Ausgabe 2 / 2009 Material von Sabine Wadenpohl

Es ist eine ungewohnte Arbeit

Von Sabine Wadenpohl


Für die Paare gilt es, trotz des (hohen) Alters und der Demenz die im Alltag anfallenden Aufgaben und Arbeiten zu bewältigen. Dabei erweist es sich als typisch, dass innerhalb der Partnerschaft eine Verschiebung der Arbeiten und Verantwortlichkeiten stattfindet, die zu einer Vervielfachung der Aufgaben für die Pflegenden und zu einem Verlust der angestammten Aufgaben für die demenziell Erkrankten führt.

Die Interviewten führen ihre eigenen Arbeiten weiter, also jene, die schon immer zu ihrem Zuständigkeitsbereich gehörten. Als Nächstes müssen die Arbeiten, die bislang von der demenziell erkrankten Person ausgeführt wurden, übernommen werden: Hier erleben die Frauen sich nun zum Beispiel auch als zuständig für alle handwerklichen Arbeiten oder umfassend für das, was sie mit „Bürodingen“ bezeichnen. Für die Männer gilt es, die vollständige Verantwortung für den Haushalt und die Pflege der Frau zu übernehmen.

Als weiterer Verantwortungsbereich kommen die Arbeiten für die erkrankten Partner/-innen hinzu. Dies umfasst die Übernahme der Betreuung und Pflege sowie das Management der Versorgungssituation. Als besonders wichtig wird in den Interviews die Beaufsichtigung dargestellt: Die Partner/innen tragen die Sorge dafür, dass die demenziell erkrankte Person nicht wegläuft, nicht stürzt, sich nicht gefährdet, nichts beschädigt. Dieses Aufpassen kann in einem solchen Umfang nötig sein, dass es nicht möglich ist, das Haus zu verlassen oder eine Tätigkeit ohne Unterbrechung zu erledigen. Hinzu kommen die dauernde Angst, dass etwas geschehen könnte, und das Schuldgefühl, wenn etwas passiert ist.

Die Vervielfachung und Verschiebung der Aufgaben bedeutet für die pflegenden Partner/-innen, dass sie vielfältige Arbeiten koordinieren müssen und dass sie zuständig werden für Bereiche, die für sie konträr zu ihrem tradierten Rollenverständnis stehen. So schildert zum Beispiel ein Interviewpartner, dass es ihm zu der Zeit, als seine Frau noch nicht die Tagespflege in Anspruch nahm, kaum möglich war, die unterschiedlichen Aufgaben des Haushaltes miteinander zu koordinieren und darüber hinaus auch noch auf seine Frau zu achten. „Das geht auf die Nerven, vor allem körperlich auch“, ist folgerichtig der Abschluss seiner Schilderungen. Dabei liegt seine Überforderung nicht darin begründet, dass er nicht schwer körperlich arbeiten könnte oder es ihm nicht möglich wäre, sich Arbeit einzuteilen oder zu organisieren. … Es ist die ungewohnte Arbeit, die „Frauenarbeit“, die es ihm so schwer macht, die „ihm auf die Nerven geht“ und ihn körperlich belastet. Die Renovierungsarbeiten, die er teilweise in der Nacht durchführt, weil er dann nicht auf seine Frau achten muss, werden dem gegenüber nicht als besondere Belastung wahrgenommen. Hingegen wäre es ein unlösbares Problem, wenn er renovieren und gleichzeitig auf seine Frau aufpassen müsste. Durch einen typischen Sprachgebrauch und seinen Beruf wird die soziale Identifikation dieses Mannes deutlich:
Er war Arbeiter und spricht immer wieder von seinen „Kumpels“, für einen „Kumpel“ aber ist es nicht typisch und erst recht nicht rollengerecht, wenn er kocht, spült und seine Frau wäscht und anzieht – wohl aber, dass er die Nacht über seine Wohnung renoviert.

Die alleinige Zuständigkeit und die sehr monotonen Abläufe der Haus- und Pflegearbeit sind dann letztendlich auch die Faktoren, die als besonders belastend wahrgenommen werden. „Dieses Einsame, dieses Allein und nur das gleiche hören, immer das gleiche tun müssen, auch die Gedanken darüber machen, was kannst du denn kochen, was schmeckt ihr, was muss ich kaufen?“


Sabine Wadenpohl

aus:
Demenz und Partnerschaft
© 2008
Lambertus-Verlag
Freiburg im Breisgau

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