Alle Ausgaben / 2007 Andacht von Brigitte Hauschild

Gabe Gottes oder „Düwelswark“?

Andacht über Schmuck nach 1 Petrus 3,1-5

Von Brigitte Hauschild


1 Ebenso sollen die Frauen, die den eigenen Männern unterworfen sind, ihre Situation verstehen: auch diejenigen Männer, die von Worten nicht überzeugt werden, können ohne Worte gewonnen werden durch den Lebenswandel der Frauen, 2 dann nämlich, wenn sie euch beobachten, die ihr ein ehrfürchtiges und heiliges Leben führt. 3 Ihr sollt euch nicht äußerlich schmücken, etwa mit Haargeflechten, Goldschmuck oder Bekleidung, 4 sondern das Menschsein, das im Herzen verborgen liegt, unvergänglich, weil es aus einer freundlichen und ruhigen Haltung heraus kommt, das ist für Gott kostbar. 5 So nämlich schmückten sich auch einst die heiligen Frauen. Sie hofften auf Gott, waren aber ihren eigenen Männern unterworfen. Bibel in gerechter Sprache

Die „Petrusbriefe“, deren unbekannter Verfasser sich in der Nachfolge des Petrus sieht, wurden Ende des 1. Jahrhunderts geschrieben, in einer Zeit der Christenverfolgung durch Kaiser Domitian (ca. 90–100 n. Chr.). Oberstes Gebot für die noch jungen christlichen Gemeinden im römischen Reich war es, in der Gesellschaft nicht unangenehm aufzufallen und dadurch Repressalien auszulösen. Die Gemeindeglieder entstammten häufig den unteren sozialen Schichten, waren meist ohne besondere gesellschaftliche Position, hatten kaum gesellschaftlichen Einfluss oder größere Geldmittel.

Besonders kritisch war die Situation für Frauen der Gemeinden, wenn sie mit nichtchristlichen Männern im gemeinsamen Haushalt lebten, als Ehefrauen oder als Sklavinnen. In der Gemeinde Jesu Christi hatten sie Gleichberechtigung kennen gelernt: Egalität zwischen Männern und Frauen war die Regel im Miteinander der Gemeindeglieder, in der diakonischen Arbeit wie in der Verkündigung.

Diese dem Glauben entspringende neue Art des Umgangs der Geschlechter konnten die Frauen zu Hause allerdings nicht leben; dies hätten weder Ehemänner noch „Herren“ geduldet. Also rät der Schreiber des 1. Petrusbriefes den Frauen zu einem taktisch geschickten Verhalten, um häusliche Konflikte zu vermeiden. Bescheidenheit und Schmucklosigkeit, eben ein Leben in „Reinheit und Gottesfurcht“, wie Luther übersetzt, schienen am besten geeignet, um zu Hause wie in der Gesellschaft Ärger zu vermeiden. Und vielleicht konnten ja die Ehemänner und „Herren“ auch zum Glauben an Jesus Christus finden, wenn sie die Sittsamkeit und Freundlichkeit der Frauen als „gelebte Predigt“ begriffen!


Wegweisung für Frauen der Gegenwart?

„Ihr sollt euch nicht äußerlich schmücken.“ Kann das auch noch für heutige Frauen gelten? Die Frage ist berechtigt. Aber die Absicht dieser Worte aus dem 1. Petrusbrief ist für mich nur zeit- und situationsbezogen zu verstehen. Und es ist kaum möglich, sie auf unsere Frauen-Situation übertragen. Oder doch?
Wie können wir heute unseren Glauben so bekennen, dass er Auswirkungen auf andere Menschen hat? Kann Schmuck und unser Sich-Schmücken Menschen vom Glauben abhalten? Oder ist gerade das Gegenteil richtig: Mit sinnvollem Gebrauch von „Schmuck“ können wir Menschen für den Glauben interessieren, wenn nicht gar gewinnen?

