Ausgabe 2 / 2012 Andacht von Merga Negeri Arabe und Gisela Egler-Köksal

Einander Beistand und Trost

Andacht zu Familie und anderen Orten der Gemeinschaft

Von Merga Negeri Arabe und Gisela Egler-Köksal

Votum
Wir halten Andacht im Namen Gottes.
Gott schenkt uns Leben in Gemeinschaft;
im Namen Jesu Christi,
seine Freundlichkeit und Verlässlichkeit tragen uns;
im Namen Heiligen Geistes,
Kraft, die uns im Glauben trägt und zum Handeln treibt. Amen.

Psalm 85, 9-14
9. Ich will hören, was Gott sagt.
Gott, unbestritten, verkündet: Frieden seinem Volk und denen, die Gott lieben,
dass sie sich nicht zur Mutlosigkeit wenden.
10. Ja! Nahe ist sein Befreien denen, die Gott ergeben sind, dass glanzvolle Würde in unserem Land wohne.
11. Freundlichkeit und Verlässlichkeit treffen aufeinander.
Gerechtigkeit und Frieden küssen sich.
12. Verlässlichkeit wird aus der Erde sprießen, Gerechtigkeit vom Himmel herabschauen.
13. Auch gibt Gott das Gute. Unser Land gibt seinen Ertrag.
14. Gerechtigkeit geht vor dem Antlitz Gottes her und setzt zu einem Weg ihre Schritte.

Lied
Wohl denen, die da wandeln
(EG 295, 1-2)

Wir brauchen geschützte Orte, wo wir in vertrauter Atmosphäre Kraft tanken und uns gegenseitig stärken können, wo wir Halt und Geborgenheit finden.

Wo fühle ich mich sicher, beschützt, geliebt, versorgt und akzeptiert? Wo finde ich eine freundliche Umgebung? Gute menschliche Beziehungen, sei es in der Familie, in der Gemeinde oder im Ort, sind dabei wichtig. Menschen, die bereit sind, mir zu helfen und sich von mir etwas geben zu lassen.

In die Familie werden die Kinder hineingeboren. Meistens finden sie hier Raum zum Wachsen, zum Miteinanderleben. Gleichzeitig leben wir aber in einer Welt, in der die Schwachen, die Kranken, die Armen, die Älteren, die Machtlosen und diejenigen, die keinen großen Einfluss haben, sehr verwundbar sind und oft schlechten Behandlungen ausgesetzt. Tagtäglich erleben wir auch, wie klein unsere Welt heute geworden ist. Um Arbeit zu finden und den Lebensunterhalt zu verdienen, verlassen immer mehr Menschen ihre Heimatdörfer, -städte und -länder. Die Familien leben getrennt voneinander. Sie können einander nicht mehr beistehen. Viele müssen ihre Heimat wegen der politischen Verhältnisse verlassen. Sie kommen in eine andere Stadt, in ein anderes Dorf, ein anderes Land und sind erst einmal alleine – auch als Familie. Sie haben ihren Zusammenhang verloren.

Von den Familien wird inmitten von alldem erwartet, Schutzraum für den und die Einzelne zu sein, besonders für die Kinder und für die Älteren. Aber können sie das überhaupt leisten? Familie – ein Ort des Wachsen und des Einander Beistehens? In einem afrikanischen Sprichwort heißt es: „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind groß zu ziehen.“ Und es müsste ergänzt werden: „Es braucht ein ganzes Dorf, um Eltern – und Großeltern – sein zu können.“

Wir sind hier und heute als eine Gruppe (von Frauen) versammelt. Wir sind Teil dieses Dorfes, das gebraucht wird, um Kinder groß zu ziehen, Eltern und ältere Menschen wertzuschätzen und ihnen beizustehen. Mutter und Vater sein, das ist nicht nur eine biologische Tatsache. Viele mütterliche und väterliche Menschen werden gebraucht für das Zusammenleben von Menschen verschiedener Generationen. Wir können uns hier darüber austauschen, uns gegenseitig stärken und in Schwierigkeiten trösten.

Inmitten einer großen Not beschreiben Paulus und Timotheus die gleichzeitige Geborgenheit in den Tröstungen, die Gott als Gott Israels ihnen und allen zukommen lässt.(1) Sie nehmen dazu die Sprache der Lob- und Danklieder des Gebetbuches Israels, der Psalmen, und dichten selbst einen Psalm zum Lobpreis für das rettende Eingreifen Gottes. Wir lesen im 2. Brief an die Gemeinde in Korinth 1,3-4:

3 Gesegnet sei Gott, wie Vater und Mutter für Jesus, den Messias und Herrn über uns! Gesegnet sei Gott, die väterliche Quelle des Erbarmens und aller Tröstung! 4 Gott tröstet uns in jeder bedrängten Lage, so dass wir andere, die auf so viele Weisen bedrängt sind, trösten können mit dem Trost, mit dem wir selbst von Gott getröstet werden.

