Ausgabe 1 / 2009 Bibelarbeit von Isa Breitmaier

Frauen sind Mütter. Was sonst?

Bibelarbeit zu Frauenberufen

Von Isa Breitmaier


Dem biblisch-patriarchalen Blick auf Gesellschaft entspricht es, dass viele biblische Frauengestalten ihr Leben lang nur mit Hochzeit, Zeugung, Fortpflanzung und Kindererziehung in Verbindung gebracht werden.

– Sara, die Schöne (Gen 12,11), grämt sich beinahe ihr ganzes Leben darum. In dieser Rolle verhält sie sich allerdings sehr kreativ und machtbewusst. Wir erfahren von ihr aber allein in diesem Zusammenhang.

– Von Rebekka wird über Hochzeit und Geburt hinaus erzählt, wie sie ihrem Jüngsten zum väterlichen Segen verhilft und ihn dann vor dem Zorn seines Bruders schützt (Gen 27). Das lässt schon ahnen, dass sie die organisatorische Leitung der Hauswirtschaft hatte. Es wird aber nicht erwähnt, sondern auch von ihr hören wir nur das, was im weitesten Sinne zu mütterlichen Erziehungsmaßnahmen zu zählen ist.

– Rahel ist Hirtin (Gen 29,9)! Aber ihr Beruf spielt im Folgenden keine Rolle mehr. Wir erfahren stattdessen von ihr in Gen 29,31, dass sie unfruchtbar war. Als Jakob im Unfrieden von seinem Schwiegervater scheidet, entschließen sich seine Frauen Lea und Rahel, mit ihm zu ziehen (31,14). Rahel stiehlt beim Aufbruch den Teraphim (Götterfigur) ihres Vaters unter Lebensgefahr (31,32-35). Sie wird also durchaus als eigenwillig und lebenskundig beschrieben. Aber die Überlieferung ist im Wesentlichen an ihrem Unglück und Glück im Blick auf die Geburt von Söhnen interessiert.

Kann es sein, dass verhältnismäßig wenige Frauen der Bibel in Berufen erwähnt werden, weil die Frauen als Gebärerinnen sozusagen den körperlichen Teil der Traditionsstiftung übernahmen; dass sie also in dieser Hinsicht „theologisch“ wichtig waren, aber nicht im Blick auf ihre Berufe? Das hieße aber, dass Frauen historisch sehr wohl mit ihrer Arbeit auch Geld verdienten, die Überlieferung diesen Aspekt aber ausblendet, weil er „heilsgeschichtlich“ nicht relevant war und gesellschaftspolitisch nicht gewünscht bzw. gewürdigt wurde.

Bestätigt wird diese These, wenn zum Beispiel Rahab als Prostituierte gezeichnet wird, die für ihren Vater, ihre Mutter, ihre Brüder und Schwestern sorgt (Jos 2,2-22; 6,17-25). Ihr Beruf ist logische Voraussetzung für die Einkehr der Kundschafter. Rahabs Tat wird später in die Tradition eingereiht (Mt 1,5), ihr Beruf durchaus gebilligt. Interessant ist, mit welcher Selbstverständlichkeit hier von einer berufstätigen Frau gesprochen wird, die in ihrem Haus mit großer Freiheit auch ungewöhnliche Dinge veranlasst, indem sie die Kundschafter verbirgt. Nebenbei wird auch erwähnt, dass sie unterm Dach Flachs stapelt, also selbständig für ihren Lebensunterhalt und den ihrer Großfamilie zu sorgen scheint.


Hebammendienst für Frauenrealität

Wenn also die biblische Perspektive auf Frauen als Gebärerinnen und Mütter so klar erkennbar ist, stellt sich die Frage, wie das historische Interesse an Frauen und ihren faktischen Lebensumständen zu stillen ist. Auch eine ideologie-kritische Frage kommt hinzu: Wenn biblische Überlieferung den Akzent im Wesentlichen auf einen Aspekt von Frauenarbeit legt, nämlich die unbezahlte Haus- und Kinderarbeit, ist es dann historisch zu vertreten, diese Einseitigkeit immer wieder zu bestätigen? Sollte nicht, bei begründetem Verdacht, auch gegen biblische Überlieferung historisch argumentiert werden?