Sicher, es gibt auch gegenwärtig – noch oder wieder zunehmend – christliche Gemeinden, denen ein Frauenbild nahe liegt, wie es vor mehr als einem halben Jahrhundert verbreitet war. Und vielleicht gibt es auch heute noch Männer, die sich eine entsprechende Frau als Partnerin wünschen. Mein eigenes Leben und Schmuck-Verhalten sind davon jedoch weit entfernt. Es macht mir Freude, mich „schön“ zu machen, durch sorgfältig gewählte Kleidung, Make-up und passenden Schmuck – je nachdem, ob ich zum Einkaufen oder ins Büro, zu einem Frauentag oder ins Konzert gehe. Gewiss, das sind Äußerlichkeiten. Doch sie stärken mein Wohlbefinden, geben mir Selbstvertrauen. Und die Reaktionen von Frauen in meiner Umgebung bestätigen mir, dass sie dieses „Sich-Schmücken“ schätzen und sich selber dadurch gewürdigt und wertgeschätzt fühlen. Nachlässig, gar schlampig daherkommendes Äußeres dagegen kann andere Menschen herabsetzen und beleidigen. Vielleicht ist es etwas gewagt – aber sei's drum: Wenn ich als Christin die Menschen in meiner Umgebung nicht wertschätze, mir nicht die Mühe mache, ihnen „geschmückt“ an Seele und Leib zu begegnen, wie sollen sie dann verstehen, dass sie für Gott wertvoll sind, dass Gott sie achtet und ihnen liebevoll begegnen will? Dennoch höre ich immer noch oft die Frage: Ja, dürfen wir das als Christinnen denn, uns „schön machen“, uns schmücken? Dazu gar als lutherische oder reformierte Frauen, deren Erscheinung und Auftreten in den vergangenen Jahrhunderten doch eher durch äußerste Schlichtheit, dunkle Kleidung und Zurückhaltung im Benehmen geprägt war?

Oder haben da die Männer etwas im Katechismus falsch verstanden? Immerhin schreibt Martin Luther im Kleinen Katechismus, dass Gott uns nicht nur geschaffen hat, sondern uns sogar mit „Kleider und Schuhen … reichlich und täglich versorgt … aus lauter väterlicher, göttlicher Güte“! Dinge wie Nahrung und Kleidung, dazu auch Schmuck, gehören für Luther zu den „weltlichen Dingen“, die wir je nach Situation handhaben können – und dafür Gott danken dürfen, frei nach dem Grundsatz: Alles ist euer, ihr aber seid Christi! Und beim reformierten Johann Calvin ist vom rechten Gebrauch der Gaben Gottes zu lesen, dass die Nahrungsmittel „nicht bloß für unsere Notdurft“ geschaffen sind, „sondern auch für unser Ergötzen und unsere Freude“. Und ebenso hatte Gott „bei unseren Kleidern außer der Notdurft auch anmutiges Aussehen und Anständigkeit als Zweck im Auge“. Und selbst die Schönheit kommt als Gottesgabe nicht zu kurz: „Wie, hat er (Gott) nicht Gold, Silber, Elfenbein und Marmorstein solche Schönheit geschenkt … ? Hat er nicht überhaupt viele Dinge über den notwendigen Gebrauch hinaus kostbar für uns gemacht?“

Das einzige Kriterium für den rechten Umgang mit diesen Schönheiten ist, „daß wir den Geber erkennen und ihm für seine Güte gegen uns Dank sagen.“ (Institutio III, 10,2) Wenn wir diese Regel des – gar nicht so sinnenfeindlichen – Reformators beherzigen, dürfen wir uns wohl in aller Freiheit schmücken und schön machen. Und, wer weiß, vielleicht gewinnen wir ja sogar Menschen dadurch für den Glauben, der uns selber trägt. Ganz ohne Worte!


Anregungen zur Gestaltung der Andacht

Möglichkeiten, die „Mitte“ auszuschmücken:
(1) In der Mitte liegt ein Seidentuch, darauf eine Glasschale, auf der verschiedene Schmuckstücke arrangiert sind. Die Frauen haben eigenen Schmuck mitgebracht. Sie erzählen, warum ihnen dieser Schmuck wichtig ist, was er ihnen bedeutet, und legen ihn anschließend in die Mitte.
(2) In die Mitte werden Bilder und Zeitungsausschnitte mit schön gekleideten und geschmückten Frauen gelegt, darunter auch Werbeanzeigen. Die Frauen erzählen, was es an „Schmuck“ in ihrer Jugend gab und mit welcher Bewertung sie in ihrer Jugend erzogen worden sind (vgl. 2 Berichte im Anhang). Im Anschluss tauschen sich die Frauen darüber aus, ob und wie sich ihre Beziehung zum Schmuck im Lauf ihres Lebens gewandelt hat.

Liedvorschläge:
Gottlob, dass ich auf Erden bin (Text: Novalis; Melodie: Siegfried Macht; s.S. 26); Singt das Lied der Freude (EG 306); In dir ist Freude (EG 135, mit 3 Frauenstimmen!)

