Alle Ausgaben / 2009 Artikel von Annette Prüße

Gärtnerin aus Leidenschaft

Von Frauen und ihren Gärten

Von Annette Prüße


Die Frauen, die ich als Gärtnerinnen kenne – allen voran meine Mutter – beginnen schon im zeitigen Frühjahr mit der „Gartenarbeit“. Auf der Fensterbank in der Küche werden Tomaten und Zucchini in kleine Töpfe ausgesät, pikiert – und vor allem immer wieder bestaunt.

Zugleich werden die ersten Sonnenstrahlen genutzt, um auf den Beeten im Herbst Liegengebliebenes zusammen zu harken, trockene Zweige abzuschneiden und den Boden für die Bepflanzung vorzubereiten. Die Regentonnen werden geöffnet – in der Hoffnung, dass das geschenkte Nass für die sommerliche Bewässerung reichen wird.

Die Gärtnerin ist voller Elan und es scheint, als würde ihr, wie bei einem Baum, ein neuer Jahresring wachsen. Von der Vorfreude profitieren Körper und Seele gleichermaßen. Da geschieht „Empowerment“ – deutsch in etwa: sich selbst stark machen.

Ich denke auch an unsere „alte“ Organistin, die in ihrem Garten nur noch Blumen zieht, um mit ihnen jeden Sonntag den Altar zu schmücken. Und natürlich an die Frauen, die den Kirchenraum zum Erntedankfest mit den Erträgen ihrer Gärten ausgestalten. Dann sind der schmerzende Rücken und die rissigen Hände schon vergessen. Gärtnernde Frauen gewinnen ein elementares Gefühl bewussten Lebens. Eine Erfahrung, die sie mit leidenschaftlichen Gärtnerinnen aller Zeiten verbindet.


Im Paradiesgarten

Die erste Heimat der Menschen ist das Paradies, die erste Gärtnerin heißt Eva. Ein fruchtbarer Garten Eden, der Sehnsucht weckt – nach dem Dasein und nach der Begegnung mit Gott.

Über eine römische Wandmalerei aus der Villa der Kaiserin Livia, heißt es: Der „Gartenraum … ist nicht nur ein Ort des Vergnügens und der Geselligkeit, sondern auch ein allegorischer Ort der Madonnenverehrung.“(1) Zu der diesjährigen Jahreslosungskarte der EFiD „Madonna in der Erdbeeren“ gibt es die Sage, dass Maria einmal im Jahr aus dem Paradies zu den verstorbenen Kindern kommt und ihnen Erdbeeren zu essen gibt – Trost und Verheißung für alle, die traurig sind.(2)


Im Kräutergarten

Der berühmte St. Gallener Klosterplan zeigt, dass es schon seit dem frühen Mittelalter Klostergärten gibt. Exakt stellt er dar, was notwendig ist, damit ein autonomes Leben des Klosters möglich wird.

Hildegard von Bingen, die heilkundige Benediktinerin, hat ihre Gärten nach diesem Vorbild angelegt. Ihre Erkenntnisse über den Anbau und die richtige Anordnung für das Wachstum der Pflanzen hat sie in ihrem Buch „Physica“ beschrieben. Bedeutend ist Hildegards Idee der Kräuterspirale, die heute noch – oder wieder – in vielen Gärten kultiviert wird. In ihren Rezepten für die Gesundheitsküche spielt die „Grünkraft“ eine große Rolle.

Auch im weltlichen Leben interessierten sich heilkundige Frauen für die Wirksamkeit der Kräuter und Pflanzen, die zum Beispiel von den Kreuzzügen mitgebracht wurden. Neben den Ärzten und Apothekern übernahmen sie die Behandlung der armen Bevölkerung. In deren Gärten wuchs nur das, was für das Überleben am notwendigsten war. Die Beete wurden durch geflochtene Zäune vor dem freilaufenden Vieh geschützt und erhöht angelegt.


Im Landschaftsgarten

Eine besonders leidenschaftliche Gärtnerin war die englische Schriftstellerin Vita Sackville-West, vielen bekannt auch als Freundin von Virginia Woolf, die ihrerseits Vita als Vorbild für ihren Roman „Orlando“ nahm. 1891 geboren, wächst sie als Einzelkind auf einem riesigen Landsitz auf; dessen Garten wird ihr Zufluchtsort vor der neurotischen Mutter und deren Liebhabern.

1930 erwerben Vita Sackville-West und ihr Ehemann Harold Nicolson Sissinghurst – ein völlig heruntergekommenes altes Schloss aus der Zeit Elisabeth I., dessen Garten seit langem als Schutthalde diente. Vita schreibt in ihr Tagebuch: „Es war
Dornröschens Garten: aber ein Garten, der nach Befreiung schrie. Und es war leicht vorauszusehen …, welchen Kampf es kosten würde, ihn zu befreien.“(3)

Mit viel Kraft und Fantasie kämpft Vita Sackville-West zusammen mit ihrem Mann fortan um die „Befreiung“ ihres Gartens. Mit der Schriftstellerei verdient sie das Geld für die Renovierung der Häuser und die Anlage der thematischen Gärten. Sissinghurst Castle Gardens ist heute eine Stiftung und einer der berühmtesten englischen Landschaftsgärten.

„Sie liebte im Garten zu sitzen neben den Blumenbeeten. Sie sprach mit dem Goldlack und den Reseden. Die dufteten sie lieblich an, und sie verstand ihre Sprache und lächelte ihnen zu.“ Vermutlich war Paula Modersohn-Becker 22 Jahre alt, als sie das „Märchen für Kinder und Erwachsene“(4) schrieb. Ein Mädchen, halb so alt wie sie selbst zu der Zeit, sitzt träumend im Garten und wird dabei heimlich von einem kleinen Jungen beobachtet; davon wird die Kleine aber nicht geweckt, vielmehr der Knabe selbst von diesem Anblick verzaubert… – was für eine schöne Momentaufnahme für die uralte, innige Verbundenheit von Frauen und ihren Gärten!


