Alle Ausgaben / 2005 Artikel von Astrid Utpatel-Hartwig

Ein Körbchen voller Rosen und Äpfel

Über heilige Frauen und ihre Blumen

Von Astrid Utpatel-Hartwig

Stellen Sie sich vor: Sie stehen in einer Kirche vor einem Schnitzaltar mit verschiedenen heiligen Männern und Frauen. Eine Heilige sticht Ihnen besonders ins Auge, weil sie auffallend lieblich und anmutig gearbeitet ist. Ihr langes Haar fällt mit einem sanften Schwung herab, um die Stirn trägt sie einen Blumenkranz. In der Hand hält sie ein Körbchen mit Rosen und Äpfeln.

Wer ist diese heilige Frau, die so wunderschön daherkommt, die so sehr an eine Frühlingsfee erinnert oder an ein blumenstreuendes Mädchen? Auf vielen Altären in Deutschland sehen wir diese junge Frau: Dorothea von Cäsarea. Vielleicht fällt Ihnen gleich eine Frau oder ein Mädchen mit diesem Namen ein – oder mit einer seiner Abwandlungen wie Doris oder Dörte? Denn wie alle Namen der hoch verehrten Märtyrerinnen der frühen Christenheit, erfreut sich auch ihr Name neben Katharina, Barbara und Margareta als Rufname für Mädchen immer noch großer Beliebtheit.

Eine romantische Legende

Die Legende berichtet über die heilige Dorothea: Sie war eine junge Frau, im christlichen Glauben erzogen, obwohl sie in einer Zeit lebte, in der das Christentum eine Religion war, deren Anhängerinnen und Anhänger immer wieder in Pogromen verfolgt wurden. Sie war, wie übrigens in den Legenden von allen heiligen Jungfrauen erzählt wird, wunderschön. Der heidnische Statthalter in Cäsarea, wo sie lebte, begehrte sie zur Frau. Als sie ihn abwies, ließ er sie wegen ihres christlichen Glaubens ins Gefängnis werfen und entsetzlich foltern. Alle Folter konnte sie aber nicht zu einer Leugnung ihres Glaubens bringen, so dass sie hingerichtet werden sollte. Viele Menschen waren gekommen, um dieses öffentliche Schauspiel zu verfolgen…
Dorothea wendet sich der Menge zu und spricht: „In dieser Welt ist es kalt. Ich bin froh, dass ich jetzt in ein Land gehen darf, in dem es keinen Winter und keinen Schnee gibt, und wo die Sonne nie untergeht.“ Daraufhin ruft ihr ein junger Rechtsgelehrter spöttisch zu: „Nun, wenn du in dieses schöne Land kommst, dann schicke mir doch Rosen und Äpfel aus dem Garten deines Bräutigams.“ Dorothea verspricht es ihm. Bevor sie enthauptet wird, spricht sie noch ein Gebet, in dem sie Gott bittet, alle Bitten, die in ihrem Namen erhoben werden, zu erhören. Dann stirbt sie. Im darauf folgenden Winter erscheint vor der Tür des Rechtsgelehrten ein kleiner Knabe, „engelgleich“, wie es in der Legende heißt, und überbringt ihm ein Körbchen mit Rosen und Äpfeln von Dorothea. Der junge Mann bekehrt sich nun auch zum christlichen Glauben und stirbt ebenfalls als Märtyrer.

Lebensfreude und Tod

Eine sehr romantische, poetische, wenn nicht sogar leicht kitschige Legende. Das liegt nicht zuletzt an den Rosen, die hier erwähnt werden und uns wahrscheinlich als die Blumen der Liebe und Leidenschaft vor Augen stehen. Dabei ist die Rose viel mehr als die Blume, die „mann“ seiner Angebeteten schenkt. Die Rose ist ein sehr komplexes Symbol, auch ein sehr ambivalentes. Sie steht sowohl für die himmlische Vollkommenheit als auch für die irdische Leidenschaft. Sie steht für die Lebensfreude, aber auch für den Tod. Im Mittelalter war sie vor allem ein christliches Symbol: Sinnbild Mariens. Die rote Rose erinnerte an das Blut Christi und das Martyrium der Heiligen. Und die Rose taucht in vielen Kulturen als Blume weiblicher Gottheiten auf, etwa als Attribut von Aphrodite, Aurora, Venus und Isis.
Der Apfel, ebenfalls im Korb der Dorothea, ist seit langer Zeit das Symbol für Fruchtbarkeit, Erkenntnis und Weisheit. In Verbindung mit dem Apfel steht in unserer Legende nun die Rose als Symbol für die Überwindung des Todes. Und genau um dieses Zeichen geht es. Mit Symbolen, die den Menschen schon aus vorchristlicher Zeit vertraut sind, wird die zentrale Aussage der Heiligenlegenden veranschaulicht: mit dem Tod beginnt ein neues Leben im Reich Gottes.

