Alle Ausgaben / 2013 Artikel von Friederike Habermann

Es ist genug für alle da

Gemeinschaftlich als Prinzip eines anderen Wirtschaftens

Von Friederike Habermann

„Gott nahe zu sein ist mein Glück“, sagt der Psalmvers der Jahreslosung. Auch, sich einem Menschen nahe zu fühlen, macht glücklich. Doch wann ist das der Fall? Mit körperlicher Nähe hat das nicht unbedingt zu tun – wir können jemandem räumlich sehr nah und innerlich sehr fern sein. Am nahsten fühlen wir uns, wenn wir lieben.

Aber ist Liebe nur ein Gefühl? Selbst wenn wir jemanden nur von Ferne -anschwärmen, möchten wir ihm oder ihr Gutes tun. Und auf jeden Fall vor Leid bewahren. Fühlen wir uns jemandem nahe, der oder die leidet, leiden wir mit. Sind wir einer Person nicht nur in unserem Herzen, sondern auch in unserem Alltag nahe, dann sorgen wir für ihn oder sie – mit unserem alltäglichen Tun. Und sicher lieben wir umgekehrt die Person auch dafür, wenn sie für uns sorgt. Oder könnten wir uns vorstellen, dauerhaft glücklich jemandem nahe zu sein, der oder die sich nie darum bemüht, dass es uns gut geht?

„Was ihr für eines meiner geringsten Geschwister getan habt, habt ihr für mich getan“, sagt Jesus (Mt 25,40). Warum aber sagt er nicht: „Was ihr irgendjemandem tut…“? Vielleicht, weil wir beim „geringsten Bruder“ oder der „geringsten Schwester“ nicht erwarten können, dass er oder sie sich revanchiert? In seiner Rede zum „Jüngsten Gericht“ gilt Jesus ausgerechnet als einziges Urteilskriterium unser Verhalten gegenüber jenen, die sich nicht revanchieren können: „Ich war hungrig, ihr gabt mir zu essen; ich war durstig, ihr gabt mir Wasser; ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen. Ich war nackt, ihr habt mich gekleidet; ich war krank, ihr habt mich gepflegt; ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen.“ (Mt, 25,35-37) Und an anderer Stelle in der Bibel heißt es: „Was nützt es zu glauben, aber nicht dem Gesetz entsprechend zu handeln? … Wenn Brüder oder Schwestern so arm sind, dass sie sich nicht ausreichend kleiden können und nicht genug zu essen haben, und einige von euch beim Abschied zu ihnen sagen: ‚Geht hin in Frieden! Wir wünschen euch, dass ihr euch ausreichend kleiden und euch satt essen könnt', sie geben ihnen jedoch nicht das, was sie zum Überleben brauchen, dann nützt das weder den Bedürftigen noch denen, die dieses gesagt haben.“ (Jak 2,14-16)

Aus den gängigen Begründungen für Solidarität, wie beispielsweise auf Wikipedia nachzulesen, fällt die Nächstenliebe heraus. Denn bei der Nächstenliebe geht es weder darum, dass ihre Begründung in der Erwartung von Gegenseitigkeit noch im Kampf um die gleichen Interessen noch aufgrund der Zugehörigkeit zur selben Gemeinschaft besteht. Warum also sollten Menschen das tun: ohne Gegenleistung für den Nächsten oder die Nächste sorgen?

Wird über anderes Wirtschaften gesprochen, dann kommt es irgendwann immer zu dem Punkt, dass „der Mensch“ doch egoistisch sei. Aus feministischer Sicht gibt es darauf zwei unterschiedliche Reaktionen: zum einen mit dem Verweis auf die Sorgearbeit einer Mutter oder eines Vaters, die am Anfang des Lebens steht und bereits zeigt, dass Menschen einseitig zu geben bereit sind; zum anderen mit der Erkenntnis, dass es nie unabhängig von der Gesellschaft, in der wir leben, und der uns darin zugedachten Rolle ist, wie wir sind.

Einjährige Kinder – das zeigen Experimente am Max-Planck-Institut in Leipzig – helfen in der Regel spontan, denn sie haben ihr Leben lang erfahren, dass ihnen geholfen wurde. Allerdings hört ihre bedingungslose Solidarität auf, sobald ihnen vermittelt wird, dass sie für das Helfen eine Belohnung verlangen können. Die Welt formt uns – aber natürlich sind auch wir es, die die Welt formen. Darum geht es auch darum, dazu zu ermutigen, anders zu handeln, um andere Erfahrungen machen zu können, um Denk- und Handlungshorizonte zu eröffnen. Derzeit leben wir in einer Gesellschaft, die uns zu „strukturellem Hass“ zwingt, weil unser Lebenslauf umso besser aussieht, desto wertloser der einer oder eines anderen wird. Wo „Konkurrenz“ das Zauberwort für Erfolg und Anerkennung ist, brauchen wir eine Gesellschaft, die auf „struktureller Gemeinschaftlichkeit“ beruht. Eine Gesellschaft, in der wir uns so verwirklichen können, dass es zum Wohle der anderen dient. Und damit auch uns.

