Ausgabe 2 / 2009 Material von Katrin Keita

Diakonie oder Revolution

Von Katrin Keita


Diakonie oder Revolution? Christliche Armen- und Krankenpflege oder politischer Umsturz? Diese Alternativen stellt Gina Mayer in ihrem historischen Roman „Die Protestantin“ gegenüber. Der Titel ihres 2006 erschienenen Buches ist ein wenig irreführend. Nicht eine, sondern drei Frauen stehen im Mittelpunkt des Romans, der in der Zeit zwischen 1822 und 1876 spielt. Johanne, ihre jüngere Schwester Catharine und ihre gemeinsame Ziehtochter Magdalena leben in Kaiserswerth bei Düsseldorf. Alle drei bleiben unverheiratet. Sie kommen aus einfachen Verhältnissen und setzen sich für Arme und Kranke ein. Johanne widmet sich voll christlichem Eifer der entstehenden Diakonie, ordnet sogar ihr persönliches Glück dieser großen Aufgabe unter. Catharine gerät mit dem Rigorismus ihrer Schwester in Konflikt und wird in der sozialistischen Bewegung und der Frauenbewegung aktiv. 1849 emigriert sie nach Amerika. Magdalena, die Catharine später nachholt, kehrt schließlich nach Kaiserswerth zurück, wo sie als Fotografin arbeitet.

Gina Mayers Sympathie scheint Catharine zu gehören, die eine politische Änderung der Verhältnisse erreichen will. Doch auch die Gründung der Diakonissenanstalt Kaiserswerth durch Theodor Fliedner schildert sie ausführlich und arbeitet damit ein wichtiges Stück deutscher Frauen- und Glaubensgeschichte auf. Dabei kommt Fliedner selbst – der im Unterschied zu Johanne, Catharine und Magdalena tatsächlich gelebt hat – nicht besonders gut weg. Die Autorin beschreibt ihn als ehrgeizig, unbarmherzig gegen sich selbst und seine Familie und geradezu fanatisch religiös. Da sie sich auf umfangreiche Recherchen stützt, ist diese Darstellung jedoch absolut legitim.

Der fast 700 Seiten dicke Roman ist fesselnd geschrieben. Er malt ein Bild des 19. Jahrhunderts, das aufregend fremd und vertraut zugleich ist. Und nebenbei ist er voll von angenehm unglücklichen Liebesgeschichten. Sie geben dem Buch eine realistische Färbung und heben es positiv von anderen Werken seines Genres ab.


Katrin Keita

über:
Gina Mayer
Die Protestantin
Diana Verlag
2006

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