(Auszug)
Machen wir uns nichts vor: Wir sind längst mehr Sklavinnen als Herrinnen unserer Zeit. In unserer Erfahrung ist der Terminkalender eher eine Plage als ein Instrument souveräner Zeitbeherrschung. ER lässt keine Zeit für schöpferische Muße, die in der Vormoderne und bis heute in anderen Zeit–Kulturen ihren Wert hatte und hat. Wo immer ER eine Lücke aufweist, sehen wir oft genug keinen Grund, diese Lücke nicht auch noch zu füllen, geschweige denn, sie guten Gewissens zu genießen. Wie sollte ich auch jemandem, der einen wichtigen Termin mit mir machen will, erklären, dass ich da zwar „frei“ bin, aber diese Zeit zur Muße brauche? Es käme einer Missachtung seines Anliegens und damit seiner Arbeit gleich.
Vielleicht müssen wir mühsam wieder „Mäßigung“ lernen – und das heißt in diesem Fall, mit Zeiten der Ruhe, der Muße, Zeiten der Freiheit umzugehen. Aber diese Mühe wäre es doch wert, oder?
Der folgende Vorschlag ist für Gruppen bis maximal 15 Frauen gedacht, sonst in kleine Gruppen aufteilen!
Ziel: bewusst machen, wie der eigene Umgang mit Zeit erlebt wird, Anregung geben, wie Freiräume gesucht, gefunden und gestaltet werden können
Zeit: ca. 2 Stunden
Vorbereitung: auf Karteikarten oder DIN A 5 Zetteln Redensarten / Wortverbindungen zum Thema Zeit (s.S. 38) deutlich lesbar aufschreiben (pro Zettel nur eine Redensart bzw. ein Begriff!), Stuhlkreis, ein schönes Tuch und Blumen in der Mitte, darum herum verteilt die Zettel mit Redensarten, Abspielmöglichkeit für CD/Kassette,
– Ankommen bei sehr ruhiger Instrumentalmusik: Bitten Sie bei der Ankunft alle Teilnehmerinnen, ihre Uhren abzulegen und sich „Zeit zu nehmen“, Thema der Stunde ansagen: „Enthetzt euch!“ Hinweis für die Leiterin: Suchen Sie sich einige Gedanken aus der Einleitung oben heraus, evtl. ergänzt um Informationen aus dem Beitrag zum Weiterlesen „Zeit im Wandel der Zeiten“ (s.u.).
– Bitten, dass alle zur Ruhe kommen, sich bequem setzen (beide Beine parallel stellen, nicht anlehnen) und ihren Atem kontrollieren: vollständig ausatmen, einen Moment warten, bis der Körper von selbst atmet, ruhig einatmen, wer will, kann dabei die Augen schließen, als Gruppenleiterin dies mehrere Male ansagen.
– Wenn alle zur Ruhe gekommen sind und gleichmäßig atmen, zur laufenden Musik den Text von Heizmann–Leuke sprechen (siehe Rückseite Deckblatt dieser Arbeitshilfe). Danach noch etwas die Musik weiterlaufen lassen, dann die Musik ausblenden, bitten, die Augen zu öffnen, aber nicht zu sprechen und den Raum und die Anwesenden bewusst wahrzunehmen. – Auf die Zettel hinweisen und bitten, dass alle in Ruhe und ohne zu reden die Redensarten lesen und sich dann einen Zettel nehmen, der dem eigenen Zeitempfinden entspricht, Zustimmung oder Abwehr hervorruft, dann sollen die Plätze wieder eingenommen werden.
Die Frauen bitten, nacheinander ihre ausgesuchte Redensart vorzustellen und zu erzählen, warum gerade diese gewählt wurde, Hier können sich Ansätze für ein weitergehendes Gruppengespräch ergeben zum Wahrnehmen von und Umgang mit der Zeit. Ergänzende Impulse können sein: Wann ist mir die Zeit besonders lang geworden – wann verging sie wie im Flug? Was ist das Besondere an den verschiedenen Tagzeiten – welches ist mir die liebste und warum? Wie ist das mit den Lebenszeiten – was unterscheidet sie, welche habe ich besonders intensiv erlebt? Wann habe ich freie Zeit und gelingt es mir, sie in Muße zu verbringen?
– Wie wollen die Teilnehmerinnen ihre bewussten Mußestunden füllen? Laden Sie die Frauen zu einer kleinen Phantasiereise ein. Bitten Sie alle, noch einmal zur Ruhe zu kommen, sich bequem zu setzen und die Augen zu schließen. Sie können wieder ruhige, meditative Musik einspielen. Dann beginnen Sie zu erzählen:
Stell´ dir vor, du gehst über eine blühende Frühlingswiese, barfuss vielleicht, die Vögel singen, ein leiser Wind streicht über das Gras und bringt dir den Duft frischer Kräuter, die Sonne scheint, aber es ist nicht zu warm, du spürst sie angenehm auf deinen bloßen Armen. Immer wieder schaust du in den Himmel – blau mit weißen Schönwetterwolken – oder deine Augen entdecken eine kleine Blume oder einen Schmetterling. Du fühlst dich wohl, und wünschst dir, die Zeit möge stehen bleiben. Stell dir vor, sie tut es, die Zeit bleibt stehen, eine kurze Weile – nur für dich. Du darfst dieses Zeitgeschenk sogar mitnehmen in deinen Alltag… Was willst du in dieser geschenkten Zeit tun, wie willst du diese Zeit gestalten – mit einem Spaziergang, mit Musik, mit einem Buch, mit einem Gespräch oder Besuch, mit einem ausgiebigen Körper-Verwöhnprogramm, mit Nichtstun und die Seele baumeln lassen? All das darfst du – denn es ist deine Zeit, nur dir geschenkt. – Auf unserer Frühlingswiese macht sich der frühe Abend bemerkbar, es wird kühl…, langsam kehren wir von unserem Spaziergang zurück. Wir nehmen mit die geschenkte Zeit. Jetzt sind wir wieder hier, im Gemeindehaus xy, in unserem Stuhlkreis. Wir öffnen die Augen und finden uns wieder zurecht in unserem Alltag. Aber die geschenkte Zeit nehmen wir mit.
– Abschluss mit einem Segen, einem kurzen Text oder einem gemeinsamen Lied, z.B. EG 175, 489, 483
Die letzte Ausgabe der leicht&SINN zum
Thema „Bauen“ ist Mitte April 2024
erschienen. Der Abschluss eines Abonnements
ist aus diesem Grund nicht mehr möglich.
Leicht&Sinn - Evangelisches Zentrum Frauen und Männer gGmbH i. L. | AGBs | Impressum | Datenschutz | Cookie-Einstellungen | Kontakt
Wenn Sie noch kein Passwort haben, klicken Sie bitte hier auf Registrierung (Erstanmeldung).