Der Ökumenische Rat der Kirchen warnt in seiner neuen Erklärung „Gemeinsam für das Leben“1 vor dem falschen Glauben, zu Gott gehören zu können, ohne zu den NachbarInnen zu gehören, und vor einer Wohlfühl-Spiritualität, während andere Teile der Schöpfung leiden. Aufgabe sei es, die Ökonomie der Habgier anzuprangern und die göttliche Ökonomie des Miteinanderteilens und der Gerechtigkeit zu praktizieren. Und der Ökumenische Rat ruft dazu auf, eine Gegenkultur vorzuleben und Alternativen zu götzendienerischen Visionen anzubieten.

Gemeinschaftlichkeit mit den Geringsten

Wie aber könnte ein solches anderes Handeln aussehen? Irgendwann wurde mir deutlich, dass jüngere Ansätze alternativen Wirtschaftens jenen Prinzipien der „Commons-based peer production“ (oder auch: auf Allmenden basierender Produktion unter Ebenbürtigen) entsprechen, wie sie der Harvard-
Professor Yochai Benkler für die Entstehung freier Software definiert hat – denn freiwillige Produktion unter Gleichen vermag die auf den homo oeconomicus gestützte Wirtschaftstheorie nicht zu erklären. Ich sehe diese Grundsätze als Koordinaten für ein Wirtschaften, welches statt strukturellem Hass strukturelle Gemeinschaftlichkeit verwirklicht, und spreche von „Ecommony“.

Besitz statt Eigentum lautet eines dieser Prinzipien. Diese Unterscheidung findet sich auch im Bürgerlichen Gesetzbuch: Der Vermieterin gehört die Wohnung, der Mieter besitzt sie. In Kuba gab es bis vor zwei Jahren kein abstraktes Eigentum an einer Wohnung: Wer darin wohnte, besaß sie – konnte sie aber nicht verkaufen. In diesem Sinne gibt es auch bei Commons/Allmenden kein Eigentum, beziehungsweise, es tritt in seiner Bedeutung in den Hintergrund. Es zählt, wer was tatsächlich braucht und gebraucht.

Bei Büchern wird dies Prinzip bereits von vielen praktiziert: Wenn ein Buch ausgelesen ist und damit aus unserem Besitz fällt, weil wir es nicht mehr brauchen, geben wir es vielleicht an eine Freundin weiter. Natürlich fällt nicht jedes ausgelesene Buch in dieser Form aus dem Besitz: Manche sind uns so wertvoll, dass wir sie behalten möchten. Diese Entscheidung treffen wir erst einmal selbst. Doch wenn unsere Freundinnen es ebenfalls gerne lesen möchten, es aber ausverkauft ist, geben wir es vielleicht trotzdem weiter. Die Unterscheidung, wo Besitz aufhört und Eigentum anfängt, ist also fließend und sicher auch immer von den in einer Gesellschaft vorhandenen Ressourcen abhängig.

Heute gibt es in vielen Städten Öffentliche Bücherschränke – mal aus Holz, mal in Form zweckentfremdeter Telefonzellen oder Verteilerkästen – aus denen genommen und in die umgekehrt Bücher gestellt werden können. Ähnliches existiert für Werkzeuge – auch, wenn es hier sicher sinnvoll ist aufzupassen, dass diese wieder zurückkommen. In Berlin gibt es für so etwas einen „Leihladen“; alle, die sich betei-ligen möchten, bringen irgendetwas in den Laden ein und können sich alles andere dafür ausleihen.

Eine andere Form sind die sogenannten „Nutzungsgemeinschaften“ – ein Kreis von Menschen, die bestimmte Güter wie Rasenmäher oder Bohrmaschinen miteinander teilen. Auch die rund 60 Umsonstläden allein in Deutschland sind als Orte zu verstehen, an denen Gegenstände – etwa ein Kleidungsstück oder eine Lampe – nicht von Privateigentum in Privateigentum übergehen, sondern abgegeben werden, weil sie aus dem Besitz jener gefallen sind, die sie nicht mehr benutzen. Umgekehrt gilt: Finden Sie dort etwas, dass Sie gebrauchen können, dann nehmen Sie es. Einfach nur darum, weil Sie es gebrauchen können – und nicht darum, weil Sie etwas gebracht haben.

