Alle Ausgaben / 2009 Andacht von Hanne Köhler

Fürchte dich nicht

Andacht zum Advent

Von Hanne Köhler


Lied: Friede sei mit dir
siehe Materialanhang S. 31


Liturgischer Gruß und Begrüßung

Eine: Der Friede Gottes sei mit euch.
Alle: Der Friede Gottes sei mit dir.

Eine: „Fürchtet euch nicht! Denn seht, ich verkünde euch große Freude“, werden wir an Weihnachten wieder hören. Aber bis dahin wird es noch einige Zeit dauern. Mit dem Übergang vom Ende des Kirchenjahres zum Advent wechseln wir die Blickrichtung. Statt über den Tod, das Sterben und darüber, was es bedeutet, dass wir als Menschen sterblich sind, denken wir an den Beginn menschlichen Lebens. Im Advent hören wir jedes Jahr wieder biblische Erzählungen, in denen eine Geburt angekündigt wird. Ein Bote Gottes, Gabriel, ist unterwegs und kündigt neues Leben an – und gleichzeitig große Veränderungen.

Advent. Zeit des Wartens, Zeit der Vorbereitung, Zeit der Vorfreude, Zeit der Befürchtungen … – Wir blicken uns um, wer mit uns gemeinsam feiert, und begrüßen uns mit einem Kopfnicken, einem Lächeln, einer Geste, einem „Friede sei mit dir“.

Alle: begrüßen sich gegenseitig


Lied und Tanz: Friede sei mit dir
siehe Materialanhang S. 30/31


Gebet

Nach Frieden sehnen wir uns, Gott, nach Halt und Hoffnung gegen all das Schreckliche, das wir tagtäglich hören, sehen und lesen.
Wir sehnen uns danach, dass Du in dieser Welt ankommst, Gott,
und nennen Dir in der Stille, wo Du besonders nötig bist.
– Stille –
Komm Du in dieser Welt an, und auch in uns,
damit nichts bleiben muss, wie es ist.
In Jesu Namen. Amen.


Lesung Lk 1,5-18
möglichst aus der Bibel in gerechter Sprache

Wie würde ich reagieren, wenn mir jemand sagen würde, du wirst schwanger werden und ein Kind zur Welt bringen? Jede von uns würde vermutlich anders reagieren. Im ersten Moment vermutlich auch noch einmal anders, als nach einigem Nachdenken. Wie würde ich reagieren, wenn mir jemand sagen würde, du wirst schwanger werden und ein Kind zur Welt bringen?

Hier schließt sich entweder ein offenes Gespräch in der Frauengruppe an oder einige Reaktionsmöglichkeiten werden vorgestellt – entweder die folgenden oder selbst formulierte unterschiedliche Äußerungen – und es bleibt Zeit zum Nachdenken über die eigene Haltung.

Frau A: Schwanger? Dass ich nicht lache. Dazu fehlt mir zunächst mal der passende Mann. Klar, ich habe schon öfter daran gedacht. Manchmal habe ich mir auch ein Kind gewünscht. Aber nie hat alles gestimmt. Ganz geplant allein erziehende Mutter zu werden, das konnte ich mir doch nicht vorstellen. Und jetzt? Also ich weiß nicht…

Frau B: Schwanger, muss das sein? Jetzt, wo die Kinder aus dem Gröbsten raus sind, noch mal von vorne anfangen? Ob ich die Kraft noch einmal hätte? Die Geduld, die Nerven? Eigentlich habe ich mich darauf gefreut, mehr Freiraum zu haben. Mehr Zeit für mich und auch für uns. Möchte ich wirklich noch einmal klein anfangen?

Frau C: Schwanger? Ich könnte es kaum glauben. Was haben wir nicht alles probiert, und nichts hat funktioniert. Wir wollten unbedingt ein Kind. Ständig hat die Verwandtschaft gefragt, wann es denn soweit ist. Ich konnte es kaum noch ertragen. Zweimal war ich auch schwanger. Es endete jedes Mal mit einer Fehlgeburt. Niemand konnte erklären, woran es hängt. Beinah ist unsere Partnerschaft darüber kaputt gegangen. Es war so unendlich schwer, von dem Wunsch nach einem Kind Abschied zu nehmen. Ob ich mich jetzt noch einmal trauen würde zu hoffen?

