Alle Ausgaben / 2006 Andacht von Ulrike Oettel

Du hast meine Klage in Tanz verwandelt

Andacht zu Psalm 30,12

Von Ulrike Oettel


Du hast meine Klage in Tanz verwandelt
Andacht zu Psalm 30,12
DU hast
meine Klage
in Tanz verwandelt
und
mir das Trauergewand ausgezogen
und mich mit Freude
gegürtet.
Ps 30,12

Lied: Ich sing dir mein Lied, in ihm klingt mein Leben (Kopiervorlage in ahzw 4-1997, S. 26; auch in Kirchentags- und ähnlichen Liederbüchern)

Ein Lied, welches von Tönen, Rhythmus, Tonart singt – aber auch weiß, welche Höhen und Tiefen zu unserem Leben gehören. Hoffnung ist trotz steiniger Wege für unser Leben wichtig. Der Psalmvers spricht in anderen Worten davon:

Du
hast verwandelt
mein Klagen / meine Wehklage / meine Klagen
in Tanz / Reigen
+
mir ausgezogen / mir gelöst
das Trauergewand / das Sacktuch
und mich gegürtet
mit Freude.
(Jerusalemer Bibel / Elberfelder Bibel / Luther-Bibel)

Bildbetrachtung in der Gruppe (siehe Materialanhang 1, S. 23) oder Einführung durch die Leiterin mit folgendem Text:

Beim Vergleich fällt sofort ins Auge, dass der Beginn (du hast verwandelt) und das Ende (mich gegürtet mit Freude) dieses Psalmverses einheitlich übersetzt sind. Welcher Art die Klage war und wie das (Trauer-) Gewand ausgezogen oder gelöst wurde, ist mit jeweils anderen Worten wiedergegeben. Mir sagt das: Gleich, welcher Art Klage und Trauergewand sind, sicher ist die Erfahrung: DU hast verwandelt … und … mich mit Freude gegürtet. Und diese Erfahrung will dieser Psalmvers weitergeben!
Psalmen wurden zu den verschiedensten Anlässen geschrieben und gesungen. Alle erzählen von der Geschichte Israels mit seinem Gott: Gott, Jahwe, wird als Gegenüber, als DU angesprochen. „Psalmen sind Gebrauchstexte. Sie wurden und werden … von einzelnen Frauen und Männern und von Gemeinschaften in den unterschiedlichs¬ ten soziokulturellen Situationen gelesen und gesprochen. In den Psalmen fanden und finden Menschen Lieder, in denen sie ihre Lebenssituation widergespiegelt hören. Es sind Lieder der Hoffnung und der Befreiung, der Klage und des Leides, der Freude und des Feierns, der Betrachtung der Schöpfung und der Gerechtigkeit. … Die Psalmüberschriften wurden sekundär zum Psalmtext hinzugefügt, … die in den Psalmüberschriften genannten Autoren sind literarisch und fiktiv. Sie sollen einzelne Psalmen mit einzelnen biblischen Geschichten verbinden.“ So ist auch Psalm 30 zu verstehen, der in seiner Überschrift als Dankespsalm für die Rettung aus Todesangst gedichtet wurde und König David als Lied zur Einweihung des Tempels zugeschrieben wird.
Diesen Psalm muss ein tanz-gewohnter Mensch geschrieben, gesungen und getanzt haben mit der Erfahrung, dass nach der Zeit der Trauer und des Schmerzes eine Zeit der Freude kommt, dass sich Klage in Tanz verwandeln kann. Und sie oder er wusste auch, dass ich diese Verwandlung nicht selbst machen kann, sondern dass dafür ein DU notwendig ist. Not wenden, Not wandeln kann ich – hier – nicht selbst.
Das große DU: Gott – Jahwe im Psalm. Wer oder was kann dieses DU für mich heute sein? Je nach meinem eigenen Glaubenshintergrund werde ich dafür unterschiedliche Antworten haben:
– Gott, der mir Vater und Mutter ist
– Geist – Ruach, die dynamische lebensspendende Kraft Gottes
– Jesus Christus, mein Herr und / oder Bruder
– Lebenskraft und Lebensquelle in meiner Mitte oder außerhalb von mir…
Kann auch ein Mensch, der es neben mir aushält in meiner Weh-Klage und mich nicht vorschnell vertrösten will, dieses DU sein?
Das Klagen im Psalm verstehe ich nicht als An-Klage: die anderen sind schuld, oder als permanentes Lamentieren, Nörgeln und Jammern. Schon ein anderer Blick-Winkel ließe mich manches anders sehen und ein erster gewollter Schritt wäre möglich. Klage/Klagen/Wehklagen ist hier tiefste Gefühlsäußerung während einer Zeit der Trauer, des Schmerzes: im Angesicht des Todes, beim Verlust eines Menschen, bei lebenseinschneidenden Veränderungen durch Krankheit oder anderen Lasten, die mich zu Boden drücken. Auch der Wegfall von (bezahlter Berufs-) Arbeit braucht seine Zeit, bevor ich mich wieder anders orientieren kann.
Zeit ist wichtig, diese Gefühle zuzulassen, erst dann – später – ist wieder Offenheit möglich. Alles hat seine Zeit! Der Gürtel steht in der Symbolsprache auch für Bereitschaft: Nur so kann Verwandlung geschehen. Nur so kann „das Sacktuch gelöst“, mein „Trauergewand ausgezogen werden und ich mit Freude gegürtet“, nur so kann ich umgezogen werden.
Wie viel Zeit für dieses Umkleiden bleibt heute? Hatten nicht auch Trauerkleider ihren Sinn? Nach deren Ausziehen war die erste Zeit der Trauer vorbei.
Uns sind die Erfahrungen der damaligen Psalmbetenden fern. In Mitteleuropa, in Deutschland ist lautes (Weh-) Klagen genau wie Tanz keine übliche Lebensäußerung. „Sei doch vernünftig, das wird wieder, das geht vorbei.“ Das sind ¬ Sätze, die Frauen meiner Generation kennen. Abgrundtiefer Schmerz oder himmelhochjauchzende Freude gehören nicht in die Öffentlichkeit. Öffentlich klagende Frauen sehen wir höchstens im Fernsehen oder auf einer Reise. Diese „Klageweiber“ können noch schreiend, weinend und gestikulierend trauern bei Verlusten von lieben Menschen oder von Hab und Gut bei Naturkatastrophen. In manchen Kulturen wird Schmerz ebenso wie Freude körperlich ausgedrückt. Wenn ich bei griechischen Tänzen mittanze, kann ich erfahren, erahnen, dass Tanz eine Ausdrucksform für alle Lebensäußerungen ist. Auch der Tango lässt die unterschiedlichsten Lebensgefühle erahnen. Und der meditative Tanz bezieht alle Lebenssituationen ein.
Im Psalmvers ist die Trauer ein Gewand, das mir von dem DU ausgezogen wird. Und die Freude? Ist sie der Gürtel selbst – oder ein nicht näher bezeichnetes Kleidungsstück, welches mit einem Gürtel gehalten wird? Wozu werden alltäglich Gürtel gebraucht und wie hat sich das im Laufe der Zeit verändert?