Und selbst beim Essen, diesem rivalsten Gut2 überhaupt, gilt dieses Prinzip noch. So berichtete mir kürzlich ein schon etwas älterer Freund, der eben in Rente gegangen war, wie er im Supermarkt eine Verkäuferin bat, ihm einen Joghurt zu überlassen, den sie offensichtlich wegwerfen wollte. Die Antwort war die gleiche, wie sie schon unzählige junge Menschen, die hinter Supermärkten nach Lebensmitteln schauen, erhielten, wenn sie erwischt wurden: „Nein, denn das ist unser Eigentum.“

Spätestens, wenn wir bedenken, dass zwischen Produktion und Konsum bis zur Hälfte aller Lebensmittel weggeworfen werden, während täglich bis zu hunderttausend Menschen verhungern, wird offensichtlich, dass das Höherstellen des Eigentums über den Besitz sowohl die Achtung vor den Gaben Gottes als auch die Sorge für die Nächsten verletzt.

Teile, was Du kannst, könnte dieses Prinzip auch genannt werden. Das bedeutet aber auch: Teilen Sie Ihr Wissen! Sie können Deutsch, Ihre Nachbarin nicht? Teilen Sie es! Teilen Sie Ihre Fähigkeiten: Sie wissen, wie man ein Zimmer renoviert, Ihr Nachbar nicht? Teilen Sie es! Und Ihr Wissen, Ihre Fähigkeiten werden sich in der Welt vermehren.

Auch dies wird in Nutzungsgemeinschaften praktiziert, sozusagen als Tauschringen ohne Aufrechnung. „Dafür muss man im Kopf erst mal Grenzen öffnen“, erinnert sich Marie an ihre Anfangszeit bei Gib&Nimm in Wuppertal. Getauscht werden Bügeln und Wohnungen renovieren, Fernseher reparieren und Kuchen backen, ein Kind unter der Woche bekochen und vieles mehr. Einen Überblick hat niemand, da es ja keine Buchführung gibt.

Dies wiederum geht über in das dritte Prinzip: Beitragen statt Tauschen. Statt die eigenen Fähigkeiten vermarkten zu müssen, wird aus einem Bedürfnis heraus gehandelt. Beispiel ist – neben der hierfür berühmten freien Software – nichtkommerzielle Produktion überhaupt. Sei es eine Hofgemeinschaft, die ihre Ernte ohne Geld und Tauschlogik abgibt, sei es eine Backgruppe, die das von dort erhaltene Getreide in Brot verwandelt und auf die gleiche Weise weiterreicht.
Uns wird immer suggeriert, wir hätten nur Bedürfnisse nach Konsum, und der Preis dafür sei Arbeit. Aber wir haben auch Bedürfnisse nach einer Vielfalt von Tätigkeiten. So entstehen derzeit vielerorts Repair-Cafés, wohin die einen ihr kaputtes Radio mitbringen und die anderen ihre Lust zu frickeln. Oder zu nähen. Andere kümmern sich als „Ersatzgroßeltern“ ein, zwei Tage in der Woche um ein Kind in ihrer Nähe.

In Beziehung treten

Hat Jesus jemals erst danach gefragt, was er dafür bekommt, bevor er jemandem etwas Gutes tat? Kannte er das Wort „Energieausgleich“, wie in esoterischen Kreisen die Bezahlung inzwischen oft benannt wird? Jesus kannte das Wort „Mammon“. Er sagte: „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“ (Mt 6,24). Geht es in der Nachfolge Jesu nicht darum, zu geben und darauf zu vertrauen, dass wir bekommen?

Wenn ich das Vertrauen habe, immer dann Schokolade genießen zu können, wenn ich es möchte, muss ich mich nicht schon vorsorgend damit vollstopfen. Nicht zufällig ist es die Angst vor Verzicht, vor Knappheit, konkret eine Diät, die am Anfang jeder Ess-Sucht steht. Nur wenn ich keine Angst vor Knappheit habe – und sei es nur das Verbot in meinem Kopf – behalte ich ein gesundes Essverhalten bei.

