Ausgabe 1 / 2016 von Evangelische Kirchre in Deutschland

Friede sei über Jerusalem

Von Evangelische Kirchre in Deutschland

Das unaufgebbare Interesse der Christen am Wohlergehen des jüdischen Volkes in sicheren Grenzen entspringt der Einsicht, dass Gottes Verheißung, sein Volk zu bewahren, nicht hinfällig ist, dass das Volk Israel weiterhin Gottes ­erwähltes Volk ist und das gegenwärtige Judentum in Kontinuität zum biblischen Israel steht.

Die Anteilnahme der evangelischen Kirchen am Ergehen des Staates Israel ist auch begründet in dem Bewusstsein jahrhundertelangen Unrechts von Christen an Juden und der Schuld der Schoah. Der gegenwärtige Staat Israel wird aus diesem Grund immer auch Gegenstand des poli­tischen Engagements und der Fürsprache von Christen sein, damit Juden und Jüdinnen eine Zukunft haben und in Sicherheit und Frieden leben können.

Für viele Juden und Jüdinnen gründet die Bindung an das Land Israel in den Erzählungen der Bibel, insofern hat das Land Israel für viele Juden auch eine religiöse Bedeutung, auch wenn die meisten Bürger des Staates Israel ihr Staatswesen nicht unmittelbar als Erfüllung der biblischen Landverheißungen verstehen. Die Vielfalt der religiösen Deutungen des Landes im Judentum können Christen wahrnehmen und achten. Diese Deutungen müssen jedoch nicht als christliche Glaubenssätze angeeignet werden.

Die Rückkehr von Jüdinnen und Juden in das Land Israel und dem folgend die Gründung des Staates im Jahr 1948 sind damit für Christen kein unmittelbar religiöses Ereignis. Wohl aber sind sie Grund zur Mitfreude am Überleben des von Gott erwählten jüdischen Volkes und Grund zur Dankbarkeit Gott gegenüber, der sein Volk bewahrt hat und bis heute bewahrt. Auch die Gründung des Staates kann als ein Mittel erscheinen, um unter den Bedingungen der ­unerlösten Welt und angesichts der realen Konflikte im ­Nahen Osten Jüdinnen und Juden ein Leben im Land Israel in Recht und Frieden zu ermöglichen. In diesem Sinn kann die Gründung des Staates Israel als ein „Zeichen der Treue Gottes zu seinem Volk“ gedeutet werden.

Wo Christen sich zu einem besonderen Einsatz für den gegenwärtigen Staat Israel berufen wissen, sind sie zugleich zu verantwortungsvoller und gegebenenfalls kritischer Begleitung seiner Politik verpflichtet. Hierfür gelten als Kriterien die allgemeinen Grundlagen einer christlichen Staatsethik, nach der das Handeln eines Staates dem Frieden und dem Wohlergehen aller Bewohner des Staatsgebietes verpflichtet ist. Der Staat hat die „heiligen“ Stätten auf seinem Territo­rium und die Beziehung der Angehörigen der verschiedenen Religionsgemeinschaften zu diesen Orten zu achten.

Wie in einem Brennglas bündeln sich in Land und Staat Israel und im Nahostkonflikt politische, religiöse, nationale und soziale Konflikte mit Wurzeln tief in der Geschichte. Signale der Hoffnung und Anlässe zur Verzweiflung, Gewalt und Versöhnungsbereitschaft, Irdisches und Himmlisches lassen sich nicht säuberlich trennen, sondern bilden ein unentwirrbares Knäuel und eine lebenslange Herausforderung.

Die Aufgaben sind vielfältig: Israelfeindlichen Haltungen ist zu widersprechen, einer Überhöhung des Staates ist entgegenzutreten. Mit den verschiedenen Konfliktparteien ist das Gespräch aufrechtzuerhalten und wann immer nötig Unrecht zu benennen. Die widersprüchlichen Sichtweisen sind auszuhalten, Versöhnungsbereitschaft ist zu stärken, die Fürbitte zu pflegen.

Die Segenswünsche des 122. und des 128. Psalms gelten bis heute:

„Wünschet Jerusalem Glück! Es möge wohlgehen denen, die dich lieben! Es möge Friede sein in deinen Mauern und Glück in deinen Palästen! Um meiner Brüder und Freunde willen will ich dir Frieden wünschen. Um des Hauses des HERRN willen, unseres Gottes, will ich dein Bestes suchen.“ (Psalm 122, 6-9)
„ … und siehst Kinder deiner Kinder. Friede sei über Israel!“ (Psalm 128,6)

aus:
Gelobtes Land?
Land und Staat Israel in der Diskussion.
Eine Orientierungshilfe.
Hgg. im Auftrag der EKD
zugänglich unter:
www.ekd.de/EKD-Texte/84249.html

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