So ist es nicht verwunderlich, dass die Rose häufiger Symbol von heiligen Frauen ist. Die Mystikerinnen Wilburgis, Rosa von Lima, Lidwina und Theresia von Lisieux werden mit Rosen gezeigt. In diesen Fällen stehen die Rosen mit ihren Dornen für die schmerzhafte Liebe zu Jesus und die Verbundenheit gerade mit seinem Leid und seinen Schmerzen.
Die bekannteste Legende, in denen Rosen die Hauptrolle spielen, ist das „Rosenwunder“ der Elisabeth von Thüringen: Die von den Angehörigen des landgräflichen Hofes in Eisenach wegen ihrer Großzügigkeit angefeindete Elisabeth ist eines Tages auf dem Weg nach Eisenach und trägt einen Korb mit Brot bei sich, um es an die Bedürftigen zu verteilen. Und natürlich begegnet sie ihrem Schwager Heinrich, der sie barsch fragt, was sie nun schon wieder zu den Armen davonschleppe. Sie antwortet, dass sie lediglich Rosen in ihrem Korb habe, und als sie das Tuch über dem Korb zurückschlägt, liegen tatsächlich Rosen darin. Diese Legende ist erst viele Jahre nach Elisabeths Tod in ihre Biografie eingefügt worden, um eine ihrer Tugenden, die Großzügigkeit, besonders zu betonen. Es sind nicht zufällig Rosen, die dort in dem Korb zu finden sind – der Hinweis auf das Blut Christi und die sehr schmerzvolle Nachfolge Christi, die Elisabeth gewählt hatte.

Die Macht der Schwachen

Noch eine zweite Blume spielt eine besondere Rolle bei den Heiligen: die Lilie. Sie gilt als das Symbol für Reinheit, Keuschheit und Unschuld. Allen jungfräulichen Göttinnen ist diese Blume geweiht. Ich möchte in diesem Zusammenhang vor allem auf die Heiligen hinweisen, die ein Lilienzepter tragen dürfen. Das Zepter, das Könige zu ihren Herrschaftsinsignien zählten, wurde hier kombiniert mit der Lilie zum Zeichen der „Macht der Schwachen“: Indem sich die Heiligen ganz Gott anvertrauen, bekommen sie in ihrer Reinheit und Unschuld so viel Macht wie ein König und können die irdischen Könige damit überwinden, so zu sehen bei der heiligen Katharina von Alexandrien, die auf Altären und Bildern einen winzigen Kaiser unter ihren Füßen hat. Das Lilienzepter finden wir auch bei der heiligen Cäcilia, die uns mehr als Patronin der Kirchenmusik vertraut ist. Dieses Patronat erhielt Cäcilia aber erst Hunderte von Jahren nach dem Beginn ihrer Verehrung. Vorher war sie mit einem Blumenkranz aus weißen und roten Rosen und mit einem Lilienzepter dargestellt worden. Auch die heilige Walburga wird manchmal mit einem Lilienzepter dargestellt. Natürlich ist auch die Lilie als Blume ein häufiges Attribut für heilige Frauen gewesen, u. a. für Katharina von Siena, Klara von Assisi und Margareta von Ungarn.

Viele Märtyrerinnen tragen einen Palmzweig, der auf ihr Martyrium hinweist. Er steht symbolisch für die Prophezeiung der christlichen Auferstehung und für einen Sieg über den Tod. Die Palme, die immer aufrecht und gerade wächst und immergrün ist, ist seit langer Zeit ein Gottes- und Lebensbaum. So ist es nur folgerichtig, dass gerade diese Zweige den Heiligen auf den Altären und Bildern in die Hand gegeben wurden.

Die besondere Beziehung der heiligen Frauen zu Blumen drückt sich aber nicht nur in ihren Attributen aus, sondern auch in ihren Patronaten und dem Brauchtum an ihrem Festtag. Gleich mehrere heilige Frauen haben ein Patronat für die GärtnerInnen: Dorothea, Rosa von Lima, Agnes, Gertrud von Nivelles. Auf letztere möchte ich näher eingehen.