„Es ist genug für alle da! Wir benötigen eine kollektive Selbstbefreiung vor der psychotischen Angst vor der Knappheit“, so die Feministin Veronika Bennholdt-Thomsen in ihrem Buch „Geld oder Leben“. Sie zitiert:
Ich gebe, du gibst weiter, und die Nächsten geben ihrerseits weiter und so fort. Das Geben ist in diesem Fall nicht egoorientiert, es bedeutet nicht: Ich gebe, damit du mir gibst (do ut des), sondern es orientiert sich am Bedürfnis der anderen: Ich gebe, weil ich sehe, fühle, erahne, weiß, dass Du es brauchst. So entstehen eine Kette und schließlich ein Kreis von Gebenden, so entstehen Gemeinschaft und Gesellschaft.3

Was sich wie das Zitat aus einer Bibelexegese anhört, entstammt den Überlegungen von Genevieve Vaughan zu einer Ökonomie des Schenkens. Für Vaughan wie für Bennholdt-Thomsen ist eine gesamtwirtschaftliche Vision damit verbunden. Denn sollte nicht Ziel unserer Taten sein, dass die Geringsten unter uns nicht mehr Geringste bleiben? Und bedarf es dafür nicht statt einzelner Almosen einer Form des füreinander Sorgens? Struktureller Gemeinschaftlichkeit statt des strukturellen Hasses, den wir derzeit unser Wirtschaftssystem nennen? Tauschen sei nicht auf das Gegenüber gerichtet, bringt es Bennholdt-Thomsen auf den Punkt, sondern auf das eigene Ego. Der Tausch werde stets von der Beunruhigung begleitet: „Bekomme ich auch genug zurück?“ Gesellschaften hingegen, so die Ethnologin weiter, bei denen die Gaben allen gleichermaßen zur Verfügung stünden, gingen von der Fülle aus. Täten auch wir dies, müsste niemand verhungern.

Gefordert sei, so wieder der Ökumenische Rat der Kirchen, „ein Bekenntnis zum Kampf und zum Widerstand gegen die Mächte, die die von Gott für alle gewollte Fülle des Lebens behindern, und die Bereitschaft, mit allen Menschen zusammenzuarbeiten, die sich in Bewegungen und Initiativen für die Sache der Gerechtigkeit, der Würde und des Lebens engagieren.“ Und auch er schreibt über Nähe: „Jesus Christus tritt in Beziehung zu den Menschen, die in der Gesellschaft am stärksten ausgegrenzt werden, und wendet sich ihnen zu, um allen lebensfeindlichen Kräften entgegenzutreten und sie zu verwandeln. Dazu gehören Kulturen und Systeme, die massive Armut, Diskriminierung und Dehumanisierung -erzeugen und perpetuieren und die Mensch und Erde ausbeuten oder zerstören.“ Schließlich ruft er dazu auf, Machtstrukturen zu verändern.

Das alles sei ja ganz richtig, aber als Anforderung doch etwas zu groß geraten, finden Sie?

Stimmt. Die Welt in eine bessere verwandeln können wir nur im gemeinschaftlichen Wirken und Werden. Doch beginnen können wir nur bei uns selbst. Bennholdt-Thomsen ruft zur Entkommerzialisierung der Köpfe, der Herzen und der Beziehungen auf; dies werde „nicht von heute auf morgen erreicht werden, sondern im Laufe eines Prozesses kollektiven Lernens – und der hat längst begonnen“. Der Mensch ist ein Egoist? Wenn es so einfach wäre, hätte Jesus sich seine Predigten sparen können.

Für die Arbeit in der Gruppe

Hinführung
Die Leiterin führt kurz in das Thema ein – etwa so:

„Gott nahe zu sein ist mein Glück“, sagt der Psalmvers der Jahreslosung. Glück empfinden wir auch, wenn wir uns einem Menschen nahe fühlen. Das setzt nicht unbedingt körperliche Nähe voraus – wir können jemandem räumlich sehr nah und innerlich sehr fern sein. Am nahsten fühlen wir uns, wenn wir lieben.

Aber Liebe ist nicht nur Gefühl. „Liebe, das sind Worte und Taten“, heißt es in einem neueren geistlichen Lied. Eine Erfahrung, die wohl jede (und jeder) schon gemacht hat. Wenn wir einen Menschen lieben, möchten wir ihm oder ihr Gutes tun. Und auf jeden Fall vor Leid bewahren. Fühlen wir uns jemandem nahe, der oder die leidet, leiden wir mit. Sind wir einer Person nicht nur in unserem Herzen, sondern auch in unserem Alltag nahe, dann sorgen wir für ihn oder sie – mit unserem alltäglichen Tun. Und sicher lieben wir umgekehrt die Person auch dafür, wenn sie für uns sorgt. Oder könnten wir uns vorstellen, dauerhaft glücklich jemandem nahe zu sein, der oder die sich nie darum bemüht, dass es uns gut geht? Lassen Sie uns – angeregt von der Jahreslosung – diesem Gedanken einmal näher nachgehen.

