Ausgabe 2 / 2006 Bibelarbeit von Margarete Schulz

Die schönen Hebräerinnen

Bibelarbeit zur Schönheit im Ersten Testament

Von Margarete Schulz


Bibelarbeit zur Schönheit im Ersten Testament“Wer zu lange in den Spiegel sieht, der hat den Teufel hinter sich“, hieß es in dem pietistischen Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin. Und als ich mir mit 18 Jahren die Zöpfe abschneiden ließ, bemerkte eine Tante: „Ich kann es nicht begreifen, dass ein gläubiges Mädchen sich die Haare abschneiden lässt.“ Zu viel Schönheit, so die Botschaft, ist gefährlich.

Andererseits wurde schon immer von Frauen erwartet, viel für die Schönheit zu tun. Vor etwa 50 Jahren musste sich eine orientalische Braut erst ein gewisses Gewicht anessen, bis sie dem Ideal an Schönheit und den Vorstellungen des Königs entsprach. Elisabeth II. von England hatte hingegen mehrere Kilo abzunehmen, um zur Krönung in das entsprechende Kleid zu passen. In einem afrikanischen Stamm wurden vor einigen hundert Jahren die Mädchen im Gesicht verstümmelt, um sie vor der Sklaverei zu schützen; heute gehört diese Sitte dort zur Schönheitsvorstellung. In China wurden lange die Füße der Mädchen unter Qualen klein gebunden, um der Idee weiblicher Zierlichkeit zu genügen. Und auch uns werden heute immer wieder Schönheitsideale vorgeführt, die großen Einfluss auf unsere Wünsche und auch unser Verhalten haben. Nicht zuletzt auf unser Kaufverhalten. Es wäre also spannend, einmal nachzuschauen, ob wir in den Wurzeln unseres christlichen Glaubens, im Hebräischen Testament etwas zum Thema finden.


Schönheit im Alten  Testament

Im Schöpfungsbericht sah Gott sein Werk am letzten Schöpfungstag an, und es war „sehr gut“. (1. Mose 1,31) In dem Wort „gut“ ist auch die Bedeutung von „schön“ enthalten. Gottes Schöpfung ist schön, eingeschlossen alle Kreaturen, die Länder, die Meere, der Himmel und seine Gestirne. Das lässt den Psalmisten in den Lobpreis Gottes ausbrechen. (Ps 103) „Der aller Schönheit Meister ist, hat solches alles geschaffen.“ (Weisheit 13,3) Damit ist noch nichts ausgesagt über die objektive Beurteilung von Schönheit oder über ihre Wirkung. Aber an konkreten Beispielen wird deutlich, was der Mensch mit dieser Gabe machen kann. Ob diese Gabe Gottes zum Segen oder zum Verderben führt, können wir an den Schicksalen der Schönen in der Hebräischen Bibel ablesen. Das gilt natürlich auch für die schönen Männer. Da gibt es keinen gravierenden Unterschied – außer, dass schöne Frauen öfter vorkommen. Unser Interesse gilt hier aber den Frauen, von denen es heißt, dass sie „schön“, „sehr schön“, „gut anzusehen“ oder „sehr gut anzusehen“ waren.

Die jüdische Theologin Pnina Nave Levinson(1) schreibt von einer Liste der Rabbinen mit den „schönsten Frauen der Welt“. Eva, Mutter der Lebendigen, in der Bibel ohne Schönheitsattribut, fällt natürlich unter die allgemeine Bewertung „sehr gut“ gleich „sehr schön“. Sara, die Frau Abrahams ist auffallend schön. (Gen 12,14) Rahel, die zweite Frau Jakobs, um die er 14 Jahre warb, ist schön aber zunächst kinderlos. (Gen 29,27)(2) Rahab, auch Hure Rahab genannt, nimmt die Kundschafter in Jericho auf. (Jos 2,1-21) Sie wird, nach Auslegung jüdischer Rabbinen,(3) später von Josua geheiratet. Im Evangelium nach Matthäus taucht sie noch einmal auf: als Mutter des Boas im Stammbaum Jesu. (Mt 1,5) Abigail, eine der Frauen König Davids, „war klug und von schöner Gestalt“. (1 Sam 25,3) Ester, „von schöner Gestalt und großer Anmut“ (Est 2,7), fällt dem Aufseher der Frauen im Palast des Perserkönigs Artaxerxes auf, der sie daraufhin in das zwölf Monate dauernde Rundum-Schönheitspflege-Programm (V. 12f) aufnimmt, bevor sie dem König als mögliche Gattin angeboten wird. Abischag ist „überaus schön“ (1 Kön 1,4) und wird dem sterbenden David ins Bett gelegt, um ihn zu wärmen. Michal (1 Sam 14,49) ist die Tochter König Sauls und die erste Frau Davids, kinderlos. Jael, im AT ohne Schönheitsattribut, wird zur Retterin des Volkes durch einen hinterlistigen Mord an dem feindlichen General Sisera. (Richter 4,17-5,6.24)

