Ausgabe 2 / 2023 Andacht von Irene Löffler

Eine große Tür hat sich mir aufgetan

Andacht zum Advent

Von Irene Löffler

Wir beginnen diese Feier mit einer Erinnerung daran, dass Gott uns geschenkt hat, ihr und einander zu begegnen. Wir dürfen beieinander sein und uns an Jesu Worte erinnern: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Dieses Wort wird uns neu geschenkt in der Erinnerung an seine Mutter, die ihm das Tor, die Tür zu Welt war. Amen.

Lied
Macht hoch die Tür
eg 1, 1-3

Wir gehen in eine Zeit, die mit Türen verbunden ist – von den Kläppchen der Adventskalender bis zu dem Lied, das wir gerade gesungen haben. Ein kleines Kind „Herr der Herrlichkeit“ nennen, widerstrebt uns vielleicht. Und doch hat es was, diesem Kind Jesus einen solchen Titel zuzuweisen. Denn damit wird auch deutlich, dass die Herrschaft nicht bei den alten Männern liegt, die immer schon zu wissen meinen, wie es in der Welt zuzugehen hat. Damit wird deutlich: Mit einem Kind, mit diesem Kind öffnet sich eine Tür zum Leben. Und seine Mutter Maria ist das Tor des Kindes in die Welt. Auch, indem sie Sprache weitergibt und Liebe und Zärtlichkeit.

Im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg gibt es eine eigenartige Verkündigungsszene mit zwei steinernen Wandfiguren. Der Engel verkündet der bereits hoch schwangeren Maria die Botschaft, dass sie ein Kind gebären wird. Ein Kind, das schon da ist; ein Kind, das in ihr gewachsen ist; ein Kind, das schon lebt. Was soll diese Verkündigung? Vielleicht daran erinnern, wie unermesslich groß die Freude ist, wenn ein Kind geboren wurde? Für viele Mütter oft auch und gerade dann, wenn es nicht das lang ersehnte und „geplante“ Wunschkind war. Und auch für diejenigen, die nicht geboren haben, für den Vater, die Oma, die Freundinnen und Freunde.

„Vergiss es nie: Dass du lebst, war keine eigene Idee, und dass du atmest, kein Entschluss von dir. Du bist gewollt, kein Zufall, keine Laune der Natur“, heißt es in einem moderneren Kirchenlied.1 Ja, auch das gehört zur „Verkündigung“ des Engels und ist eine gute, eine erfreuliche Nachricht für Mutter und Kind. Maria hat damals ihre Freude darüber mit ihrer Cousine Elisabeth geteilt. Wir können sie bis heute spüren, wenn wir sie hören.

Sprechen wir Marias Lobgesang im Wechsel:

Und Maria sprach:
Meine Seele lobt die Lebendige, | und mein Geist jubelt über Gott, die mich rettet.
Sie hat auf die Erniedrigung ihrer Sklavin geschaut. | Seht, von nun an werden mich | alle Generationen glücklich preisen, | denn Großes hat die göttliche Macht an mir getan, | und heilig ist ihr Name.
Ihr Erbarmen schenkt sie von Generation zu Generation | denen, die Ehrfurcht vor ihr haben. | Sie hat Gewaltiges bewirkt, | Mit ihrem Arm hat sie die auseinandergetrieben, | die ihr Herz darauf gerichtet haben, | sich über andere zu erheben.
Sie hat Mächtige von den Thronen gestürzt | und Erniedrigte erhöht, | Hungernde hat sie mit Gutem erfüllt | und Reiche leer weggeschickt.
Sie hat sich Israels, | ihres Sklavenkindes, angenommen und sich an ihre Barmherzigkeit erinnert, | wie sie es unseren Vorfahren zugesagt hatte, | Sara und Abraham und ihren Nachkommen für alle Zeit.
Lk 1,46-55 in der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache

Maria teilt ihre Freude mit Elisabeth. Sie muss mit ihrer Freude „irgendwo hin“. Wie wir, damit wir unsere Freude teilen können – auch wenn es bei uns nicht so große Worte sind. Freude, dankbare Freude will mitgeteilt werden.