Frau D: Nach den Wechseljahren noch schwanger? Tja, das soll es geben. Oft sind diese Nachkömmlinge ja der Sonnenschein der ganzen Familie. Halten manchmal die Eltern richtig jung und fit. Aber will ich das wirklich? Wieder raus aus dem Beruf? Wenn auch vielleicht nur für kurze Zeit? Als alte Mutter ein Kind in den Kindergarten bringen? Die Älteste sein beim Elternabend in der Schule? Wie viele Jahre könnte ich dieses Kind noch begleiten? Selbst wenn alles gut geht und das Kind gesund auf die Welt kommt: Kann ich das verantworten?

Frau E: Schwanger? Das wäre eine Katastrophe. Gut, dass heute alle selbst entscheiden können, ob sie Kinder haben wollen oder nicht. Für mich wäre das nichts. Ich wäre keine gute Mutter. Ab und zu mal als Tante Babysitterin spielen, das geht gerade noch. Aber ich bin immer froh, wenn wir das alle heil überstanden haben. Und fix und fertig bin ich auch. Wieso sollte ausgerechnet ich ein Kind groß ziehen? Unser Planet leidet ohnehin unter Überbevölkerung. Ich kann mich auch anders verwirklichen als in einem Kind.


Lied
Nichts soll uns trennen von Deiner Liebe
nichts soll uns mutlos nichts ängstlich machen
Beten und Schweigen Singen und Lachen
alles strömt zu Dir

Text: Carola Moosbach / Melodie von „Nada te turbe“ im Internet unter http://www.taize.fr/en_article483.html?lang=de


Lesung Lk 1,18-20
aus der Bibel in gerechter Sprache

Zacharias war erschrocken über den Engel, hat offensichtlich nicht damit gerechnet, eine besondere Begegnung zu haben. Er war zum Dienst im Tempel eingeteilt worden und kannte auch die Handgriffe, die zu tun waren. Und nun ereignet sich wirklich etwas im Inneren dieses Ortes. Gott ist präsent, redet zu Zacharias, vermittelt durch einen Boten, einen Engel.

Auf solch ein Einbrechen der Gottheit in die menschliche Erfahrungswelt ist anscheinend kein Mensch vorbereitet, noch nicht einmal Zacharias während seines Dienstes im Tempel. Zacharias und Elisabet – so hieß es vorher – sind Menschen, die nach der Gottes Weisung gerecht lebten. Offensichtlich geachtete Menschen, die über Gutestun alt geworden sind und denen nur eines fehlt: ein Kind, das sie im Alter versorgt und noch da ist, wenn sie gestorben sein werden.

Zacharias hat getan, was damals bei Unfruchtbarkeit zu tun war. Er hat gebetet. Der Engel erinnert daran: „Fürchte dich nicht, Zacharias, denn dein Gebet ist erhört worden! Deine Frau Elisabet wird dir einen Sohn gebären und du wirst ihm den Namen Johannes geben.“ Viele werden sich über die Geburt dieses Johannes freuen, kündigt der Engel an. Johannes wird ein besonderer Mensch sein, wird eine besondere Beziehung zu Gott haben und wird andere aus dem jüdischen Volk zu Gott zurückbringen. Der Engel vergleicht Johannes mit Elija und kündigt an, dass Johannes diejenigen, die Gott bisher nicht gefolgt sind, „auf den Weg der Gerechtigkeit zurückbringen“ wird.

Was mag Zacharias da gedacht haben? Sie haben die Hoffnung auf ein Kind aufgegeben. Und jetzt wird ihm nicht nur ein Kind angekündigt, sondern es heißt gleich, dass dieses Kind zu einem besonderen Mann heranwachsen wird und zu Großem berufen ist. Zacharias kann so weit nicht denken. Oder macht es ihm Angst?

Wie würde es mir gehen, wenn jemand meinem Kind eine solche Zukunft voraussagt? Das Kind noch gar nicht geboren – und schon das ganze Leben verplant. Habe ich denn gar keinen Einfluss mit meiner Erziehung? Ist es nicht erst mal mein Kind? Schließlich hat Elija nicht ungefährlich gelebt. Wenn ich ein Kind bekomme, warum sollte ich ihm einen so gefährlichen Auftrag zumuten? Wir wollen doch nur ein Kind! Wir wollen doch nur eine ganz normale Familie sein, wenn es dafür nicht schon längst zu spät ist.

