Ausgabe 2 / 2009 Material von Martin Rosowski

Ein Thema für die Männer!

Von Martin Rosowski


Im Vergleich zur wachsenden Bereitschaft vieler Männer, Erziehungs- und Betreuungsaufgaben für Kinder zu übernehmen, ist ihre Bereitschaft zur Pflege alter und kranker Angehöriger eher zurückhaltend. Nach den Ergebnissen der aktuellen großen Befragung unter Deutschlands Männern, die die Gemeinschaft der Katholischen Männer Deutschlands und die Männerarbeit der EKD in Auftrag gegeben haben,(1) lehnen es ca. ein Drittel der befragten Männer gänzlich ab, heimische Pflege zu übernehmen, während nur 15 Prozent für eine solche Verpflichtung ihre Arbeit aufgeben würden. Immerhin 57 Prozent der Befragten können sich Teilzeitmodelle zwischen 30 und 75 Prozent Reduzierung der Erwerbsarbeitszeit vorstellen. Bei den als Kontrollgruppe befragten Frauen waren die radikalen Ablehnungswerte wie die Werte für die gänzliche Aufgabe der Erwerbsarbeit genau umgekehrt verteilt.

Warum tun sich Männer mit der Pflegeverantwortung also eher schwer? Die Argumente, mit denen sie durch alle Geschlechtertypen hindurch ihre Distanz zur Rolle des Pflegenden begründen, sind sehr rational:

– 47 Prozent halten die professionellen Einrichtungen für kompetenter und besser geeignet, den Pflegebedürftigen zu helfen. Viele dieser Männer fühlen sich persönlich nicht kompetent und überfordert.
– 34 Prozent befürchten, die berufliche Karriere durch eine Arbeitsunterbrechung für die Pflege zu gefährden.
– 46 Prozent halten es aus finanziellen Gründen für „vernünftiger“, wenn die in der Regel weniger verdienende Frau die Pflege übernimmt und so das höhere Einkommen erhalten bleibt.
– Schließlich halten 31 Prozent der befragten Männer die häusliche Pflege von Angehörigen nicht für ihre (männliche?) Aufgabe. Das eigene Rollenverständnis scheint der Pflegetätigkeit im Wege zu stehen.

Solche Argumente erinnern frappierend an die in weiten Teilen bereits überwundenen Grundsatzdiskussionen um die Übernahme der Haushalts- und Erziehungsverantwortung durch Männer. Gesellschaftliche Diskussion und politische Rahmenbedingungen haben hier einen Wandel angeregt. Im Bereich der Pflege fehlt solcher öffentliche Druck auf diesen noch ausstehenden Rollenwandel der Männer heute noch gänzlich.

Nun ist aus anderen Studien bekannt – und auch die Männerstudie gibt keine Belege für das Gegenteil: Männer sind nicht grundsätzlich resistent gegen die Übernahme
von Pflege daheim. Die Präsenz von Männern im häuslichen Pflegebereich hat zugenommen. Der Altenbericht der Bundesregierung spricht von ca. 30 Prozent pflegenden älteren Männern in Lebenspartnerschaften. Und auch die Pflegesituationen in vielen Schwulenbeziehungen sollten nicht außer Acht gelassen werden.

Wenn Männer pflegen, dann pflegen sie anders als Frauen: Sie pflegen vielfach erst im Alter und dann vorrangig die Person, mit der sie zusammenleben. Es gehört nicht zu ihrem Rollenselbstverständnis – sie tun es aus einer Art „freiwilliger Verpflichtung“ heraus. Männer sorgen zudem eher als dass sie pflegen. Die Organisation der Pflege und des Lebensumfeldes der betroffenen Person ist ihre große Stärke. Gewiss bleibt beim Blick auf die Quantität ein großes Ungleichgewicht im Vergleich zu den Frauen. Doch sollte die Diskussion der Unterschiede mit dem Ziel geführt werden, auch in diesem Lebensbereich geschlechtergerechte Verhältnisse zu schaffen, die dem Leben dienen und die den Bedürfnissen der pflegenden wie zu pflegenden Männer und Frauen gerecht wird.


Martin Rosowski


Anmerkungen

1 Paul Zulehner, Rainer Volz, Männer in Bewegung. 10 Jahre Männerentwicklung in Deutschland, Bonn 2009, herausgegeben im Auftrag der Gemeinschaft Katholischer Männer Deutschlands und der Männerarbeit der EKD durch Martin Rosowski und Andreas Ruffing, gefördert durch das BMFSFJ

Ausgabenarchiv
Sie suchen eine Ausgabe?
Hier entlang
Suche
Sie suchen einen Artikel?
hier entlang