Ausgabe 2 / 2013 Material von Weyma Lübbe

Eine Zumutung für die Angehörigen?

Von Weyma Lübbe


In Umfragen äußern die Menschen eine hohe „grundsätzliche“ Bereitschaft zur Organspende. Aber nur in ganz wenigen Spendefällen können die Ärzte auf einen mitgeführten Organspendeausweis zurückgreifen. In den meisten Fällen wird eine Entnahme auf die Zustimmung der Angehörigen gestützt. Diese muss am Klinikbett eingeholt werden, während das Abschiednehmen gerade erst beginnt. Das, so ist häufig zu lesen, sei eine Zumutung für die Angehörigen. Auch für das medizinische Personal, das daher die heikle Frage oft gar nicht erst stelle, sei das schwer zu ertragen. Viel einfacher wäre es für alle Beteiligten, wenn der Hirntote zu Lebzeiten seine Haltung zur Organspende dokumentiert hätte. Im Grunde sei es unverantwortlich, das nicht zu tun. Man sollte die Bürger verpflichten, es zu tun.

Für die Angehörigen, so lautet das Argument, sei es eine Zumutung, die Entscheidung am Klinikbett treffen zu müssen. Dass das belastend ist, ist unbestreitbar… Bürden sie, indem sie auf eine Erklärung zur Organspende verzichten, die Last der Entscheidung Personen auf, deren Angelegenheit das eigentlich nicht ist? Eine Betroffene, die der Spende der Organe Ihres Bruders zugestimmt hat und mit der Unsicherheit zu kämpfen hatte, ob das in seinem Sinne war, hat diese Klage in folgende Worte gefasst: „ Ich kann mich nicht entscheiden.“ Möglicherweise ist diese Angehörige nicht richtig aufgeklärt worden. Denn selbstverständlich hätte sie die Möglichkeit gehabt, sich nicht zu entscheiden. Das Transplantationsgesetz sieht vor, dass die Angehörigen zur Spende befragt werden, aber es verlangt nicht, dass sie sich entscheiden. Wer findet, es sei nicht seine Angelegenheit, das zu entscheiden, der kann es bleiben lassen. Die Organe dürfen dann nicht entnommen werden. Das ist dem Verstorbenen zuzurechnen, um dessen persönliche Angelegenheiten – so das Argument – es sich handelt. Angehörige, die sich den Ausgang der Sache selbst zurechnen, haben die Angelegenheit zu ihrer eigenen gemacht. Dann müssen sie auch die damit verbundenen Belastungen tragen.


aus: Eine Zumutung für die Angehörigen? In: DZPhil 60 (2012) 3, S. 430f, © Akademie Verlag Berlin

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