Luise Schottroff schlug in ihrem Buch „Lydias ungeduldige Schwestern“ schon vor vielen Jahren vor, die Beweislast umzukehren: Frauen werden nicht mehr nur dann erwähnt, wenn sie nachweisbar mitgemeint sind, sondern die Beweislast wird umgekehrt: Frauen werden dann genannt, wenn sie nicht nachweisbar ausgeschlossen sind.

Für die ÜbersetzerInnen der Bibel in gerechter Sprache war diese Forderung äußerst relevant. Sie fragten sich: Was wäre historisch richtiger: den generischen Plural (z.B. die Apostel) mit seiner männlichen Endung so zu übersetzen, wie er da steht, oder mit Luise Schottroff die Beweislast umzukehren und Frauenendungen dann mit zu übersetzen, wenn es nicht ausgeschlossen ist, dass Frauen mit dabei waren? Die ÜbersetzerInnen entschieden sich für die zweite Lösung, so dass in der Bibel in gerechter Sprache biblische Frauen in Berufen auftauchen, die bisher kaum vorstellbar waren: Sie sind Hirtinnen, Zöllnerinnen und Briefbotinnen, um nur einige zu nennen. Diese Übersetzung ist nicht willkürlich, sondern sie geht von wenig beachteten biblischen „Randbemerkungen“ aus (vgl. Rahab, die als Hirtin bezeichnet wird) oder zieht archäologische Befunde bzw. außerbiblische, antike Schriften heran. Die historische Begründung steht aber in einigen Fällen noch aus. Mir sind z.B. bisher keine Forschungen über das Geschlecht der BriefbotInnen in der Antike bekannt. Es wäre sicher eine Gewinn bringende Arbeit.


Frauenarbeit als Versorgungs- und Erwerbsarbeit

Ein anderer Zusammenhang von -Frauen und Arbeit eröffnet sich, wenn wir fragen: Wie arbeiteten Frauen? Gibt es eine Frauenökonomie, eine weibliche Art, zu arbeiten? Im Buch Rut findet sich ein Beispiel für das solidarische Miteinander von Frauen zweier Generationen, die sich nach herben Schicksalsschlägen unter erschwerten Bedingungen eine neue Existenz aufbauen. Die ältere, Noomi, bringt ihr Wissen um die Tradition und ihr Vertrauen gegenüber der Nachbarschaft in Betlehem ein. Rut, die jüngere, ausländische Frau, leistet die Feldarbeit zusammen mit den angestellten Schnitterinnen und Schnittern und folgt dem Rat ihrer Schwiegermutter sogar, als sie ihr sehr Ungewöhnliches vorschlägt.

Im Neuen Testament findet eine interessante Auseinandersetzung über das Verständnis von Arbeit statt. Das Wort kopian meint schwere Arbeit, die groben Erdarbeiten entspricht, und ist einige Zeit im frühen Christentum ein Signalwort für das Selbstverständnis der Menschen als MitarbeiterInnen Gottes gewesen. In nach neutestamentlicher Zeit verschwand das Wort: Es war „nicht mehr passend …, als die Geistlichkeit zu einem übergeordneten Stande wurde“ (Harnack). Das Wort kopian (arbeiten) wie das Wort diakonein (dienen) als christliche Schlüsselwörter zeigen, wie bewusst hier über Hierarchien in der Arbeitswelt nachgedacht wurde und wie bewusst der Schritt vollzogen wurde, Unterdrückung zu unterlaufen, indem sich alle auf den untersten Platz begeben. „Wer unter euch groß werden will, soll euer Diener, eure Dienerin sein.“ (Mk 10, 42-45 und die Parallelstellen)

Diakonein (dienen) war also ursprünglich ein ganzheitliches Konzept, das Versorgungsarbeit und Wortdienst zusammenbinden sollte. Frauen konnten sich nach diesem Konzept zumindest zeitweise von Hausarbeit befreien und sich als Lernende und Lehrende in der Öffentlichkeit bewegen. Dagegen gab es patriarchalen Widerstand. Lk 10,38-42, die Erzählung von Maria und Marta, behandelt die Trennung von Hausarbeit und Lernen nur noch als Problem zwischen Frauen. War diese ganzheitliche Sicht vielleicht ursprünglich als eine Normalität für Frauen auch von Frauen in den frühchristlichen Umgang miteinander eingebracht worden? Wäre diese ganzheitliche Sicht vielleicht auch heute noch eine kritische, feministische Sichtweise auf Arbeit? Dann wäre es an der Zeit, die negativen Aspekte von Berufsarbeit wie „Besitzstandswahrung“ oder Verteilung von Berufsarbeit, die Institutionalisierung von „Niedriglohnstellen“ und „Niedriglohnländern“ oder die skandalösen Arbeitsbedingungen besonders von Frauen in Freihandelszonen aufzubrechen und zu einer ganzheitlicheren Praxis zu finden, die Männern und Frauen gerecht wird.