Weitere als „schön“ oder „sehr gut aussehend“ beschriebene Frauengestalten sind: Tamar, die Tochter Davids und die Schwester Absaloms (2 Sam 13,1); Rebekka, die Frau Isaaks, die die „Liebe auf den ersten Blick“ erlebt
(1. Mose 26,7); Bathseba, eine der Frauen Davids durch Ehebruch und Mutter Salomos
(2 Sam 11,2); Judith, Retterin des Volkes Israel (Judith 10,23) durch die Tötung des Holofernes; Jemima (Täubchen), Kezia (Wohlgeruch) und Keren-Happuch (Schminktöpchen): „Und wurden nicht so schöne Weiber gefunden in allen Landen wie die Töchter Hiobs.“ (Hiob 42,15)


Schönheit mit Folgen

Bei keiner dieser schönen Frauen werden ausführlich Merkmale ihrer Schönheit beschrieben, wie wir sie in dem großen Liebesgedicht, dem „Hohelied Salomos“ finden. Wohl aber erfahren wir, dass ihre Schönheit sich auf das Leben der Frauen auswirkt. Sie prägt ihr eigenes Handeln, und auch das Umfeld reagiert auf die Schönheit der Frauen. Ist Schönheit ein Segen oder eine Last? Im Leben der oben genannten Frauen finden wir jeweils eine andere Antwort auf unsere Fragen. Schauen wir uns das Leben von drei schönen Frauen näher daraufhin an, welche Folgen ihre Schönheit für sie selbst und für andere hat: Sara, Rahab und Ester.

 

Sara

Nach 1. Mose 12,10-20 zieht Abraham auf Geheiß Gottes mit seiner Frau Sara, seinem Gesinde und seinen Herden von Mesopotamien an den Jordan. Um einer Hungersnot zu entgehen, wandern sie aus nach Ägypten. Weil Sara außergewöhnlich schön ist, fürchtet Abraham um sein (!) Leben: Neider könnten ihn erschlagen. Er bittet Sara: „Sage doch, du seiest meine Schwester, damit es mir gut gehe um deinetwillen, und ich durch dich lebe.“ Allerdings hat auch der Pharao von Ägypten von Saras Schönheit gehört, zahlt Abraham einen guten Preis und holt sie in seinen Harem. Gott bestraft Pharao für seinen – unbewussten – Ehebruch durch „große Plagen“. Da gibt Pharao Sara an Abraham zurück und lässt ihn reich beschenkt und beschämt mit Viehherden und Sklaven ziehen.(4)
Abraham befürchtet Gefahr wegen Saras Schönheit. Um sich zu schützen, gibt er sie als seine Schwester aus – und setzt sie damit erst recht der Willkür ihrer Betrachter aus. Sara kann sich nicht wehren. Ihre Schönheit nützt ihr gar nichts, im Gegenteil: sie hat Begehrlichkeiten geweckt. Gott selbst muss zu ihrer Rettung in das Geschehen eingreifen.

 

Rahab

Wenn die Rabbinen Rahab als eine der schönsten Frau der Welt hervorheben, dann wohl nicht, weil sie als Prostituierte sehr bekannt und tüchtig ist. Sie hilft den Kundschaftern Josuas zur Flucht mit der prophetischen Aussage: „Ich weiß wohl, dass der Herr euer Gott euch das Land geben wird, wie er euch durch das Schilfmeer geleitet hat, die Königreiche euch zum Opfer fielen und Könige besiegt wurden.“ (Jos 2,9f) Weil sie dem Gott Israels vertraut, versteckt und rettet sie die Kundschafter. Sie handelt mit ihnen im Gegenzug die Rettung ihrer Familie nach der Zerstörung Jerichos aus. Josua sorgt dafür, dass sie verschont wird. Die ganze Familie wird Mitglied des Volkes Israel und Rahab eine der Stamm-Mütter Jesu. (Mt 1,5) Im Hebräerbrief (11,31) heißt es: „Wegen ihres Glaubens kam Rahab, die Dirne, nicht mit den Ungehorsamen um, weil sie die Kundschafter mit Frieden aufgenommen hatte.“ Auch der Jakobusbrief (2,25) nimmt Bezug auf sie: „Ihr seht, dass der Mensch aus Werken gerecht gesprochen wird und nicht aus Glauben allein. Ist aber nicht ebenso auch die Dirne Rahab aus Werken gerecht gesprochen worden, weil sie die Boten aufnahm und auf einem anderen Weg hinaus ließ?“

