Ausgabe 1 / 2019 Andacht von Luise Metzler

Eingeladen zum Fest des Glaubens

Andacht zu Lukas 7,22

Von Luise Metzler

Lied   Eingeladen zum Fest des Glaubens
siehe Seite 81

„Aus den Dörfern und aus Städten, von ganz nah und auch von fern, mal gespannt, mal eher skeptisch, manche zögernd, viele gern, folgten sie den Spuren Jesu…“ – So ungefähr wie in diesem Lied muss es damals gewesen sein. Das Lukasevangelium erzählt, dass Jesus eingeladen ist, in der Synagoge in Nazareth aus der Tora zu lesen.1 Das war eine Ehre für Erwachsene. Unsere Tradition schließt sich daran an, wenn Lektorinnen und Lektoren im Gottesdienst den Bibeltext lesen. Auch das ist eine Ehre.

Jesus liest die wunderbaren Worte aus den Buch Jesaja:

Die Geistkraft Gottes, der Macht über mich, ist auf mir.
Weil Gott mich gesalbt hat, bin ich gesandt,
den Armen frohe Botschaft zu verkünden,
die zu verbinden, die ein zerbrochenes Herz haben,
auszurufen den Gefangenen die Befreiung
und den Gebundenen die Lösung ihrer Fesseln,
auszurufen ein Jahr des Wohlgefallens für Gott.

Jes 61,1-2a (BigS 2011)

Hoffnungsworte für die, die leiden. Sehnsuchtsworte.Und Jesus nimmt sie beim Wort. Er lässt sich von Jesajas Hoffnungs- und Sehnsuchtsworten dazu anstiften, zum Mitarbeiter an der Welt Gottes zu werden: „Ich bin gesandt, den Armen frohe Botschaft zu bringen…“

Jesus beginnt sein Wirken, indem er viele Menschen heilt, darunter einen Mann mit Aussatz und eine gelähmte Person. Der Sohn einer Witwe steht auf aus dem Tod. Was Jesus in der Synagoge gelesen hatte, erfüllt sich wunderbar. Und es wird verbreitet: „In jeden Ort der Umgebung drang die Nachricht über ihn.“3 Arme sind es, die die Freudenbotschaft weitertragen, darunter eine Mutter, die Witwe ist: „Da setzte sich der Tote auf und begann zu reden, und Jesus übergab ihn seiner Mutter. Da wurden alle von Ehrfurcht ergriffen und lobten Gott und sagten: ‚Ein großer Prophet ist unter uns aufgestanden‘. Und: ‚Gott hat sich unserem Volk rettend zugewandt.‘ Auf diese Weise verbreitete sich das Wort über ihn in Judäa sowie im benachbarten Land.“4

Später fasst Jesus die Ereignisse zusammen: „Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote erheben sich, Arme bringen frohe Botschaft.“5 Wie es im Lied klingt, dass wir eben gesungen haben;

Und so kamen sie in Scharen,
brachten ihre Kinder mit,
ihre Kranken, auch die Alten,
selbst die Lahmen hielten Schritt…
Und dort lernten sie zu teilen Brot
und Wein und Geld und Zeit.
Und dort lernten sie zu heilen
Kranke, Wunden, Schmerz und Leid.
Und sie lernten, so zu leben,
dass Dein Wille Gott, geschehe,
und sie lernten so zu leben,
dass das Leben nicht vergehe.
… Folgten sie den Spuren Jesu
und sie wurden selbst zu Boten.

Arme bringen frohe Botschaft. Arme? Ist Ihnen diese Übersetzung unvertraut? Schließlich steht in fast allen Bibelübersetzungen, wie zum Beispiel auch bei Luther: „Armen wird das Evangelium – die frohe Botschaft – gepredigt.“ Ist etwa nicht Jesus derjenige, der Armen frohe Botschaft bringt? Erzählt der biblische Text nicht, dass die Armen „Objekte“ und nicht Subjekte der Verkündigung sind? Schauen wir ins Griechische. Das Verb, das dort steht, kann als passive oder als aktive Form verstanden werden. Beides ist möglich: „… wird die frohe Botschaft gebracht“ oder auch „… bringen die frohe Botschaft“. Es gilt, sich beim Übersetzen zu entscheiden. Nun ist aber das dazugehörige Subjekt des Satzes „die Armen“. Es kann also grammatisch richtig nur heißen: „Arme bringen frohe Botschaft.“ Sie, die Armen, sind die Handelnden, nicht die Behandelten.

Grund für die traditionelle Übersetzung könnte die christliche Tradition in den westlichen Kirchen sein, die in Armen Objekte, Empfängerinnen und Empfänger von Fürsorge, Almosen und Verkündigung sieht. „Diese Almosentradition hat sich dort verändert, wo die Armen zu Wort gekommen sind, in der weltweiten Ökumene“, erklärt Luise Schottroff.6 Die Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache schließt sich dem an. Sie legt offen, dass im Neuen Testament das Heil zu den Armen kommt, die aufstehen und die Freudenbotschaft weitertragen. Sie werden zu Evangelistinnen und Evangelisten.

… und sie wurden selbst zu Boten, dass der Ruf noch gilt, der lief: Eingeladen zum Fest des Glaubens! Was für eine wunderbare Sache. Welches Wunder: Arme, Kranke, Leidende erleben, dass sich jemand – Jesus – für sie einsetzt, sich ihnen zuwendet. Das macht ihnen Mut, aus ihrer Verzweiflung herauszukommen und selbst aktiv zu werden. Immer wieder erzählen die Evangelien von solchen Aufbrüchen.

Und das Wunder wirkt weiter, bis heute. Lassen wir uns also auch einladen zum Fest des Glaubens! Wir alle können es aufnehmen. Viele von uns sind längst unterwegs. Sie haben sich von der Bibel, dieser großen Anstifterin zu einem Leben in Gerechtigkeit und Shalom, dazu anstiften lassen.

Segen
Gott segne uns und alle, die solches ?Miteinander, solche Solidarität leben und erleben. Amen

Lied   Du bist da, wo Menschen leben
in einigen landeskirchlichen Teilen EG

oder:   Ich kenne Gottes Ruf
Durch Hohes und Tiefes 384

oder:   Vertraut den neuen Wegen
EG 395

Anmerkungen
1) Lk 4,14-20
2) Lk 5,12-26 und Lk 7,11-17
3)  Lk 4,37; ähnlich Lk 5,15
4) Lk 7,15-17
5) Lk 7,22   ?6 Luise Schottroff, Statement Lübeck, www.bibel-in-gerechter-sprache.de


Dr. Luise Metzler ist evangelische Theologin mit Schwerpunkt Altes Testament und Erwachsenenbildnerin. Sie hat intensiv an der Bibel in gerechter Sprache mitgearbeitet und ist Mitglied im Redaktionsbeirat leicht&SINN.

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