Für die Arbeit in der Gruppe


1 Womit haben sich Frauen in biblischer Zeit Ihrer Meinung nach Geld verdient? Welche Berufe hatten sie? Die Leiterin schreibt die genannten Berufe auf einer Tafel oder einem Flip-chart mit.

2 Können Sie sich vorstellen, dass es folgende Berufe für Frauen in biblischer Zeit gab? Die Leiterin ergänzt die noch nicht genannten Berufe (siehe Auflistung S. 18) auf Flipchart; sie wartet bei jedem einzelnen Beruf die Reaktionen ab und lässt eine kurze Diskussion zu.

3 Erst wenn alle Berufe aufgelistet sind, werden die Bibelstellen ergänzt (oder Kopie für jede Teilnehmerin). Die Frauen bekommen genügend Zeit zum Nachschauen in Einzel- oder Zweierarbeit mit dem Arbeitsauftrag: Achten Sie darauf, welche der Personen namentlich bekannt sind.

4 (a) Die Leiterin erklärt, dass Paulus in Röm 16,1-6 viele Frauen und Männer wegen ihrer Bedeutung und Arbeit in den ersten Gemeinden würdigt, oder sie liest den Text vor. Impulsfrage: In Röm 16,6+12 steht: „Sie hat viel und hart für euch gearbeitet.“ Was meint Paulus mit „viel und hart gearbeitet“?
Austausch in (Tisch-) Gruppen; die Frauen notieren Ergebnisse auf Zettel, die an eine Pinwand geheftet werden.
(b) Die Frauen erhalten den Text „Arbeitsmaterial“ S. 19/20. Sie lesen ihn, schlagen die Bibelstellen nach und diskutieren ihn – je nach Gruppe abschnittweise oder insgesamt. In einer kleinen Gruppe kann der Text am runden Tisch Satz für Satz gelesen und besprochen werden.

5 Zusammentragen der Erkenntnisse zu Frauenberufen mit der Frage: Wie kann es bei dieser Vielfalt passieren, dass vor unserem inneren Auge Frauen doch immer eher im Haus und bei den Kindern zu suchen sind?

6 Wie könnte ein erfülltes Arbeitsleben von Frauen und Männern heute zwischen Erwerbsarbeit und Versorgungsarbeit aussehen und was können wir Frauen und Männer tun, damit wir in unserem Umfeld darauf hin arbeiten?


Prof. Dr. Isa Breitmaier, geb. 1958, hat Evangelische Theologie und Befreiungstheologie studiert. Nach der Vikariats- und Pfarrvikariatszeit hat sie fünf Jahre im Schuldienst an Beruflichen Schulen gearbeitet und lehrte als Privatdozentin an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Heute ist sie Professorin für Ev. Theologie und Religionspädagogik in der Evangelischen Hochschule in Freiburg. Isa Breitmaier ist Mitübersetzerin der Bibel in gerechter Sprache.


Verwendete Literatur


Isa Breitmaier: Frauenberufe in biblischer Zeit, in: Dies., Luzia Sutter Rehmann (Hrsg.): Gerechtigkeit lernen. Lehren und Lernen mit der Bibel in gerechter Sprache. Band 1, Gütersloh 2008, S. 31-35.
Luise Schottroff, Silvia Schroer, Marie-Theres Wacker: Feministische Exegese. Forschungserträge zur Bibel aus der Perspektive von Frauen. Darmstadt 1995.
Luise Schottroff: Lydias ungeduldige Schwestern. Feministische Sozialgeschichte des frühen Christentums. Gütersloh 1994.
Elisabeth Schüssler-Fiorenza: Zu ihrem Gedächtnis… Eine feministisch-theologische Rekonstruktion der christlichen Ursprünge. Mainz 1988, bes. S.104-143.
Frigga Haug: Arbeit, in: Elisabeth Gössmann, Helga Kuhlmann, Elisabeth Moltmann-Wendel u.a. (Hrsg.): Wörterbuch der Feministischen Theologie. Gütersloh 22002.