Hier wird die Bedeutung der schönen Rahab für das Volk Israel und auch für die christliche Gemeinde aufgezeigt. Dass Rahab mit ihrer Schönheit als Hure Geschäfte macht, ist für den Heilsplan Gottes ohne Belang. Weder Schönheit noch Moral sind ausschlaggebend für die Rettung Rahabs, sondern allein ihr Vertrauen auf den Gott Israels, der sie in seinen Dienst nimmt! Die Schönheit ist eine Gabe Gottes, die dankbar angenommen und auch missbraucht werden kann. Gott aber hilft mit seinem Segen, wenn die Schönheit zur Belastung wird und den Menschen zerstört.
Ich denke an die vielen schönen jungen Frauen, die unter falschen Versprechungen in unser Land gelockt werden, um sie unter unmenschlichen Bedingungen in die Prostitution zu zwingen. Sie werden Opfer ihrer Schönheit, werden dabei schändlich missbraucht. Wie steht unsere Gesellschaft zu ihnen? Schauspielerinnen, Mannequins, Callgirls werden vermarktet, ihre Bilder feilgeboten. Und wenn ihre Schönheit vergangen ist? Werden sie im Alter versorgt sein? Das ist sicher auch eine berechtigte Überlegung bei Rahab: Sie hat – mit ihren Möglichkeiten – für ihre Familie vorgesorgt.

 

Ester

Das Buch Ester entsteht ca. 300 v.Chr., nach der Perserzeit, und gehört zu den „Festrollen“ zur Begründung und Liturgie des jüdischen Purimfestes – ein Fest, das ein wenig an Karneval erinnert. In der hebräischen Fassung kommt das Wort „Gott“ nicht einmal vor. Luther hat die hebräische Fassung übersetzt, die unseren Überlegungen zugrunde liegt.(5)

Zur Erinnerung: Große Teile des Volkes Israel hatten die Babylonische Gefangenschaft durchlebt. Es begann die Herrschaft der Perser. Ahasveros (griechisch Xerxes) ist König über ein Riesenreich von Indien bis an den Nil, und sein oberster Beamte ist Haman.
Während eines Festes am Hof fällt die wunderschöne Königin Waschti in Ungnade: Sie hatte den Gehorsam gegenüber dem Befehl ihres Gatten verweigert, vor dem angetrunkenen Hof zu erscheinen, „damit das Volk und der Hof ihre Schönheit bewunderten“. (1,11) Die Berater des Königs befürchten, dass dieses schlechte Beispiel im Reich Schule macht, und dass auch die anderen Frauen „die Achtung vor ihren Ehemännern verlieren“ und so „viel Ärger und Verdruss“ machen könnten, und empfehlen beherztes Handeln. Dem König gefällt der Vorschlag, und umgehend wird Waschti vom Hof entfernt. Sicherheitshalber veröffentlicht er seinen Beschluss anschließend noch in allen königlichen Provinzen – und zwar in allen dort gesprochenen Sprachen, „damit alle Männer Herr in ihrem Haus blieben“. (1,22) Um die so frei gewordene Stelle neu zu besetzen, werden reichsweit „schöne junge Mädchen“ gesucht (2,2) und zur näheren Auswahl und, bei Gefallen, professionellen Schönheitspflege (2,3) an den Hof gebracht. Unter ihnen ist auch die Jüdin Ester, deren Ziehvater und Onkel Mordechai ihr rät, ihre jüdische Herkunft nicht preiszugeben. Der König ist zutiefst von ihrer Schönheit beein druckt. Sie „gewann seine Gunst und Zuneigung mehr als andere Mädchen“ (2,17), und so macht er sie zur Königin.
Mordechai, der über das Wohlergehen seiner Nichte wacht, verweigert dem Haman die geforderte Ehrerbietung. Das nimmt dieser zum Anlass für eine Judenverfolgung im ganzen Land. Ester überredet den König, die Erlasse Hamans wieder aufzuheben. Auch in dem nun folgenden Drama auf Leben und Tod zwischen Mordechai und Haman bringt der Einfluss ihrer Schönheit auf den König die entscheidende Wende. Kapitel 7 beschreibt Hamans Ende an dem Galgen, den er für Mordechai hatte aufstellen lassen, Kapitel 8 enthält die Erlasse zum Schutz der Juden in allen Provinzen des Perserreiches.