Wofür bin ich tief dankbar?
Einige Minuten Zeit zum Nachdenken


Bildmeditation

Eine Tür hat sich mir geöffnet.
Wie viele Türen in meinem Leben habe ich schon geöffnet?
Durch wie viele bin ich gegangen – einmal, immer wieder?

Offene Türen. Wo finde ich sie?
In welche Richtung öffnen sie sich?

Türschwellen. Nehme ich die Schwellen, die ich täglich überwinde, eigentlich wahr? Wenn ich nicht in einem Rollstuhl sitze, vermutlich kaum.
Wie wäre es, einen Tag lang jede Schwelle, über die ich gehe, wahrzunehmen?
In meiner Wohnung, meinem Haus – auf dem Weg zur Arbeit, zum Einkaufen – beim Spazierengehen – in meiner Kirche.

Offene und verschlossene Türen in meinem Leben. Welche Türen haben sich mir geöffnet? Hatte ich den Mut, hindurchzugehen? Welche blieben mir verschlossen? An welchen verschlossen gebliebenen Türen leide ich?

Einmal… werde ich auch wieder hinausgehen aus Türen, aus meinem Leben.

Stille – Gongschlag zum Beenden der Stille

Irene Löffler hat röm.-kath. Theologie studiert und war als Religionslehrerin und in der Frauenseelsorge Bayern tätig. Inzwischen evangelisch-lutherisch, engagiert sie sich besonders für die Sichtbarkeit von Frauen und queeren Menschen in Geschichte und Gegenwart. Ehrenamtlich arbeitet sie als Altenheimseelsorgerin, als Museums-Checkerin zum Thema Inklusion und im Vorstand des LSVD Bayern sowie im Redaktionsbeirat leicht&SINN.

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Tai Chi Körperübung2

Hinweis für Leiter*innen: Wenn Sie die Körperübung anleiten wollen und Ihre Gruppe dafür offen ist, ist sie eine gute Vertiefung der vorangegangenen Meditation; wenn nicht, gehen Sie gleich zum abschließenden Gebet und Segen über.

Öffne die Tore beide Arme öffnen und zum Himmel strecken über Dir der Himmel eine Hand in die Höhe halten, als ob Ihr den Himmel tragen würdet unter Dir die Erde eine Hand zur Erde, als ob Ihr über sie streift dazwischen Du strecke Dich aus zwischen Himmel und Erde Feuer gestalte Feuer, wie Du es Dir vorstellst Wasser gestalte Wasser, wie Du es Dir vorstellst Luft gestalte Luft, wie Du sie Dir vorstellst schau Dich um schau hinter Dich, vor Dich, in alle Richtungen nimm, was Du brauchst mit den Armen einholen aus allen Richtungen wirf weg, was Du nicht brauchst mit den Händen wegwerfen, gerne mit viel Zeit misch alles gut durch Bauch und Rücken kräftig durchstreicheln umarme Deinen Schatten Hände über der Brust zusammenlegen lass Dein göttliches Licht leuchten Hände nach oben strecken und kehre zu Dir zurück Hände über der Brust zusammenlegen

Die Übung sollte in Ruhe gemacht werden und kann beliebig oft wiederholt werden. Sie endet mit einer Verbeugung zu den Teilnehmenden.

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Gebet
Gott, wir danken dir dafür, dass sich uns Tür und Tor geöffnet haben. Gott, wir danken dir dafür, dass wir Türen öffnen dürfen. Türen sind eine Möglichkeit, etwas Neues zu beginnen und etwas Altes abzuschließen. Danke für diese Möglichkeit.

Segen
Gott, du entlässt uns in unseren Alltag; durch eine Tür gehen wir zurück in unser Leben.
Segne uns und die Türen, die sich uns täglich öffnen, und die ungeahnten Möglichkeiten, die sie uns bieten können. Amen.

Lied
Ich geh meinen Weg oder Macht hoch die Tür
eg 1, 4+5

Anmerkungen
1)
Das Lied kann an dieser Stelle auch gemeinsam gesungen werden. Text und Noten u.a. in WortLaute (93) und freiTöne (61).
2) Ich habe vergessen, wer mir die Übung gezeigt hat; vermutlich war es eine Kollegin aus der Frauenseelsorge Deutschland.

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