen entlassen. Seitdem kämpfen sie für ihre Rechte. Unternehmen können ohne Konsequenz die Last der Pandemie auf die Schwächsten abwälzen – es werden immer noch Löhne und Entschädigungen in Milliardenhöhe vorenthalten.

In der globalisierten Textilproduktion werden systematisch Menschen- und Arbeitsrechte verletzt – exzessive Arbeitszeiten, Hungerlöhne und (lebens)gefährliche Arbeitsplätze, Behinderung gewerkschaftlicher Organisierung. Opfer sind überwiegend Frauen. Deutsche Unternehmen lassen unter Bedingungen produzieren, die in der BRD verboten sind, zum Beispiel durch Lohnzahlungen, die nicht zum Leben reichen.

Bei einem Besuch in einer äthiopischen Textilfabrik saß ich während einer ganzen Schicht neben einer Arbeiterin, die Ärmelsäume von T-Shirts für das deutsche Unternehmen KiK nähte. Für ein T-Shirt brauchte sie ca. 50 Sekunden, das heißt: Während einer achtstündigen Schicht schaffte sie 576 T-Shirts, in einem Monat 14.400. Sie verdiente 55 €/Monat, die T-Shirts werden im Doppelpack für 5,99 € verkauft. Ihr Lohnanteil an einem T-Shirt betrug demnach 0,38 Cent! Ein konkret durchgerechnetes Beispiel für die in dieser Industrie gezahlten Löhne. Es sind Hungerlöhne, von denen kein Mensch und keine Familie würdig leben kann. Davon profitieren nur die Unternehmen.

Die „Kampagne für Saubere Kleidung“ (CCC) ist ein internationales Netzwerk, das sich seit Jahren für die Durchsetzung von Menschenrechten in der Textilbranche einsetzt. Mitglieder der deutschen CCC sind zivilgesellschaftliche, gewerkschaftliche und kirchliche Organisationen sowie ehrenamtliche Regionalgruppen. Auch die Evangelischen Frauen in Deutschland gehören dazu. Ziel der Kampagnenarbeit ist es, die Arbeitsrechte in der globalen Bekleidungsindustrie zu verbessern.

Studien, die Arbeits- und Menschenrechtsverletzungen an die Öffentlichkeit bringen, Eilaktionen, die aktuelle „Fälle“ aufgreifen oder Auftritte auf Aktionärsversammlungen von Adidas & Co drängen Unternehmen dazu, mehr Verantwortung für ihre globalen Wertschöpfungsketten zu übernehmen. Die internationale „Pay Your Workers“-Kampagne z.B. fordert die Zahlung vorenthaltener Löhne und Entschädigungen während der Pandemie. Gleichzeitig nimmt die Kampagne Regierungen in die Pflicht und engagiert sich für ein wirksames Lieferkettengesetz.

Unterstütze uns dabei, Menschenrechte in der Modeindustrie durchzusetzen!
– Frag nach! Informiere dich über die Produktionsbedingungen deiner Lieblingsklamotten.
– Setz dich mit deiner Stimme gegen Lohndiebstahl ein! Mehr dazu auf
www.saubere-kleidung.de/payyourworkers/
– Werde aktiv in einer der Regionalgruppen der Kampagne für Saubere Kleidung:
www.saubere-kleidung.de/regionalgruppen/

Kannst Du spenden? Jeder Euro zählt!
www.saubere-kleidung.de/spenden/
KD-Bank IBAN: DE75 3506 0190 1555 0000 29
BIC: GENODED1DKD

Dietrich Weinbrenner ist Pfarrer im Ruhestand. Er war Beauftragter für nachhaltige Textilien in der Ev. Kirche von Westfalen und der Vereinten Ev. Mission (VEM). Er vertritt die VEM in der CCC.

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