Welche Bedeutung hat Schönheit heute für den Einfluss von Frauen in der Politik? Wer die Berichte in unseren Medien und ihr Interesse an Frisur und Kleidung von Frauen im öffentlichen Leben – aktuell etwa bei Angela Merkel – sieht, könnte meinen, dass sich da in den letzten 2000 Jahren nicht viel verändert hat. Die Königin Ester hat sich entschieden, ihre Schönheit für die Rettung ihres Volkes in die Waagschale zu werfen. Aber nicht nur die Schönheit: Sie ist zudem auch sehr klug und verfügt über ein beachtliches diplomatisches Geschick. Schönheit schließt Klugheit jedenfalls nicht aus.

 

Das Lied der Lieder

Das Hohelied wird Salomo zugeschrieben, es gehört zu den Schriftrollen und ist eine Feiertagslesung am Passafest.(6) Es schildert die wechselnden Phasen einer Liebesbeziehung: Suchen und  Finden, Sehnsucht und Erfüllung,  Verlieren und Wiederfinden. Man muss Israel, besonders Galiläa, im Frühling erlebt haben, um den Zusammenhang von schöner Landschaft, mit Blumen übersäten Hügeln und Bergen und einer schönen Partnerin und einem schönen Partner zu verstehen.

Anders als an anderen Stellen des Hebräischen Testaments benennt das Hohelied die Merkmale weiblicher und männlicher Schönheit und schwärmt von ihnen in immer neuen Bildern. Gestalt und Haltung, Haare und Augen, Zähne, Hals und Brüste, Schoß und Lenden – alles wird entzückt wahrgenommen und beschrieben. Der Liebende singt der Freundin zu: „Siehe, meine Freundin, du bist schön! Siehe, schön bist du! Deine Augen sind wie Taubenaugen zwischen deinen Zöpfen. Dein Haar ist wie eine Herde Ziegen, die gelagert sind am Berge Gilead herab.- Deine Zähne sind wie eine Herde Schafe mit beschnittener Wolle, die aus der Schwemme kommen, die allzumal Zwillinge haben, und es fehlt keiner unter ihnen. –  Dein Mund ist lieblich. Wie eine Granatapfelscheibe leuchtet deine Wange hinter dem Schleier hervor.(7) – Der schlanke Hals im Schmuck deiner Kettchen und Zierrate gleicht einem mit glänzenden Schilden behängten Turm. – Deine zwei Brüste sind wie zwei junge Rehzwillinge, die unter den Rosen weiden. – Bis der Tag kühl wird und die Schatten weichen, will ich zum Myrrhenberge gehen und zum Weihrauchhügel. Du bist allerdings schön, meine Freundin, und ist kein Flecken an dir.“ (Hld 4,1-7)

Sulamith schildert ihren Freundinnen den Geliebten so: „Mein Freund ist weiß und rot, auserkoren unter vielen Tausenden. – Sein Haupt ist das feinste Gold. Seine Locken sind kraus, schwarz wie ein Rabe. – Seine Augen sind wie Augen der Tauben an den Wasserbächen, mit Milch gewaschen und stehen in Fülle. – Seine Backen sind wie Würzgärtlein, da Balsamkräuter wachsen. Seine Lippen sind wie Rosen, die von fließender Myrrhe triefen. Seine Hände sind wie goldene Ringe, voll Türkise. Sein Leib ist wie reines Elfenbein, mit Saphiren geschmückt. – Seine Beine sind wie Marmelsäulen, gegründet auf goldenen Füßen. Seine Gestalt ist wie Libanon, auserwählt wie Zedern. – Seine Kehle ist süß, und er ist ganz lieblich. Ein solcher ist mein Freund; mein Freund ist ein solcher, ihr Töchter Jerusalems!“ (Hld 5,10-16)