Wenn die Zeit reicht: mit der Gruppe zusammentragen; evtl. einen symbolischen Freudengürtel aus Perlen fädeln

Ich will einiges nennen, das mir eingefallen ist: Haltegurt um die Brust bei Kleinkindern zum Schutz vor dem Herausfallen im Kinderwagen; Hüftgürtel zum Befestigen der Strümpfe, als es noch keine Strumpfhosen gab; modische Gürtel mit Halte-Funktion oder allein als Schmuck zum Unterstreichen der schmalen Taille, z.B. über dem Petticoat; die unterschiedlichen Gürtel für Hosen, auch Koppel; der Gurt im Auto; andere Sicherheitsgurte und -gürtel im Arbeitsschutz oder beim Bergsteigen; Keuschheitsgürtel sind noch in Museen zu sehen…
In allen Fällen hat der Gurt/Gürtel mit Halten, mit Festhalten zu tun – und damit mit Schützen, Bewahren, Stärken. Es ist nicht der Gürtel gemeint, der mich einschnürt und mir die Luft nimmt (wie bei Schneewittchen). Im Psalm wird der zuvor Trauernde „mit Freude gegürtet“, sie wird geschützt, bewahrt, gehalten, gestärkt – so wie es für sie, für ihn heilsam und notwendig, gut und richtig ist. So kann aus Weh-Klage Freuden-Tanz werden!
Sollten wir nicht mit dem Tanzen beginnen, damit wir diesen Psalmvers nicht nur nachsprechen, sondern nachempfinden können?
Sollte ich nicht mit dem Tanzen beginnen, damit ich zulassen kann, dass ich verwandelt werde? Dass ich verwandelt werden kann von der Klage zum Tanz, von der Trauer zur Freude?

