Alle Ausgaben / 2011 Editorial von Margot Papenheim

Getragen von Gotteskraft

Von Margot Papenheim


„Ein Schwacher und ein Schwacher sind nicht zwei Schwache. Ein Schwacher und ein Schwacher gibt einen Starken, vorausgesetzt, zwischen den beiden herrscht
ein Mindestmaß an Solidarität, welche die Einsamkeit verjagt und Einheit schafft. Einheit macht bekanntlich stark.“

Mit Wörtern kann ich umgehen. Es macht mir Freude, ihren Sinn zu erfassen, mit ihnen zu spielen, bis sie genau da stehen, wo ich sie haben will, genau das ausdrücken, was ich sagen will. Ganz anders Zahlen. Schon die niedere Arithmetik – Zusammenzählen, Abziehen, Malnehmen und Teilen – ist für mich eine geheimnisvolle Kunst. Und doch lässt mich, im Nachdenken über die Jahreslosung 2012, die „Rechnung“ des brasilianischen Befreiungstheologen Leonardo Boff nicht los.

„Ein Schwacher und ein Schwacher sind nicht zwei Schwache.“ Eins und eins macht also nicht zwei? Das gefällt mir. Sollte das – alle großen Geister der Mathematik mögen mir verzeihen – höhere Arithmetik sein? Geht doch nach Leonardo Boff die Gleichung durchaus auf, wenn ich nur das „Plus“ zwischen zwei Schwachen ersetze: durch Solidarität. Durch „ein Zusammengehörigkeitsgefühl, das praktisch werden kann und soll“, wie der Soziologe Alfred Vierkandt definiert.

„Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ (2 Kor 12,9) Auch die vermeintlich paradoxe Zusage der Jahreslosung lässt sich mit den einfachen Regeln der Grundrechenarten nicht erhellen. Auch dies ist höhere Mathematik. Göttliche gar? Die Solidarität Gottes, die Bibel nennt sie Gnade, macht aus Schwäche Stärke. Paulus hat so manchen Schlag verdauen müssen, bis er gelernt hatte, sich „seiner Schwäche zu rühmen“. Bis er glauben konnte: Gottes Gnade wie menschliche Solidarität können und sollen praktisch werden. Einheit mit Gott macht stark – Einheit von Menschen untereinander auch. Diese Ausgabe der ahzw rechnet die beiden Formeln immer wieder durch.

Getragen von Gotteskraft – möge dies im kommenden Jahr auch zu Ihrer persönlichen Erfahrung werden. Sei es durch die unmittelbare Nähe Gottes, sei es durch menschliche Solidarität, die macht, dass aus einer Schwachen und einer Schwachen eine Starke wird.

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