Hineinfühlen
Wir schließen die Augen und erinnern uns an Momente in unserem Leben,
in denen wir jemandem eine Freude machen konnten. Wie haben wir uns gefühlt?
Nach einer kurzen Stille – evtl. mit leiser Musik unterlegt – können diejenigen, die mögen, kurz mitteilen, was ihnen eben durch den Kopf gegangen ist.

Reflexion
Erinnern wir uns an einen Moment in unserem Leben, in dem es uns regelrecht geschmerzt hat, nicht helfen zu können? Was war der Grund dafür?

Nach einer kurzen Besinnungszeit Austausch darüber mit einer Nachbarin – Wer möchte, kann anschließend das Erinnerte mit der gesamten Gruppe teilen. Auch die Reflexion über die Gründe, die dazu führten, dass in der jeweiligen Situation nicht geholfen wurde, kann von allen gemeinsam geführt werden.

Wovon wir leben
Viele Feministinnen haben darauf hingewiesen, dass nur ein kleiner Teil unserer Lebensbedürfnisse über Kauf befriedigt wird – dies entspricht der sichtbaren Spitze eines schwimmenden Eisberges. Die bildlich gesprochen darunter liegenden Sorgetätigkeiten und die Gaben der Natur werden jenseits von Tauschlogik teils freiwillig, teils gewaltsam einverleibt.

Diesen „Eisberg“ mit seinen drei Schichten großflächig aufmalen – dann können die Frauen in Stichworten hineinschreiben, was jeweils dazu zählt.

„Speed-Tuscheln“
Was stellt das größte Hindernis für eine ganz andere Wirtschaftsform dar?

Die Frage soll in Tuschelgruppen von zwei bis drei Personen besprochen werden. – Um die heutige Arbeitswelt nachzuempfinden, kann dies forsch, aber erkennbar ironisch damit angeleitet werden damit, dass innerhalb von vier Minuten ein Ergebnis vorzuliegen habe, nach dem Motto mancher Unternehmen „deliver or die“ („liefere oder stirb“) – wer dies nicht schaffe, müsse gehen …

Die Ergebnisse werden gesammelt, in Stichworten für alle sichtbar notiert und dann gemeinsam besprochen. Voraussichtlich fallen Begriffe wie „unser Kopf“, „Angst“ oder „Gewohnheit“; bei vielen kann eine Parallele gezogen werden zu der Situation, der Jesus gegenüberstand.

Bei sich selbst und miteinander -morgen beginnen
Was würde ich mir in meinem Leben wünschen? Zu tun? Mit wem Kontakt zu haben? Wem zu helfen? Worin geholfen zu bekommen?

Für sich selbst auf Papier festhalten, dann sammeln und Interessencluster bilden;
in Kleingruppen entsprechend den entstandenen Interessenclustern überlegen, wie man/frau miteinander beginnen könnte; alle Ideen im Plenum zusammentragen, konkrete Ansätze für alle zugänglich machen.

Dr. Friederike Habermann, geb. 1967, ist Volkswirtin und Historikerin. Sie arbeitet als freie Wissenschaftlerin und lebt selbst solidarisch eingebunden.

Anmerkungen
1) zugänglich unter: http://www.oikoumene.org/de/resources/documents/wcc-commissions/mission-and-evangelism/together-towards-life-mission-and-evangelism-in-changing-landscapes
2) Als „Gut“ bezeichnet die Wirtschaftswissenschaft alle Mittel, die der Bedürfnisbefriedigung dienen. „Rivale“ Güter zeichnen sich dadurch aus, dass der Konsum eines Gutes durch eine/n KonsumentIn den Konsum desselben Gutes durch eine/n andere/n KonsumentIn be- oder verhindert. Ein typisches nicht-rivales Gut wäre z.B. das Radiohören: Macht das jemand nebenan, hindert mich das nicht an meinem eigenen Empfang. – Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Gut_(Wirtschaftswissenschaft)
3) Veronika Bennholdt-Thomsen: Geld oder Leben. Was uns wirklich reich macht, München 2010, S. 50; das Zitat stammt aus: Genevieve Vaughan (1997): For-Giving. Schenken und vergeben. Eine feministische Kritik des Tauschs, Frankfurt/M. 2008.

Ausgabenarchiv
Sie suchen eine Ausgabe?
Hier entlang
Suche
Sie suchen einen Artikel?
hier entlang