Alle Ausgaben / 2005 Material von Miriam Wiegele

Die Geschichte der kleinen Fee Geran

Von Miriam Wiegele


Geran war eine Fee aus der Familie „Flora“, die in einem tiefen Tal im kambrischen Gebirge in Wales lebte. Es war eine besondere Familie. Sie betreute Blumen, und jedes einzelne Familienmitglied war für eine spezielle Blume zuständig. Sie pflegten sie sorgsam und sorgten für den richtigen Boden, Licht und Wasser zur richtigen Zeit. Nur Geran hatte nichts zu tun, denn als sie zur Welt kam, waren schon alle Blumen Englands an andere Feen verteilt. Sie war sehr unglücklich, ganz besonders, wenn alle ihre Geschwister aus dem Haus gingen, um sich ihren Blumen zu widmen. Auch ihre Eltern konnten ihr nicht helfen und so schickten sie Geran zum alten Rowan, dem ältesten im Kreis der Pflanzenfeen.

„Warum störst du mich in meinem Schlaf, du Winzlingsfee?“, murrte Rowan ungnädig. „Ich bin deine Ururururnichte Geran und habe keine Blume für mich“, seufzte die Fee mit Tränen in den Augen. Als der alte Rowan sah, wie ernst es ihr war, dachte er nach. „Hier bei uns weiß ich keine Blume mehr, die du betreuen könntest. Aber die Meernixen haben mir von einem fernen Land erzählt, in dem es Blumen gibt, die wir hier gar nicht kennen. Wenn du eine Blume für dich haben willst, wirst du sie dir wohl holen müssen.“

Geran erzählte ihren Eltern, dass sie über das Meer fahren müsse. Alle Floras kamen und bedachten die Kleine mit ihren Segenswünschen. Dann machte sie sich auf den Weg. Zum Glück fand sie ein Schiff, auf dem Rosen verfrachtet wurden. Und eines Tages ging das Schiff vor Anker. Nun können ja Feen bekanntlich auch mit Tieren sprechen, und so erfuhr Geran, dass sie in Afrika sei. Alle waren sich einig, dass sie eine Blume mitnehmen solle so rot wie ihr Kleidchen und führten sie zu einem Platz, wo sie wuchsen. Wohlbehalten kam Geran mit ihnen in England an. Doch leider, obwohl sie ihnen all ihre Liebe angedeihen ließ, sie kümmerten. Eines Tages kam der alte Rowan wieder vorbei und besah sich das Elend. „Ja, da gibt es nur eines“, meinte er, „du musst mit dieser Pflanze zu den Menschen gehen, die haben Gewächshäuser, in denen es immer warm ist, wie die Blume das braucht.“ So machte sich Geran auf den Weg zum lieben, alten Gärtner Tim. Er gab der Blume aus Afrika den schönsten Platz im Glashaus und sofort begann sie sich zu recken und zu strecken und ihre roten Blüten zu zeigen. „Was würdest du davon halten, wenn wir diese schöne Blume Geranie nennen, wo du sie doch gebracht hast und versprochen hast, deine Feenhand über sie zu halten“, meinte Tim. Geran war ganz gerührt vor Freude.

Die afrikanische Blume wuchs so prächtig, dass alle Menschen, die sie sahen, sie auch bei sich zu Hause haben wollten. Und so zieren diese Pflanzen unsere Fensterbänke, und sie heißen immer noch Geranien, obwohl wir heute wissen, dass sie richtigerweise Pelargonien genannt werden sollten. 

nach einem Manuskript von Franz Peter Fischer

aus: Duftpelargonien, Anbau, Pflege, Sorten
© Eugen Ulmer Verlag Stuttgart 2000

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