Die Schilderung von Kap. 4,1-7 wird in 6,4-7 noch einmal wiederholt. Eine Fortsetzung folgt in Kap. 7,1-10: „Kehre wieder Sulamith, dass wir dich schauen! Was sehet ihr an Sulamith? Den Reigen zu Mahanajim.(8) – Wie schön ist dein Gang in den Schuhen, du Fürstentochter! Deine Lenden stehen gleich aneinander wie zwei Spangen, die des Meisters Hand gemacht hat. – Dein Schoß ist wie ein runder Becher, dem nimmer Getränk mangelt. Dein Leib ist wie ein Weizenhaufen, umsteckt mit Rosen. – Deine zwei Brüste sind wie zwei junge Rehzwillinge. – Dein Hals ist wie ein elfenbeinerner Turm. Deine Augen sind wie die Teiche zu Hebron am Tor Bathrabbims. Deine Nase ist wie der Turm auf dem Libanon, der gen Damaskus sieht. -Dein Haupt steht auf dir wie der Karmel. Das Haar auf deinem Haupt ist wie der Purpur des Königs, in Falten gebunden.(9) – Wie schön und wie lieblich bist du, du Liebe voller Wonne! – Dein Wuchs ist wie ein Palmbaum und deine Brüste gleich den Weintrauben. – Ich sprach, ich muss auf den Palmbaum steigen und seine Zweige ergreifen. Lass deine Brüste sein wie Trauben am Weinstock und deiner Nase Duft wie Äpfel. Und deinen Gaumen wie guter Wein, der meinem Freunde glatt eingeht und der Schläfer Lippen reden macht.“(10)

Während in Religionen von Nachbarvölkern die Natur vergöttlicht wird, z.B. in den Fruchtbarkeitskulten, sind hier die Menschen und ihre Schönheit ganz irdisch und ganz Gabe des Schöpfers. Der Sänger gibt sich ganz der Freude über den Einklang seiner Gefühle, seiner Liebe mit der Umgebung von Natur und Schöpfung hin. Die Freude an der Schönheit muss nicht „oberflächlich“ sein. Malerinnen und Maler haben zu allen Zeiten menschliche Schönheit dargestellt – auch die Schönheit alter Gesichter, etwa bei Dürer und Rembrandt. Das Lied von Matthias Claudius: „Ich danke Gott und freue mich wie's Kind zur Weihnachtsgabe, dass ich bin, bin! und dich schön' menschlich Antlitz habe“ ist ein weiteres Beispiel.

Für die Arbeit in der Gruppe

Die biblischen Beispiele von Sara, Rahab, Ester und Sulamith sollten an mehreren Tagen mit je einer Frauengestalt erarbeitet werden. Dabei können die Bibeltexte als Grundlage dienen. Möglich ist aber auch, die Geschichten zu erzählen oder erzählen lassen. Es ist wichtig, die Fragen für die Auseinandersetzung mit dem Thema klar zu formulieren; evtl. kann die Leiterin sie schriftlich für die Teilnehmerinnen vorbereiten und dann als Plakat und / oder als Handzettel für alle kopiert mitbringen. Antworten können im Gespräch gemeinsam erarbeitet werden; evtl. Kleingruppen bilden. Im Folgenden sind einige denkbare Antworten vorgeschlagen.

 

Material: Wenn Gesprächsergebnisse sichtbar gemacht werden sollen, wären Bilder (Modezeitschriften, Illustrierte, künstlerische Darstellungen von Menschen) und Plakate, Stifte und Scheren bereitzuhalten.

Ablauf:  Welche Wirkung hat die Schönheit auf das Leben einer Frau?
– allgemein (Chancen im Beruf, Partnerwahl, Selbstbewusstsein)
– im Leben der Frauen in der Bibel (Sara: Schönheit als Gefahr und Belastung;
   Rahab: Schönheit und Missbrauch; Ester: wird Königin, wird geliebt; Sulamith:
   wird geliebt und bewundert)


Spielt die Schönheit eine Rolle beim Handeln einer Frau?
– allgemein (Eitelkeit, Berufswahl)
– bei den biblischen Frauen (Sara hat als „Objekt“ ihres Mannes und des Pharaos 
   keine Chance zu handeln, Rahab ist mutig, hat Ideen, sorgt vor. Ester setzt 
   ihre  Schönheit mutig und gezielt ein zur Rettung des Verwandten und ihres
   Volkes.  Sulamith ist sehr aktiv in ihrer Beziehung.)