Arbeitsmaterial: Beispiele für biblische Frauenberufe


Bäckerin 1 Sam 8,13; BigS: Hos 7,4.6

Bäuerin  1 Sam 25

Briefbotin  Röm 16,1; Est (gr) 8,14 (BigS)

Fischerin

Händlerin  Apg 16,14

Handwerkerin   1 Kön 5,32 (BigS vgl. Jos 13,5 und Hes 27,9); Apg 18,3

Hausherrin  2 Kön 4,8-37; Spr 31,10-31

Hebamme  Ex 1,15-22

Hirtin  Gen 29,9; BigS: Lk 2,8.15.18.20; Mt 8,33 u.ö.

Köchin  1 Sam 8,13

Königin 1 Kön 10,1.4.10.13; 2 Chr 9,1.12; 2 Kön 11,3; Est 2,17; Jes 47,5.7; Jer 13,18; Klgl 1,1; Mt 12,42; Apg 8,27; Apk 18,7

Lehrerin  Spr 1,8; 9,1-18; Spr 31,1; Hhl 8,2

Philosophin  Apg 17,34

Prophetin Ex 15,21; Num 12; 20,1; 26,59; Dtn 24,8f; Ri 4,4; 2 Kön 22,14; Jes 8,3; Neh 6,14; Lk 2,36

Richterin  Ri 4,4

Salbenmischerin  1 Sam 8,13; Lk 24,1

Schifferin  Ez 27,27-35 (indirekt)

Schnitterinnen Rut 2,7f

Schriftgelehrte

Totenbeschwörerin 1 Sam 28

Weberin  Tob 2,11 (vgl. Ex 35,30-31; 36, 8-38)

Zöllnerin
Zöllnerinnen sind belegt in P.J. Sijpestein, A Female Tax Collector, in: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik 61, Bonn 1985, 71-73 und derselbe, Another Female Tax Collector, aaO. 64, 1986, 121-122.

aus: Breitmaier/Sutter-Rehmann: Gerechtigkeit lernen, 2008, S. 31f mit Ergänzungen


Arbeitsmaterial: „Sie hat viel und hart für Euch gearbeitet“
Mirjam, Tryphania, Tryphosa und Persis in Röm 16,6 und 16,12


,Die Überschrift ist ein Zitat aus Röm 16, einem Empfehlungsschreiben und einer Grußliste des Paulus, in der er zehn Frauen und siebzehn Männer wegen ihrer Bedeutung und Arbeit für christliche Gemeinden würdigt. Dabei verwendet er für diese Arbeit dreimal das griechische Verb kopian für die Arbeit von Frauen (Maria V.6; Tryphaina und Tryphosa V.12; Persis V.12). Dasselbe Verb benutzt er häufig, um seine eigene Arbeit und die anderer MitarbeiterInnen Gottes (dieser Ausdruck stammt aus 1 Thess 3,2) zu bezeichnen. Das Wort kopian meint schwere Arbeit, die groben Erdarbeiten entspricht, und ist einige Zeit im frühen Christentum ein Signalwort für das Selbstverständnis der Menschen als MitarbeiterInnen Gottes gewesen. In nach-neutestamentlicher Zeit verschwand das Wort: Es war „nicht mehr passend …, als die Geistlichkeit zu einem übergeordneten Stande wurde“ (Harnack). Das Wort kopian/arbeiten wie das Wort diakonein/dienen als christliche Schlüsselwörter zeigen, wie bewusst hier über Hierarchien in der Arbeitswelt nachgedacht wurde und wie bewusst der Schritt vollzogen wurde, alle Unterdrückung zu unterlaufen, indem sich alle auf den untersten Platz begeben (Mk 10,42-45 parr).

Was hat Maria (Röm 16,6), über die wir weiter nichts wissen, als dass sie viel und hart „für euch“ gearbeitet hat, getan? Was hat diese Arbeit für sie in diesem Umfeld von Versorgungsarbeit, Landarbeit, Handarbeit und Arbeit für die Gemeinde bedeutet? […]
Es gibt einige Texte, die uns Einblick in frühchristliche Arbeitskonflikte geben:

Apg 6,1ff: Tischdienst und Wortdienst werden wegen eines Konflikts getrennt (wohl unter Männern aufgeteilt).