Blüten im Schnee

Gertud von Nivelles war eine Äbtissin aus dem 7. Jahrhundert, die auf dem Gebiet des heutigen Belgiens gewirkt hat. Hauptsächlich bekannt ist sie dafür, dass sie irische Wandermissionare auf das europäische Festland berief und für sie das erste Spital bauen ließ. So wird sie meistens auch mit einem kleinen Spitalmodell in der Hand dargestellt. Für uns ist aber entscheidend, dass ihr Festtag der 17. März ist – derselbe Tag, an dem auch die germanische Göttin Freya ihren besonderen Tag hatte. Die Aufgaben dieser vorchristlichen Göttin sind zum Teil auf Gertrud übertragen worden. Am 17. März endete die Spinnstubenzeit und die Felder wurden bei Prozessionen gesegnet. Zahlreiche Bauernregeln für diesen Tag weisen darauf hin: „Ist Gertrude sonnig, wird's dem Gärtner wonnig.“ „Sankt Gertrud führt die Kuh zum Kraut, die Bienen zum Pflug und die Pferde zum Zug.“ „Sankt Gertrud tut die Erd' von unten auf.“ So ist Gertrud zu der Frühlingsheiligen und zu einer besonders volkstümlichen Heiligen geworden.

Auf einen besonderen Brauch, der auch in unserer Zeit noch vielen Menschen bekannt ist, lohnt es sich näher einzugehen: das Schneiden der Kirschzweige am Barbara-Tag, dem 4. Dezember. Scheinbar Totes, Abgestorbenes wird hereingeholt in die Wärme der Wohnungen und erblüht dann am Heiligen Abend, zur „Unzeit“ gewissermaßen, als ein blühendes Symbol. Die Botschaft ist wieder: Der Tod ist überwindbar, neues Leben bricht hervor, wenn wir darauf vertrauen. Die heilige Barbara war eine frühchristliche Märtyrerin und hat sehr unter ihrem tyrannischen Vater gelitten, der sich selbst über sie zu Gericht setzte und sie am Ende auch enthauptete. Doch in der Nacht vor ihre Hinrichtung erscheint ihr ein Engel und bringt ihr die Sterbesakramente. Das ist ein sehr tröstliches und hoffnungsvolles Bild. Dieses Bild wurde in den praktischen Brauch zum Barbara-Tag umgesetzt. Dieser Brauch ist heute noch so lebendig, dass sogar zeitgenössische Autoren Gedichte dazu geschrieben haben:

Am Tage von Sankt Barbara, da geht das Jahr zur Neige.
Dann trag ins Haus, von fern und nah, die kahlen Kirschbaumzweige!
Am Tage von Sankt Barbara stell Zweige in dein Zimmer!
Dann lacht zur Weihnacht, hier und da, ein weißer Blütenschimmer.
James Krüss

Geh in den Garten am Barbaratag
Geh zum kahlen Kirschbaum und sag:
„Kurz ist der Tag, grau ist die Zeit.
Der Winter beginnt, der Frühling ist weit.
Doch in drei Wochen, da wird es gescheh'n:
Wir feiern ein Fest wie der Frühling so schön.
Baum, einen Zweig gib du mir von dir!
Ist er auch kahl, ich nehm' ihn mit mir.
Und er wird blühen in leuchtender Pracht
mitten im Winter in der Heiligen Nacht.“
Josef Guggemos

Wir sehen an diesen vielfältigen Beispielen, dass Blumen in der Heiligenverehrung eine große Rolle gespielt haben und immer noch spielen. Ihr Symbolgehalt ist groß und uns oft nur in Bruchstücken präsent. Auf der IGA 2003 in Rostock habe ich eine interessante Entdeckung gemacht. Es gab dort ein relativ großes Areal, auf dem Gräber, ihre Bepflanzung und Grabsteine ausgestellt wurden. Dazu gab es einen höchst interessanten Informationsstand, an dem ich folgende Broschüre mitgenommen habe: „Ans Leben erinnern. Pflanzen und ihre Symbolik – Eine Information der ARGE-Friedhofsgärtner Genossenschaften und Treuhandstellen im ZVG e.V.“ Darin werden Farben, Formen und einzelne Pflanzen mit ihrer Symbolik vorgestellt. Es wird also daran gearbeitet, unser bruchstückhaftes Wissen über Pflanzensymbolik zu verbessern…