„Paulus und Timotheus sehen in der -eigenen erlebten Rettung vom Tode einen Trost Gottes, den sie weitergeben können (V.4)… Als Menschen können sie also Gottes Gaben weitergeben“(2) für viele Menschen. „Das ist eine Art ‚Trostverbundsystem', in dem jeder den anderen braucht, Trost empfängt und Trost weitergibt.“(3) So hat es Luise Schottroff treffend beschrieben.

Trösten meint hier „das Herausholen aus der Notsituation, bzw. der Krise. … Und meint eigentlich Rettung zum Leben durch Gott. … In diesem Sinne beschreiben die gegenseitigen Tröstungen des 2. Kor, dass alle so Verbundenen einander fortwährend wieder ins Leben rufen können. Wir dürfen also das Trösten keinesfalls als Trost anstelle von wirklicher Rettung und Hilfe oder gar als ‚vertrösten' verstehen, eine Bedeutung, die im Deutschen leicht mitschwingen kann, sondern vielmehr als Beendigung der Not, als wiedergewonnenes Leben.“(4)

Wiedergewonnenes Leben – das ist die Hoffnung des einander Tröstens und Stärkens. Und wir hier sind Teil dieses „Trostverbundsystems“, das wir so dringend in unseren Familien, aber auch in unseren Gruppen und Gemeinden brauchen.

Noch einmal: Können Familien Schutzraum sein? Ja – wenn sie Teil des „Trostverbundsystems“ sind, wenn ein ganzes „Dorf“ ihnen beisteht.

Darum:
Gesegnet sei Gott, wie Vater und Mutter für Jesus, den Messias und Herrn über uns! Gesegnet sei Gott, die väterliche Quelle des Erbarmens und aller Tröstung! Gott tröstet uns in jeder bedrängten Lage, so dass wir andere, die auf so viele Weisen bedrängt sind, trösten können mit dem Trost, mit dem wir selbst von Gott getröstet werden.

Gebet
Gott, wir danken dir, dass du uns Familien, andere Gemeinschaften und unsere Gemeinden gegeben hast,
in denen wir unsere Gefühle, Freuden und Traurigkeiten teilen können;
wo wir einander brauchen und füreinander sorgen – in Zeiten der Freude und des Glücks wie in Zeiten des Schmerzes und der Trauer.
Jede und jeder braucht es,
ein bedeutsames Leben zu leben.
Wir müssen die Schwierigkeiten im Leben überwinden.
Für all das brauchen wir einander.
Hilf uns Gott, barmherzig miteinander zu sein und füreinander zu sorgen.
Hilf uns für das Wohlsein derer mitzuwirken, mit denen wir zusammenleben.
Amen

Vater unser

Segen
Gott, segne die Zeit,
die wir miteinander verbringen,
segne unsere Gemeinschaft und unsere Gespräche.
Gott segne und behüte uns und sei du bei uns.
Gott, der du uns wunderbar geschaffen hast,
baue mit uns den Schutzraum für unser Leben.
Gott nähre unsere Sehnsucht nach einem Leben in Fülle für alle Menschen.
Amen

Merga Negeri Arabe, Jg. 1966, ist Sozialdiakonischer Mitarbeiter im Ökumenischen Zentrum Christuskirche, Frankfurt.

Gisela Egler-Köksal, Jg. 1960, ist Pfarrerin der Ev. Personalgemeinde Christus-Immanuel im Ökumenischen Zentrum Christuskirche (Frankfurt am Main) und Mitglied im Redaktionsbeirat ahzw.

Anmerkungen:
1 Bei den folgenden Ausführungen beziehen wir uns auf Marlene Crüsemann: Trost, charis und Kraft der Schwa-chen: Eine Christologie der Beziehung nach dem zweiten Brief an die Gemeinde in Korinth. Für Luise Schottroff zum 75. Geburtstag, http://www.pfarrerinnentag-ekhn.de/10cruesemannvortrag.pdf
2 http://www.pfarrerinnentag-ekhn.de/10cruesemannvortrag.pdf, S. 3
3 Luise Schottroff, Der Sieg des Lebens. Auslegung von 2. Korinther 4,6-12, in: Dies., Der Sieg des Lebens. Biblische Traditionen einer Friedenspraxis, KT 68, München 1982, 46-62, 55
4 http://www.pfarrerinnentag-ekhn.de/10cruesemannvortrag.pdf, S. 4

Ausgabenarchiv
Sie suchen eine Ausgabe?
Hier entlang
Suche
Sie suchen einen Artikel?
hier entlang