Lesung / Gebet:
Psalm 104 (EG 746) im Wechsel oder in neuer Übertragung:

Schön ist Gott, herrlich geschmückt,
schöner als alles,
was schön genannt wird,
schöner als wilde Gebirge,
Gischt auf Wellen,
Blumengärten im Frühling,
Weizenfelder im Sommer,
farbige Wälder im Herbst,
Städte mit alten Gassen,
Rosen im Haar andalusischer Mädchen,
lachende Kinder,
gelbe Häuser am Meer, alte Mauern,
Bäche und Forellen,
Boote unter weißen Segeln,
Bilder von Renoir und Matisse,
blinkender Stahl,
Sterne in blauer Nacht,
Springböcke in Tansania,
Äpfel an Bäumen und
singende Menschen.

Schön ist Gott, herrlich geschmückt,
schöner als alles,
was schön genannt wird,
denn es gehört ihm,
singt vor ihm, lacht für ihn,
duftet für ihn, glänzt vor ihm,
lobt ihn und schmückt ihn.

Einblicke – Ausblicke. Biblische Texte, Gebete und Betrachtungen, hg. v. W. Koeppen und R. Spennhoff, Neukirchen-Vluyn/Stuttgart 1998 (3. Aufl.)

Brigitte Hauschild, geb. 1950, war, nach ihrem Studium der Theologie und Pädagogik, Schulpastorin in Rinteln. Seit 1995 ist sie Pastorin für Frauenarbeit der Ev.-ref. Kirche.


Arbeitsmaterial: Zwei Frauen, etwa 60 Jahre alt, erzählen

Frau aus der Grafschaft Bentheim (reformiert):
In meiner Jugendzeit hatte die „Natürlichkeit“ Vorrang – Veränderungen an Gottes Schöpfung „Mensch“ wurden von den meisten Reformierten nicht gut geheißen. Einfache Frauen besaßen zwar Schmuck, hatten aber selten Gelegenheit, ihn zu zeigen. Schwangere und Frauen in Trauer trugen gar keinen Schmuck. Zum Abendmahl gingen Frauen in dunkler Kleidung – natürlich schmucklos! Auch am Tage der Konfirmation trugen Mädchen keinen Schmuck, bekamen ihn aber geschenkt.
Wir Mädchen wurden angehalten, nicht mehr als nötig in den Spiegel zu sehen. Eitel zu sein geziemte sich nicht. Gut gekämmt, gewaschen und sauber, dazu ordentlich gekleidet sollten wir Mädchen sein, geschminkt und geschmückt nicht! Es wurde auch nicht gern gesehen, wenn Mädchen sich ihre Zöpfe abschneiden ließen.
Bei den Katholiken wurde das anders gesehen. Als wir dann älter wurden, haben wir uns auch geschminkt und die Fingernägel lackiert. Aber am Gottesdienst konnten wir so nicht teilnehmen! Wir kratzten den Lack mühsam mit einem Schälmesser wieder von den Nägeln – Nagellackentferner hatten wir keinen – dann erst gingen wir in den Gottesdienst!

Eine Frau aus Ostfriesland (lutherisch):
Meine Jugend verbrachte ich in einem kleinen Fehnort im Kreis Aurich. Den sonntäglichen Kindergottesdienst besuchte ich nachmittags, in der Zeit von 14.00 bis 15.30 Uhr. Die Kinder standen während des Gottesdienstes vor den Kirchenbänken, die Jungen auf der rechten, die Mädchen auf der gegenüber liegenden Seite. Den Predigttext des Sonntags nahmen wir gemeinsam durch und sangen Lieder aus dem Gesangbuch. Ich hätte mir den Gottesdienst kinderfreundlicher vorstellen können, doch wir kannten es nicht anders und waren so auch bei dem „strengen“ immer dabei.
Der Konfirmandenunterricht fand in den Wintermonaten, jeweils an zwei Tagen in der Woche statt. Wir fuhren bei Wind und Wetter mit dem Fahrrad gut vier Kilometer zur Gemeinde und lernten viele Hauptstücke und Gebote, die Lehre Martin Luthers, Freud- und Leidlieder auswendig. Später besuchte ich sonntags den Gottesdienst mit meinen Eltern und Geschwistern. Auch am Abendmahl nahm ich teil – nach der Konfirmation.
Zu Hause, wo ich mit meinen Eltern und drei Geschwistern in einem landwirtschaftlichen Betrieb lebte, ging es genauso gesittet zu. Alle Mahlzeiten begannen wir mit einem Tischgebet. Es war uns untersagt, Karten zu spielen – der Teufel spielte die Rolle des „Verbieters“. Viel später habe ich erst mit meinen eigenen Kindern „Mau-Mau“-Spielen gelernt und kenne heute auch die Königin-Karte!

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