Lied: z.B. Wechselnde Pfade (siehe Materialanhang 2, S. 25) – singen

Segen:
„Ich bitte, die linke Hand als Schale zu öffnen, damit wir den Segen empfangen können.“ (vormachen)
„So kann ich den Segen auch an meine Nachbarin weitergeben.“ (vormachen: die rechte Hand auf die Schulter der Nachbarin legen. Erst, wenn reihum alle so verbunden sind, den Segen sprechen)

Keinen Tag soll es geben,
an dem du sagen musst,
keiner ist da, der mich sieht.
Keinen Tag soll es geben,
an dem du sagen musst,
keine ist da, die mir zuhört.
Keinen Tag soll es geben,
an dem du sagen musst,
niemand ist da, der/die mich liebt.
So segne uns Gott!

Tanz: Wechselnde Pfade – bewegen/tanzen

Ulrike Oettel ist Referentin in der Kirchlichen Frauenarbeit in der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen.


Materialanhang 1

Bildbetrachtung: „Die Heilung der gekrümmten Frau“ von Lucy D'Souza-KroneUm mit diesem Bild zu Psalm 30,12 zu arbeiten, sollte es in seinen Einzelteilen verwendet werden, von unten nach oben unter folgenden Überschriften:
A: Klage.
B: Verwandeln – Du verwandelst;
C: Tanz / Tanzen / Reigen;
Die einzelnen Bilder ließen sich auch sinnvoll nebeneinander anordnen: es entstünde ein Triptychon, im Mittelpunkt das Bild der Verwandlung, hier durch Jesus. Bei einer Folie lassen sich die einzelnen Bildteile getrennt zeigen, ein Papierbild lässt sich abdecken oder in Teile zerschneiden.
Als Postkarte oder Folie erhältlich unter: Tel.: 06126/3116; Fax: 06126/4659.
Tragen Sie mit der Gruppe zusammen: Was fällt uns bei dieser Darstellung zur Klage ein (Bildteil A)? Was zu Verwandeln (B)? Was zu Tanz/Tanzen/Reigen (C)?

Gedanken zu:
(A) Die Frau ist ganz am Boden, eine riesige Bürde, ihre Sorge/Trauer drücken sie nieder; allein ihre geöffnete Hand hofft, und Gott leidet mit/Träne: KLAGE
(B) Die Zeit der Klage scheint vorbei, DU verwandelst = hier: Jesus; es wird langsam heller, obwohl die Bürde/Sorge noch da ist, sie hat Gesicht(er) bekommen: VERWANDELN
(C) Die Frauen tanzen, jede tanzt ihre Schritte; sie tanzen mit erhobenen Armen, eine Frau steht mit einem Kind (noch) am Rand; sogar zwei Gürtel (= mit Freude gegürtet) sind zu erkennen: TANZ

Von der Leiterin lässt sich das Gesagte jeweils mit den Worten des Psalmverses verknüpfen. Die „Heilung der gekrümmten Frau“ ist für mich dieser Psalmvers in einer konkreten Geschichte: DU verwandelst (B) ihre Weh-Klage (A) in Tanz (C) – DU ziehst ihr das ¬ Trauergewand aus und gürtest sie mit Freude.
Die einzelnen Bildteile lassen sich jeweils durch einen /denselben Liedvers (z.B. Ubi caritas / Wo die Liebe wohnt; auch der deutsche Text ist wichtig wegen des Themas) abschließen oder verbinden. Am Ende kann dieser Liedvers getanzt werden.


Materialanhang 2: Tänze mit tanz-ungewohnten Gruppen
Wenige Bedingungen sind beim Bewegen mit ungeübten Gruppen wichtig: unbedingte Freiwilligkeit; zu Beginn ganz einfache, nicht zu schnelle Schritte; öfter wiederholen und die Sicherheit, dass nichts falsch zu machen ist, denn: Keine(r) tanzt falsch, höchstens eine(r) einmal etwas anders!

Dabei kann Tanzen ein „kindliches Ringelreihen“ sein. Im Zusammenhang mit Inhalten verstehe ich Tanz als Unterwegs Sein: Ich bin unterwegs zusammen mit anderen, werde gehalten und halte. Ich bin unterwegs für mich allein – ohne Handfassung – auch mit meinen Gedanken. Ich bin unterwegs zur Mitte, zu Gott …
Als Kreis-Mittelpunkt eignen sich eine Kerze oder ein Blumenstrauß; diese ¬ Mitte ist wichtig.
 