Für die Arbeit in der Gruppe

– An der Eingangstür hängt ein handgeschriebenes Schild „Bin im Garten“. Nach Möglichkeit sitzt die Gruppe tatsächlich im Garten. Sonst steht in der Mitte des Stuhlkreises eine große Vase mit Gartenblumen.
– Kopien Lageplan „Sissinghurst“ Kopiervorlage für AbonnentInnen unter www.ahzw.de /Service sind zum Herunterladen vorbereitet.
– Malunterlagen, viele Buntstifte
– Buch: Vita Sackville-West, Harold Nicolson: „Sissinghurst“ – Portrait eines Gartens, Frankfurt (Insel Verlag) 2006 (Neuauflage)
– Gesangbücher, CD-Player, CD


Lied: Nun steht in Laub und Blüte
(EG 641)


Impuls:

In der Sonne sitzen
still sein
ganz still
das Gras wachsen hören
und staunen
nur staunen

Anne Steinwart (5)


Murmelgruppen:
Wenn ich an meine Kindheit denke: Welcher Garten kommt mir dann in den Sinn? Was wurde angebaut? Wie wurde der Garten bearbeitet?


Rundgespräch:
Wie sieht mein Garten heute aus? Welche Veränderungen hat es gegeben? Was wird angepflanzt?


Lied: Wo ein Mensch Vertrauen gibt (EG 604)


Thema:
Vita Sackville-West und Sissinghurst
– Die Frauen bekommen die Kopie des Lageplans von Sissinghurst.
Die Leiterin hat das Buch gelesen und geeignete Passagen zur Anlage des Gartens herausgesucht. Sie erzählt aus der Biografie von V. S.-W. und liest die ausgewählten Passagen vor. Die Frauen können dabei die einzelnen Gartenräume entdecken und mit der Biografie verbinden.
– Malunterlagen und Buntstifte werden verteilt.
Während die Frauen ihren Lageplan ausmalen, können sie sich über das Gehörte austauschen.
Die angemalten Gärten werden in die Mitte gelegt. Sie können später mit nach Hause genommen oder als „Sissinghurst-Fries“ an die Pinnwand im Gemeinderaum aufgehängt werden.


Abschluss:
Um die gelegte Mitte tanzen:
– Sophia: im Kreis durchgefasst 4 Ranstell-Schritte rechts, 4 Ranstell-Schritte links. 4x zur Mitte mit Tip dabei Arme heben, 4x zurück mit Tip dabei Arme senken(6) oder
– Sonnentanz: im Kreis innen beginnend mit 1 Schritt re zurück, Wiegeschritt re vor- li zurück, re vor – li vor, re seit re, li beistellen = ein getanzter Sonnenstrahl.
Als Musik eignet sich das „Air“ von Bach.


Lied: Geh aus, mein Herz
(EG 503, Verse 13-16)


Einmal wird uns gewiss
die Rechnung präsentiert
für den Sonnenschein
und das Rauschen der Blätter,
die sanften Maiglöckchen
und die dunklen Tannen,
für den Schnee und den Wind,
den Vogelflug und das Gras
und die Schmetterlinge,
für die Luft, die wir geatmet haben,
und den Blick auf die Sterne
und für alle die Tage,
die Abende und die Nächte.

Einmal wird es Zeit,
dass wir aufbrechen und
bezahlen:
bitte die Rechnung,
doch wir haben sie
ohne den Wirt gemacht:
Ich habe euch eingeladen,
sagt der und lacht,
so weit die Erde reicht:
Es war mir ein Vergnügen!

Lothar Zenetti(7)


Annette Prüße ist 52 Jahre alt und wohnt in Wolfenbüttel. Sie leitet in der Gemeinde einen Frauenkreis und gehört zum Team der Frauenhilfe. Im Landesverband Braunschweig der Ev. Frauenhilfe arbeitet sie als Referentin und beim Weltgebetstag mit und ist zudem ehrenamtlich in der Krankenhausseelsorge tätig.


Zum Weiterlesen:

Susanne Amrain: So geheim und vertraut – Virginia Woolf und Vita Sackville-West, Suhrkamp Verlag
Kloster Arenberg: Der Wohlfühlgarten Gottes, rororo 62160
Ellen Breindl: Kochen mit der Heiligen Hildegard, Econ Taschenbuch Verlag


Anmerkungen:

1 Marina Heilmeyer: Gärten. …und färbt sich täglich bunter, Prestel Verlag S.6/7
2 Vgl. ahzw 4-2008, S. 40f.
3 Vita Sackville-West, Harold Nicolson: Sissinghurst. Portrait eines Gartens, hg. v. Julia Bachstein, Frankfurt (Schöffling & Co.) 21997
4 Petra Hempel (Hg.): Du. Ein Märchen für Kinder und Erwachsene, geschrieben und illustriert von Paula Modersohn-Becker, Fischerhude (Verlag Atelier im Bauernhaus) 2007
5 © Anne Steinwart
6 Musik CD vom Weltgebetstag Guyana Titel Nr. 24
7 aus: Lothar Zenetti: Auf Seiner Spur. Texte gläubiger Zuversicht (Topos Plus 327) © Matthias-Grünewald-Verlag der Schwabenverlag AG Ostfildern, 4. Auflage 2006, S. 198

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