Für die Arbeit in Gruppen

Dorothea – die Heilige der Blumen

Zeit: 2 Stunden

Material:
– für die Gestaltung der Mitte: Korb mit Rosen und Äpfeln, evtl. je eine Rose und einen Apfel für jede Teilnehmerin; Kerzen, Tücher
– Papier, verschiedene Malutensilien (Stifte, Malkreiden, Tusche, Kohlestifte…); Tische als Arbeitsfläche zum Gestalten
– Legende der Dorothea (Kopie für alle; Kopiervorlage unter Service/zum Herunterladen); Gesangbücher oder Kopie des Liedes „Freunde, dass der Mandelzweig“
– Buch „Heilige Frauen in Kirchen Mecklenburg-Vorpommerns“ oder andere Bücher, Fotos, Karten mit Abbildungen der heiligen Dorothea
– Kassettenrekorder oder CD-Player; ruhige Musik

Material (PDF-Dokumente) ansehen und herunterladen

Ablauf:

Lied: Freunde, daß der Mandelzweig wieder blüht und treibt (EG)

Einführung: Es soll uns in dieser Runde heute um den „Blütensieg“ gehen, wie wir es eben gesungen haben. Ich möchte Sie näher bekannt machen mit einer heiligen Frau, die seit Hunderten von Jahren als Patronin der Blumengärtnerlnnen verehrt wird und auch einen „Blütensieg“ davongetragen hat – trotz ihres Martyriums und ihres Todes auf dem Schafott. Es geht um Dorothea von Cäsarea.

Vorlesen der Legende durch die Gruppenleiterein; im Hintergrund leise Musik zum Nachsinnen; nach einigen Minuten: Legende als Kopie an alle verteilen; Zeit zum eigenen Lesen geben

Assoziationsrunde: Welches Bild entsteht in mir beim Hören und Lesen der Legende? Was für ein Gefühl habe ich dabei?

Erklärung der Symbolik von Rosen und Äpfeln durch die Gruppenleiterin; anschließend Gespräch über die Bedeutung der Blumen und Früchte in der Legende: Welche Aufgabe haben sie in der Legende?

Gestaltung: Bitten Sie die Frauen, sich einen Platz zum Gestalten zu suchen und unter folgender Fragestellung eine heilige Dorothea zu entwerfen: Wie stelle ich mir Dorothea vor? Wie würde ich sie als Heilige gestalten? Welche Attribute würde ich ihr in die Hand geben?

Jede Frau stellt „ihre“ Dorothea vor. Anschließend werden die „eigenen“ Dorotheas mit den „offiziellen“ Darstellungen in Kirchen, die auch sehr vielfältig sind, verglichen. Es eignet sich dafür der Bildband „Heilige Frauen in Kirchen Mecklenburg-Vorpommerns“, da darin viele verschiedene Dorotheen zu sehen sind. Aber auch eigene gesammelte oder ausgeborgte Bilder sind möglich.

Abschluss: Gebet und Lied „Freunde, daß der Mandelzweig“; evtl. an jede Teilnehmerin eine Rose und einen Apfels verschenken

Literatur:
Vera Schauber, Hanns Michael Schindler, Heilige und Namenspatrone im Jahreslauf, Augsburg (Pattloch) 1993
Lexikon der christlichen lkonographie, hg. v. Engelbert Kirschbaum, Wolfgang Braunfels, 8 Bde., Freiburg (Herder) 1968-1976
Erna Melchers, Das Jahr der Heiligen. Geschichte und Legende. Zusammengestellt und herausgegeben von Erna Melchers unter Mitarbeit von Hans Melchers, München (Südwest Verlag) 1965
Horst Leisering, Wetter- und Bauernregeln, München (Mosaik Verlag) 1997
Astrid Utpatel-Hartwig, Ilse Schrama, Heilige Frauen in Kirchen Mecklenburg-Vorpommerns, hg. vom Ev. Frauenwerk in Mecklenburg-Vorpommern, Amsterdam, Stralsund (weiw) 2004

Astrid Utpatel-Hartwig, Jahrgang 1967, ist freie Mitarbeiterin im Ev. Frauenwerk Mecklenburg-Vorpommern. Seit 1998 leitet sie Reisen zum Thema „Heilige Frauen in Kirchen Mecklenburgs“.
Kontakt: Ev. Frauenwerk Mecklenburg-Vorpommern, Tel.: 03831 / 38 37 62

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