Ausgabe 2 / 2022 Editorial von Margot Papenheim / Frauke Petersen

Editorial

Von Margot Papenheim / Frauke Petersen

Liebe Leser*innen


„Die im Dunkeln sieht man nicht“ – so endet der Vierzeiler, den Bertolt Brecht der aus der Dreigroschenoper bereits breit bekannten Moritat von Mackie Messer 1930 noch hinzufügt. Die im Dunkeln sieht man nicht. Die nicht auf der Sonnenseite des Lebens geboren wurden oder sich nicht dort halten konnten. In die Flucht geschlagen von inneren Ängsten oder äußeren Katastrophen, die über ihr Leben hereingebrochen sind. Die sich verkrochen haben vor den mitleidigen oder gleichgültigen Blicken der Starken und Erfolgreichen. Vor den hasserfüllten Blicken derer, die sich die Angst vor Ansteckung mit dem Elend vom Leib halten wollen. Vor den sich abwendenden Blicken derer, die fürchten, sie könnten gefragt sein mitzufühlen, zu helfen, zu teilen.

Hagar ist auch so eine. Vom Hof gejagt und in die Wüste geschickt von ihrer gedemütigten und um ihre Stellung fürchtenden Herrin. Schwanger ist sie, die Sklavin. Trägt Abrahams Kind im Leib aufreizend vor sich her. Unerträglich, das weiter Tag für Tag sehen zu müssen. Ja, ja, es war die eigene Idee. Aber doch nicht so! Was bildet die sich überhaupt ein! Und wenn es nun mal so ist, wie es gekommen ist, da will dann Abram auch nichts mehr machen. Was soll er schon sagen, wenn die beiden Frauen nicht miteinander und mit der Situation klarkommen?

So ist Gott nicht. Gott hat einen Blick und ein Herz für die im Dunkeln. Gott hört den Schrei der gequälten Geschöpfe, Gott sieht ihr Elend. Sei es das Elend des geknechteten Volkes Israel, sei es das Elend der kleinen ägyptischen Sklavin. Gott zeigt sich denen im Dunkeln. Spricht mit ihnen. Offenbart sich ihnen als „El Roï, Gottheit des Hinschauens“. So erfährt Hagar Gott. Diesen Namen gibt sie Gott. Die Jahreslosung 2023 ist eine Aufforderung: sich der „Gottheit des Hinschauens“ anzuschließen, ihre Perspektive einzunehmen, den eigenen Blick für die im Dunklen zu schärfen. Und sie ist eine ermutigende Verheißung: dass Gott da sein wird und Menschen da sein werden, wenn es dunkel um uns selbst wird.

Ihre

Margot Papenheim                  Frauke Petersen

Wir sagen Tschüss und Hallo!

Frauke Petersen wird im Evangelischen Zentrum Frauen und Männer künftig andere Aufgaben übernehmen. Margot Papenheim wird darum noch einmal einige Ausgaben der leicht&SINN redaktionell begleiten. Diese Ausgabe haben wir Hand in Hand vorbereitet und die Redaktion im fliegenden Wechsel gemeistert. Uns hat es Spaß gemacht – und den gleichen Spaß wünschen wir Ihnen beim Lesen!

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