Alle Ausgaben / 2009 Material von H.L. Gee

Die Blumen des Blinden

Von H.L. Gee


In einem kleinen Haus mit einem großen Garten lebte ein blinder Mann. Er verbrachte jede freie Minute in seinem Garten und pflegte ihn trotz seines Handikaps mit großer Hingabe. Ob Frühling, Sommer oder Herbst, der Garten war ein Blütenmeer.

„Sagen Sie“, bemerkte ein Vorübergehender, der die Pracht bestaunte, „warum tun Sie das? Sie können doch nichts davon sehen, oder?“
„Oh nein“, antwortete der Blinde, „nicht das geringste.“ –
„Warum kümmern Sie sich denn dann überhaupt um den Garten?“
Der Blinde lächelte: „Ich kann Ihnen dafür vier Gründe nennen:
Erstens, ich liebe die Gartenarbeit; zweitens, ich kann meine Blumen anfassen;
dittens, ich kann ihren Duft riechen. Der vierte Grund sind Sie!“
„Ich? Aber Sie kennen mich doch gar nicht!“
„Nein, aber ich wusste, Sie würden irgendwann vorbeikommen. Sie hätten Freude an meinen herrlichen Blumen und ich hätte Gelegenheit, mich mit Ihnen darüber zu unterhalten.“


H. L. Gee
Fivehundred Tales
to tell again
London 1955-1957

zitiert nach:
Willi Hoffsümmer (Hg.)
Kurzgeschichten 3
Mainz, 1985

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