Ausgabe 2 / 2005 Editorial von Margot Papenheim

Frauenbewegung

10 Jahre nach Peking - Erfolge und offene Posten

Von Margot Papenheim

Ganz vergilbt ist die Karte schon, die seit fast zehn Jahren über meinem Schreibtisch hängt. Eine stilisierte Blume mit zwei Knospen in Herzform, dazu einige Zeilen aus einem Gedicht der 1997 gestorbenen amerikanischen Lyrikerin Denise Levertov:

We have only begun to know
the power that is in us
if we would join our solitudes
in the communion of struggle.
So much is unfolding
that must complete its gesture,
so much is in bud.

Wir haben erst angefangen
die Kraft zu erkennen, die in uns ist,
wenn wir nur unsere Einsamkeiten
im gemeinsamen Kampf vereinen.
So vieles ist dabei sich zu entfalten
und muss seine Gestalt noch vollenden,
so vieles steht in Knospen.

So jedenfalls übersetze ich für mich diese sperrigen poetischen Worte, die aus drücken, was Frauenbewegung ist. Zum Beispiel: Peking im September 1995,  Vierte Weltfrauenkonferenz. Ständig droht der unentwegt strömende Regen die Zelte wegzuspülen, in denen sich in Huairou – „sicherheitshalber“ weit außerhalb der chinesischen Hauptstadt – eine Woche lang über 30.000 Frauen aus aller Welt zum Forum der Nicht-Regierungsorganisationen versammeln.
„So much is in bud – so vieles steht in Knospen.“ Besser lässt sich die Grundstimmung kaum ausdrücken. So viel, fast alles schien möglich. Dass Frauenrechte als Menschenrechte anerkannt und geschützt werden, hatte die Wiener Menschenrechtskonferenz der Vereinten Nationen erst zwei Jahre zuvor beschlossen. Die Pekinger Weltfrauenkonferenz bekräftigte den Entschluss. Dass es nicht „Themen“ und „Frauenthemen“ gibt, sondern dass die großen Ziele der Menschheit wie Entwicklung, Frieden und Demokratie ohne gerechte Teilhabe der Frauen nicht zu haben sind, leuchtete allen ein. Greifbar nahe schien die wirkliche Gleichberechtigung für Frauen und Männer plötzlich zu sein. Nur noch ein paar Jahre, und die Knospen würden sich zu den schönsten Blüten entfalten…

Und heute, zehn Jahre nach Peking? Ja doch, Fortschritte sind unverkennbar. Gewachsen ist aber auch die Erkenntnis, dass „von selbst“ nichts weiter geht, dass Stillstand Rückschritt bedeutet, dass die „Knospen“ im Ansatz verkümmern werden, wenn sie nicht Tag für Tag gepflegt und genährt werden. Diese Arbeitshilfe lädt daher ein: Schauen Sie zurück auf die Blütenträume der Frauenbewegung, um die Sehnsucht nach Gerechtigkeit wach zu halten. Nähren Sie sich aus den  Wurzeln des Glaubens, um Kraft für das Engagement zu schöpfen. Gehen Sie Schritt für Schritt weiter – in eine Zukunft, in der Gerechtigkeit zwischen Männern und Frauen da ist. Einfach so. Ganz selbstverständlich.

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