Viele (Kirchen)Lieder im 4er Takt lassen sich einfach bewegen – zum Kreis durchgefasst – nach rechts beginnen:

 1 2 3 4 /
 geh'n – geh'n, wie   –   gen;
 1 2 3 4
 geh'n – geh'n – wie   –   gen
oder:
 geh'n –  geh'n – geh'n – geh'n /
 wie  –   gen    –    wie –  gen
 (leicht zur Mitte gewendet)

Wenn der Gruppe nach einigen Malen diese Schritte vertraut sind, lassen sie sich auch in der Reihenfolge variieren, z.B.:
4 Schritte auf der Kreislinie, 4 Schritte zur Kreismitte,
4 Zeiten in Kreismitte wiegen, 4 Schritte aus der Kreismitte,
4 Zeiten wiegen …
dazwischen auch 4 Zeiten für mich allein um die eigene Achse drehend – oder ganz anders …

Pilgerschritt heißt ein (Tanz)Schritt – ebenfalls 4er Takt – , der im Kreis oder als Schlange bewegt werden kann:
re – li – re – auf links zurückwiegen –
re – li – re – auf links zurückwiegen…

Als sehr einfache Tänze zu verschiedenen Themen und für den Anfang sind besonders geeignet: Lieder zum Selbst-Singen bzw. Summen, z.B.: Ausgang und Eingang (eg 175); Wo zwei oder drei (eg 568); Suchet zuerst Gottes Reich (eg 182); Mögen sich die Wege vor deinen Füßen ebnen; Ubi caritas (eg 651); WGT-Abschlusslied nach der Melodie eg 266 oder WGT CD 2004 Nr.13.
Für diese einfachen Schritte sind auf der WGT-CD in jedem Jahr ein bis zwei Musikstücke zu finden, z.B.: 1999 (Nr. 13); 2002 (Nr. 19), 2003 (Nr. 17); 2004 (Nr. 19); 2005 (Nr. 15); 2006 (Nr. 13). Sie lassen sich je nach Thema und gewünschtem Tempo einsetzen.

Vielleicht haben Sie wie ich Lust bekommen, als wenig bewegungs- und tanzgeübte, oft kopflastige Frau dann und wann selbst zu tanzen oder einen Tanz anzuleiten, um sich selbst und andere auf diesen Weg und in BeWEGung zu bringen?


Materialanhang 3: Wechselnde Pfade

Kanontanz in einem oder in vier Kreisen

Im baltischen Hausspruch „Wechselnde Pfade“ spiegelt sich das Auf und Ab des Lebens. Er bezieht die Transzendenz mit ein und gipfelt in der tröstlichen Zusage: „Fürchte dich nicht.“ Volkslieder haben im Baltikum einen sehr hohen Stellenwert. Die meist vierzeiligen Lieder begleiten die Menschen von der Geburt bis zum Tod. Von Lettland ist bekannt, dass auf jeden Einwohner ein Volkslied kommt. Die Angehörigen von Braut und Bräutigam wetteiferten bei der Hoch¬ zeit, wer von ihnen die meisten, die schönsten, die ältesten und die scharfsinnigsten Lieder kannte.

Bewegungsvorschlag:

Aufstellung im Kreis und an den Händen fassen, Tanzrichtung nach rechts

Wechselnde Pfade
Drei Schritte in Tanzrichtung gehen: rechts, links, rechts.
Mit dem vierten Schritt aus links zurück stehen und sich dazu mit einer halben Drehung nach links auf die andere Seite drehen.

Schatten
Den rechten Handrücken vor die
Augen legen und zwei Schritte nach links gehen: rechts, links.

und Licht
Sich zur Mitte wenden und den rechten Arm im weiten Bogen nach unten führen.

alles ist Gnade
Die leeren Hände hinhalten (Front zur Mitte).

fürchte dich nicht
Die rechte Hand auf die rechte Schulter des Nachbarn / der Nachbarin legen (Front zur Mitte).


Marlis Ott
, aus: Bewegte Botschaft. Liedtänze zum Tages-, Jahres und Lebenskreis © Verlag am Eschbach 1996

Das Lied lässt sich auch sitzend bewegen, indem die „wechselnden ¬ Pfade“ mit den Händen „gemalt“ werden. Die Gestik zu „Schatten – Licht – Gnade – fürchte dich nicht“ ist genau so wie bei der ausführlichen Tanzbeschreibung. Dieser körper-berührende Zuspruch „fürchte dich nicht“ ist dabei mehr als nur eine Geste!

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