Wie reagiert die Umgebung auf die Schönheit einer Frau?
– allgemein (Medienrummel, Fanclubs, hohe Erwartungen von Eltern,
   Missbrauch, Mode, Neid)
– bei den biblischen Frauen (Sara: Begehrlichkeit, Geschäftsobjekt;
   Rahab: Missbrauch; Ester: wird geliebt und macht Karriere als Königin;
   Sulamith: Die Töchter Jerusalems werden gebeten, sie zu preisen)

Was ist die Botschaft der Bibel?
– allgemein: Gott ist der Schöpfer aller Dinge. Damit ist auch
   die Schönheit eingeschlossen. Für mich höre ich, dass ich mich meiner
   Schönheit freuen darf, auch im Alter, wenn „jung und schön“ Vergangenheit
   ist. Gott gibt Verstand, mit der eigenen Schönheit und der Schönheit meiner
   Mitmenschen verantwortlich umzugehen. Wir sollen die Schönheit des Leibes
   aber auch nicht überbewerten. 
   Dazu gehört es, kritisch zu sehen, wie durch Mode und öffentliche Darstellung
   und durch die verrückte Engführung von Schönheit die Würde der Frau verletzt 
   wird.
– bei den biblischen Frauen: Sara erfährt, dass Gott eingreift und sie aus der 
   entwürdigenden Situation rettet. (Die Frauen könnten in der Gruppe ein
   Tagebuch der Sara schreiben, in dem sie ihre Gedanken und Klagen äußert.)
   Rahab wird zur Beschützerin und Retterin der jüdischen Kundschafter, in der
   christlichen Tradition lebt sie weiter als Stammutter Jesu und Zeugin des
   Glaubens. Ester ist die Fürsprecherin der Zerstreuten und Verfolgten. Sie rettet
   ihr Volk vor der Vernichtung. Sulamith verkörpert die Schönheit der Schöpfung
   Gottes.


Margarete Schulz
, Jg. 1932, wohnt in Rheinberg. Nach einer kaufmännischen Lehre und Arbeit in einer Textilfirma machte sie weitere Ausbildungen als Gemeindehelferin und Berufsschulkatechetin und studierte Ev. Theologie, Geschichte und Sonderpädagogik. Zuletzt arbeitete sie bis zu ihrer Pensionierung 1994 als Oberstudienrätin in Berufsschulen und Berufskollegs in Moers. Anschließend leitete sie bis 2002 das „Kinderhilfswerk Gomel bei Tschernobyl e.V.“ und gehörte zum Presbyterium ihrer Gemeinde.

Anmerkungen
1
Pnina Nave Levinson: Was wurde aus Sara Töchtern? Frauen im Judentum, Gütersloh (Gütersloher Verlagshaus) 1999, S. 66
2 Vgl. dazu „Die Frauen werden mich beglückwünschen“: Bibelarbeit zu Gen 29,16-30,24 in ahzw 1-2006, S. 61ff
3 Levinson, S. 86
4 Die Sage erzählt, dass die Sklavin Hagar eine Tochter des Pharaos gewesen ist
5 In der griechischen Fassung des Buches Ester sind Träume und Gebete eingeschoben. In der lateinischen Fassung (Vulgata) stehen die Einschübe weitgehend am Schluss des Buches. Die Einheitsübersetzung übernimmt alle griechischen Einschübe.
6 Stuttgarter Jubiläumsbibel, S. 825
7 Übersetzung dieses und des folgenden Verses nach der Stuttgarter Jubiläumsbibel
8 den Engelreigen zu Mahanajim 1. Mose 32,2.3
9 wörtlich: wie Purpur – ein König ist gefangen in den Sclingen (Stuttgarter Jubiläumsbibel)
10 Eine Übersetzung der hier zitierten Verse Hld 5,10-16 aus der Bibel in gerechter Sprache siehe S. 40; die kompletten hier zitierten Verse übersetzt in gerechter Sprache stehen Abonnentinnen unter www.ahzw.de/Service zum Herunterladen zur Verfügung.


Zum Weiterlesen
Athalya Brenner: Wann macht Geschlecht den Unterschied? Schönheit in der Hebräischen Bibel, in: Schlangenbrut Nr. 78 – 20. Jg. 2002, S. 16 ff
Klara Butting, Gerard Minnaard, Marie-Theres Wacker (Hgg.): Ester, Wittingen (Erev-rav) 2005. Tel. und Fax: 0581-77666; www.erev-rav.de/verlag
Maria-Sybilla Heister: Frauen in der biblischen Glaubensgeschichte, Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) 21986
Claus Westermann: Das Schöne im Alten Testament, in: Beiträge zur Alttestamentlichen Theologie, FS Walther Zimmerli, hg. v. Herbert Donner u.a., Göttingen 1977, S. 479-497

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