Lk 10,38-42: Die Trennung von Versorgungsarbeit und „das Wort hören“=lernen, führen zum Konflikt zwischen Maria und Martha. (Jesu Schlichtung dieses Konflikts bleibt eine halbe Lösung, da er und Maria sich eigentlich an der Versorgungsarbeit hätten beteiligen müssen.)

1 Tim 5,13: Junge Frauen lernen und bewegen sich in der Öffentlichkeit und reden und lehren öffentlich (vgl. 1 Tim 2,11f). Der Text beschimpft sie als argai/faul. Gemessen an der partiarchalen Ideologie des Textes (s. 5,14) bedeutet das, dass sie sich der Haus- und Versorgungsarbeit verweigern.

1 Kor 14,34f: Frauen reden in der Gemeindeöffentlichkeit und wollen öffentlich lernen.

Diese Konflikte erlauben folgende Schlüsse: Diakonein/dienen war ursprünglich ein ganzheitliches Konzept, das Versorgungsarbeit und Wortdienst zusammenbinden sollte. […] Für Frauen bedeutete dieses ganzheitliche Konzept von Arbeit, dass sie sich von Hausarbeit befreiten und sich als Lernende und Lehrende in der Öffentlichkeit bewegten. Dagegen gibt es Widerstand von patriarchalen Männern. Lk 10,38-42 behandelt die Trennung von Hausarbeit und Lernen als Problem nur zwischen Frauen, was ein Rückschritt hinter Mk 10,42 parr ist, da hier ja ganz ausdrücklich das Dienen zur Sache aller gemacht wird, auch im Lukasevangelium (Lk 22,26). Die Konflikte entstanden also durch die Verweigerung von Hausarbeit durch Frauen und durch die Notwendigkeit, dass Männer Hausarbeit übernehmen und damit in die Lage geraten, Frauen bedienen zu müssen.

Was hat Maria (Röm 16,6) also getan? Sie hat ihre Hausarbeit mit Männern geteilt und die gewonnene Kraft ins Lernen, Lehren und Organisieren von Gemeindezusammenhalt gesteckt. Sie hat weiterhin – wenn sie Erwerbsarbeit finden konnte – für ihren eigenen Lebensunterhalt gearbeitet, obwohl sie vermutlich nicht genug verdient hat, um sich voll zu unterhalten. Die Gemeinschaft der Gemeinde ermöglichte ihr, auch ohne Ehemann wirtschaftlich zu überleben. „Sie hat viel und hart für Euch gearbeitet“ heißt also, dass das Konzept des ganzheitlichen Arbeitens ihr ermöglicht hat, die Gemeinde und ihre Gemeinschaft mitzugestalten, nicht nur durch Kochen, sondern auch und vorrangig durch Partizipation an Lernen, Öffentlichkeit und Verantwortung für die Gemeinschaft. Sie hat aber mit Sicherheit auch erlebt, dass christliche Männer sie wieder ins Haus zurückdrängen wollten und es als ungehörig verurteilten, dass sie sich von Männern bedienen lassen wollte und dass sie auch die Autorität beanspruchte, Männer zu belehren (1 Tim 2,12).

Auf dem Hintergrund der Armut der Bevölkerung ist die Härte der Haus- und Versorgungsarbeit als Überlebensarbeit der Frauen in den Blick zu nehmen. Die Frauen hatten nicht die freie Entscheidung, welche Art von Arbeit sie tun wollten. Ohne solidarische Strukturen sowohl in ökonomischer Hinsicht als auch in der Versorgungsarbeit wäre die Befreiung zum Lernen und Lehren nicht möglich gewesen. Das Wort „lernen“, das in Konflikten immer wieder auftaucht, zeigt, worum sie zuallererst gekämpft haben.


Luise Schottroff: „Sie hat viel und hart für Euch gearbeitet“
(Röm 16,6), aus:Die Arbeit von Frauen, in:
Dies./Silvia Schroer/Marie-Theres Wacker, -Feministische Exegese. -Forschungserträge zur Bibel aus der Perspektive von Frauen. Darmstadt 1995, 192-194.


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