Ausgabe 2 / 2018 Editorial von Margot Papenheim

friedensWege

Von Margot Papenheim

Liebe Leser*innen

Lang ist's her, dass eine 17jährige junge Frau ganz Europa mit der Sehnsucht nach „ein bisschen Frieden“ bezauberte. Mit einem Punkterekord gewann Nicole für Deutschland den Eurovision Song Contest 1982. Keine große Stimme, keine mitreißende Choreografie, kein umwerfendes Outfit – wer sich das heute bei YouTube anschaut, staunt nicht schlecht. Und kann sich doch schwerlich der Faszination dieses Auftritts entziehen. So geht es mir offenbar nicht allein. Noch immer kommentieren Menschen das Lied als „best song in ESC ever“, erzählen von Gänsehaut und Tränen in den Augen.

Eigentlich deprimierend, ist immer noch aktuell, das Lied – leider„, schrieb einer kürzlich. Ja, Mann, wie naiv bist du denn!? Ich bin heilfroh, dass ich dem ersten Impuls nicht nachgegeben habe, ihm das per „Antworten“ auch gleich mal mitzuteilen. Denn der Mann hat doch völlig recht. Es ist in der Tat deprimierend, Tag für Tag all den Unfrieden zu erleben, von kleinlichem Streit über gewaltsame Auseinandersetzungen bis hin zu zerstörerischen Kriegen zu hören und zu lesen. Und was daran wäre „naiv“, wenn eine*r sich ein bisschen Frieden wünscht – zuhause, in der Gemeinde, im beruflichen Alltag, in der Gesellschaft, in der Welt? Wohl wissend: Der ganz große Frieden, Gottes Schalom für alles, was lebt, ist eine wunderbare Vision, aus der wir leben, von der wir unser Handeln leiten und treiben lassen, auf deren Wirklichkeit-Werden wir letztlich doch nur betend hoffen können.

Suche Frieden und gehe ihm nach! Welchen Frieden meint die Jahreslosung? Unseren inneren Frieden oder den äußeren, den Frieden unter anderen Menschen, in Gesellschaften, zwischen Völkern und Nationen? Die Aufforderung des Psalms zielt auf beides, weiß um den Zusammenhang zwischen innerem und äußerem Frieden. Ganz sicher aber ist aktuell ein besonderes Augenmerk auf die Streitkultur in unserer Gesellschaft angesagt, besonders in den sozialen Medien. „Die Deppen sind immer die anderen“, fasste die Süddeutsche Zeitung kürzlich das Ergebnis einer Studie zusammen. Reflexhaft gingen wir davon aus, dass „die anderen“ Unrecht haben. Das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe trübe unser Denken und Urteilen, selbst da, wo es sich um banale Fakten handelt. Und darum gebe es in unseren zunehmend polarisierten Gesellschaften wenig Aussicht, zu zivilisierten Debatten zurückzufinden.

Nein, sich von der Sehnsucht nach ein bisschen Frieden anrühren und anstecken lassen, das ist nicht naiv. Das ist gut. Und dringend notwendig. Sonst werden wir die Wege zum Frieden nicht finden.

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