Die Bibel erzählt, dass Zacharias seine Stimme verlor. „Siehe, du wirst stumm sein und keine Kraft zum Sprechen haben, bis zu dem Tag, an dem dies geschehen wird, und zwar deswegen, weil du meinen Worten nicht vertraut hast, die sich zur rechten Zeit erfüllen werden“, sagt der Engel. Stumm werden ist keine Strafe, sondern eine Folge. Weil Zacharias nicht vertraut, packt ihn die Angst. Weil Zacharias nicht vertraut, kann er sich nicht einfach freuen, sondern sorgt sich, was geschehen wird. Zacharias muss erst wieder zurückfinden zu seinem Leben.

Zunächst einmal aber wird er „stumm“. Zacharias schweigt. Dasselbe Wort wird später verwendet, wenn Jesus vor seiner Verurteilung nicht auf die Anschuldigungen antwortet (Mt 26,63; Mk 14,61), in einer Situation also, in der Jesus nichts sagen will. Mit demselben Wort fährt Jesus im Unwetter, als alle im Boot Angst haben, den See an: „Schweig! …“ (Mk 4,39). Dasselbe Wort wird verwendet, als Jesus die Jüngerinnen und Jünger fragt, worüber sie unterwegs gesprochen haben. „Sie aber schwiegen, denn unterwegs hatten sie miteinander darüber geredet, wer am wichtigsten sei.“ (Mk 9,34)

Zacharias wird stumm und schweigt. Wann wird ein Mensch stumm und schweigt? Wann werde ich stumm und schweige? Was hilft gegen das Stumm-Werden, was hilft heraus aus dem Schweigen?

Gespräch oder Zeit zum Nachdenken

Was hilft gegen das Stumm-Werden, was hilft heraus aus dem Schweigen? Interessant ist, dass dasselbe Wort in der Apostelgeschichte verwendet wird, wenn Paulus in Korinth von Gott in einer Erscheinung gesagt bekommt: „Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht! Denn ich bin mit dir, und niemand soll sich unterstehen, dir zu schaden.“ (Apg 18,9f.) Darum geht es auch bei Zacharias. Wer auf Gott vertraut wird erleben, dass die Furcht schwindet. Wenn Gott mit mir ist, dann kann ich – voll Gottvertrauen – auch in eine schwierige Situation oder in eine ungewisse Zukunft gehen. Wenn ich auf Gott vertraue, dann werden Wunder möglich, und ich finde meine Stimme wieder.


Lesung Lk 1,57-64
aus der Bibel in gerechter Sprache


Lied: Meine Hoffnung und meine -Freude (Taizé)


statt eines Credo
gemeinsam gesprochen

Ich glaube dir, Gott.
In dir gründet mein Leben.
Du hast mich gekannt,
bevor ich geboren war.
Du nimmst mich auf
am Ende meiner Tage
und öffnest mir deine Ewigkeit.
Ich glaube dir, Gott.
In Jesus von Nazareth
kann ich dich erkennen.
Du hast dich auf mich eingelassen,
ehe ich es verstanden habe.
Du wirst diese Welt verändern
schon heute und hier.
Ich glaube dir, Gott.
In deinem Atem werde ich frei.
Du hast die Sehnsucht nach Frieden
und Gerechtigkeit in mich eingepflanzt.
Du richtest mich auf
und webst – auch durch mich –
an deiner neuen Welt.
Ich glaube dir, Gott,
manchmal,
wirklich.
Mach meinen Glauben stark.


Segen

Eine: Gott hält das Leben in der Hand
und gebe, dass eure Gedanken und Worte und Taten
heilen, helfen und Leben behüten.
Lasst uns im Segen Gottes gehen.
Gott segne dich und behüte dich.

Alle: Möge dies Gottes Wille sein.

Eine: Gottes Angesicht leuchte über dir;
Gott sei dir gnädig.

Alle: Möge dies Gottes Wille sein.

Eine: Gottes Angesicht sei über dir erhoben;
Gott gebe dir Frieden.

Alle: Möge dies Gottes Wille sein.

Übersetzung Annette Böckler, aus: Jonathan Magonet (Hg.): Das jüdische Gebetbuch. Hebräisch – Deutsch, Bd. 1: Gebete für Schabbat, Wochentage und Pilgerfeste, Gütersloh 1997, S. 513


Lied: O Heiland, reiß die Himmel auf (EG 7,1-5)


Hanne Köhler, geb. 1958, ist Pfarrerin der EKHN, verheiratet und Mutter von zwei Söhnen. Von 2001 bis 2006 hat sie in der Ev. Akademie Arnoldsheim das Projekt Bibel in gerechter Sprache geleitet. Zurzeit ist sie beurlaubt für ein Dissertationsprojekt zum Thema Bibelübersetzung.

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